Aus einem Guss

Thomas Geuder
31. März 2015
Wo einst die Süddeutsche Zeitung und die Abendzeitung gemacht wurden, findet man heute in Münchens Innenstadt ein abwechslungsreiches und offenes Stadtquartier. (Bild: Michael Heinrich)

Unweit des Münchner Viktualienmarkts und der Frauenkirche wurde bis Oktober 2008 die Süddeutsche Zeitung produziert. Hier in der Sendlinger Straße befanden sich das Verlagshaus mit den Redaktionen und (im Inneren des Quartiers) die Druckerei mit der großen Rotationsmaschine. Mit dem Wegzug des Verlags nach München-Zamdorf musste nahezu der gesamte Block einer neuen Bestimmung zugeführt werden. Bereits im Jahr 2006 konnten die Architekten Meili, Peter aus München den entsprechenden Wettbewerb für sich entscheiden. Ihr Konzept für die große Baumasse: in dieser zentralen Lage eine urbane Form, eine starke Verdichtung zu finden, die gleichzeitig das Eigenrecht der vorhandenen Denkmäler sowie der gewachsenen Bebauungsstruktur des Blocks unangetastet lässt. Hierzu haben die Architekten eigenständige Gebäudeteile entwickelt, die aus ihrer Lage im Stadtgefüge und ihrer Funktion abgeleitet sind. Auf diese Weise entstanden sieben einzelne Gebäude mit teilweise mehreren Gebäudeteilen. Eine (höchst städtische) Mischung also aus Wohnen, Arbeiten und Einkaufen.

Eine dreiarmige, geschwungene Passage legt sich wie ein inneres Organ in die Gebäudestruktur und ermöglicht heute den öffentlichen Zugang aus drei verschiedenen Richtungen. (Bild: Michael Heinrich)

Das Herz des Projekts ist das Gebäude der ehemaligen Druckerei, ein 1926 bis 1929 errichteter, betonummantelter Stahlskelettbau mit Klinker an den Hauptfassaden. Daran gliedern sich alle weiteren Gebäude der Hofstatt an und bilden so die unterschiedlichen Höfe aus. Wo einst die große Rotationsmaschine stand, befindet sich heute ein Lichtdach, von dem aus drei Passagen-Arme zur Hackenstraße im Südwesten, zur Sendlinger Straße im Südosten und zum Färbergraben im Nordosten verlaufen. Hier, wie auch im 1. Unter- und im 1. Obergeschoss, befinden sich Flächen für den Einzelhandel, darüber Büroräume. Im Inneren folgen die Passagen einem einheitlichen, amorph fließenden Design, das mit dem Thema «Bänder» in den Schaufensterbändern sowie in den darüber liegenden Werbebändern arbeitet. Die Ein- bzw. Ausgänge zu den Passagen sind der jeweiligen Architektur entsprechend gestaltet. So entsteht eine große architektonische Tiefe beim Begehen der neuen Hofstatt.

Individuell nutzbare «Cages» bilden zur Straße eine Vorzone, die den dahinter liegenden privaten Arbeitsraum von der Öffentlichkeit trennt. (Bild: Simone Rosenberg)

Wohnungen finden sich vor allem in dem vier- bis sechsgeschossigen Gebäude an der Hotterstraße im Nordosten des Quartiers. Insgesamt gibt es hier in den vier Gebäudeteilen 56 Wohnungen, die jeweils ihrer Lage nach entworfen wurden, um in der dichten, innerstädtischen Lage möglichst gut belichtete Grundrisse zu schaffen. Zur Straße hin bilden für die Maisonnette-Wohnungen im Erdgeschoss individuell nutzbare «Cages» eine Vorzone, die den dahinter liegenden Arbeitsraum von der Öffentlichkeit trennt. Stichflure als «rue intérieure» im dritten Obergeschoss ermöglichen, dass die Wohnungen teilweise zu zwei Hofseiten offen sich, wodurch eine hohe Großzügigkeit entsteht.Wohnungen finden sich vor allem in dem vier- bis sechsgeschossigen Gebäude an der Hotterstraße im Nordosten des Quartiers. Insgesamt gibt es hier in den vier Gebäudeteilen 56 Wohnungen, die jeweils ihrer Lage nach entworfen wurden, um in der dichten, innerstädtischen Lage möglichst gut belichtete Grundrisse zu schaffen. Zur Straße hin bilden für die Maisonnette-Wohnungen im Erdgeschoss individuell nutzbare «Cages» eine Vorzone, die den dahinter liegenden Arbeitsraum von der Öffentlichkeit trennt. Stichflure als «rue intérieure» im dritten Obergeschoss ermöglichen, dass die Wohnungen teilweise zu zwei Hofseiten offen sich, wodurch eine hohe Großzügigkeit entsteht.

Der Lage gegenüber dem neu gestaltetem Sattlerplatz entsprechend sind die Fassaden zum Färbergraben als repräsentative Gesichter geschaffen, die sowohl frontal vom Platz aus als auch in der Straßenflucht erlebbar sind. (Bild: Michael Heinrich)

Neben der Renovierung einiger denkmalgeschützter Fassaden – etwa des ehemaligen Gebäudes der Süddeutschen Zeitung – haben die Architekten bei den Neubauten sehr unterschiedliche Fassadenentwürfe realisiert. Die Wohngebäude in der Hotterstraße unterscheiden sich (im Sinne von Einzelgebäuden) durch leicht unterschiedlich gefärbte Putze und vor allem durch die Putzstrukturen, die eine typische Münchner Handwerkstechnik interpretieren. Am Färbergraben ist eine sehr plastische Keramikfassade entstanden, besser gesagt: ein Geschwisterpaar, da die Fassaden links und rechts des Hofstatt-Eingangs zwar aus demselben Material bestehen, aber eine unterschiedliche Farbigkeit besitzen. Eine spezielle Glasur in Dunkelgrün sowie Rotbraun lässt die Textur der Keramik durchscheinen. Das erdige Grundmaterial bildet so einen Kontrast zu den glatten Fensterflächen mit ihren dagegen eher zart wirkenden und matt schimmernden Fensterprofilen, deren Deckleisten eloxiert wurden (HD Wahl) und dadurch einen Edelstahl-Look erhalten. Der Eingang an der Hackenstraße wurde in den denkmalgeschützten Bestand integriert.

Mit der Fassadengestaltung am Haupteingang suchen die Architekten eine Vermittlerfunktion zwischen dem historischen Bestand in der Nachbarschaft und dem zeitgenössischen Ambiente in den Passagen. (Bild: Conné van d´Grachten / HD Wahl)

Der Hauptzugang zu den Hofstatt-Passagen befindet sich in der Sendlinger Straße neben dem ehemaligen Gebäude der Süddeutschen Zeitung, wo einst das Verlagsgebäude der Abendzeitung war. Die Fassade des Neubaus an dieser Stelle besteht aus Werksteinelementen, die eine Semi-Transparenz schaffen, die in der Schrägansicht jedoch einen geschlossenen Eindruck macht. Gleichzeitig wird eine Tiefenstaffelung erzeugt, die die ausgeprägte Plastizität des Nachbargebäudes aufnimmt. Die eigentliche Fassade befindet sich hier in zweiter Reihe in Form einer Fensterfassade, deren Profile in einem metallischen Bronzeton eloxiert sich (ebenfalls HD Wahl), was die Tiefenstaffelung noch verstärkt.

Der Ausgangspunkt für die räumliche Konzeption ist das ehemalige Druckereigebäude im Kern des Ensembles, das unter Denkmalschutz steht. (Bild: Simone Rosenberg)

Mit seinen vielfältig gestalteten Fassaden und Architekturen ist das Hofstatt-Areal ein gelungenes Beispiel dafür, wie man trotz eines einzigen Planungsteams und eines einzigen Bauherrens städtebauliche Qualitäten erzeugen kann, die sich sichtlich abheben von der leider allzu oft gesehenen Langeweile innerstädtischer Einheitsarchitektur-Großprojekte. Die Architekten von Meili, Peter aus München haben hier mit großer Liebe zum Detail ein Vorzeigeprojekt geschaffen, das gerne auch Bauherren und Investoren in anderen Städten gezeigt werden darf.  tg

Das um 1905 nach Plänen von Max Littmann errichtete ehemalige «Verlagsgebäude der Münchener Neuesten Nachrichten» wurde im Rahmen der Neugestaltung des Quartiers renoviert. (Bild: Michael Heinrich)
Lageplan (Quelle: Meili, Peter Architekten)
Grundriss Erdgeschoss bzw. Passagengeschoss (Quelle: Meili, Peter Architekten)
Perspektive Passagenraum (Quelle: Meili, Peter Architekten)
Übersicht Bestand, Ergänzungen und Renovierungen (Quelle: Meili, Peter Architekten)
Die endgültige Form der Werksteinfassade am Haupteingang wurde per Mockup gefunden. (Bild: Conné van d´Grachten / HD Wahl)
Die hinterlüfteten Keramik-Fassaden wurden hierzu gleichzeitig als Raster und Rahmen entworfen. (Bild: Conné van d´Grachten / HD Wahl)
Durch unterschiedliche Verbindungen mit der fast durchgängigen Randbebauung der Grundstücksfläche entstehen mannigfaltige Innenhöfe. Im Bild: Hofseitiger Anbau. (Bild: Simone Rosenberg)

Projekt
Hofstatt
München, D

Architekten
Meili, Peter GmbH München
München, D / Zürich, CH

Hersteller
HD Wahl GmbH
Jettingen-Scheppach, D

Kompetenz
Eloxale und DURAFLON-Beschichtungen

Bauherr
LBBW Immobilien Management GmbH
Stuttgart, D

vertreten durch
Hines Immobilien GmbH
München, D

Landschaftsarchitekten
Vogt Landschaftsarchitekten AG (Entwurf)
Zürich, CH

Keller, Damm, Roser Landschaftsarchitekten (Realisierung)
München, D

Werkplanung und Bauleitung
CLMap GmbH
München, D

Bestandsvermessung
Peuker Gebäudevermessungen
München, D

Tragwerksplanung
CBP GmbH (Entwurf)
München, D

bwp Burggraf und Reiminger beratende Ingenieure GmbH (Realisierung)
München, D

Gebäudetechnik
CBP GmbH (Entwurf)
München, D

m+e consult GmbH (Realisierung)
Dresden, D

Bauphysik, Brandschutz
Müller-BBM GmbH
Stuttgart, D

Visuelle Kommunikation
Büro für Gestaltung Wangler & Abele
München, D

Metallbauer
Rupert App GmbH + Co. (Bauteile A, C, F)
Leutkirch im Allgäu, D

Fassade Passage
Starmann Metallbau GmbH
Klagenfurt, D

Werkstein-Fassade AZ
Ing. Hans Lang GmbH
Terfens, AT

Keramik-Fassade C
NBK Keramik GmbH
Emmerich am Rhein, D

Putz-Fassade A
Malermeister F&S Yazar GmbH
Oberasbach, D

Wettbewerb
2006, 1. Preis

Fertigstellung
2013

Fotografie
Michael Heinrich
Simone Rosenberg
Conné van d´Grachten / HD Wahl



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