Signifikante Gebäudefigur

Gernot Schulz: Architektur GmbH
1. September 2010
Modell von Norden (Foto: Gernot Schulz: Architektur)
Welche Antworten gibt Euer Entwurf auf die Frage, die der Wettbewerb stellt?

Wir schlagen eine signifikante Gebäudefigur vor, die sich zunächst aus dem Abgleich aus örtlichen Bauvorschriften und den Sicherheitsanforderungen des Nutzers generiert: Ein Erdgeschoss mit differenzierten Zugängen und Orientierung zu introvertiert gestalteten Hofflächen und zwei flexibel nutzbare Bürogeschosse. Das besondere Anliegen des Entwurfs gilt der Kommunikation zwischen Innen- und Außenraum trotz der hohen Sicherheitsanforderungen. Die Räume des Erdgeschosses finden Ihre Grenzen erst an den Grundstückseinfriedungen, thematisch der tropischen Fauna gewidmete Höfe wirken optisch in die Räume hinein, ohne dass diese betreten werden müssen. Nutzer und Besucher werden die Atmosphäre des Erdgeschosses als kleines Paradies inmitten der Häuserschluchten Kuala Lumpurs empfinden. Die Obergeschosse hingegen generieren sich aus dem Streben nach idealen Arbeitsbedingungen trotz des tropischen Klimas und der voraussichtlich noch bevorstehenden extremen Bauentwicklung der Nachbarschaft im Osten und Westen. Die erforderliche Klimatisierung wird hierbei mit den vorhandenen natürlichen Ressourcen - Wärme und Solarenergie - betrieben. Das auf Dach und versiegelten Grundstücksflächen aufgefangene Regenwasser wird der Brauchwassernutzung und Gartenbewässerung zugeführt. Somit werden alle Grundstücks- und Dachflächen zur energetischen Betreibung des Gebäudes genutzt. Das Gebäude wird auch zum Botschafter des verantwortungsvollen Umgangs mit örtlichen Ressourcen.

Das weiße Haus in Bildmitte ist der wegen Baufälligkeit ungenutzte Vorgängerbau der Deutschen Botschaft (Foto: BBR)
Wie bindet Ihr das Projekt in den kuturellen und städtebaulichen Kontext ein? Welche Freiraumqualitäten sind geplant?

Der städtebauliche Kontext befindet sich im Wandel von einer niedriggeschossigen Villenbebauung zu einem Viertel mit bis zu 20-geschossigen Bürotürmen. Es gilt also eine Antwort zu geben, wie sich ein relativ kleines Gebäude in diesem Kontext behaupten kann. Unsere Antwort auf diese Frage liegt im Dialog zwischen Modernität im architektonischen Ausdruck und Traditionalität des Typologiebezugs. Der Entwurf bildet zwei traditionelle tropentypische Bautypologien ab und entwickelt diese weiter - zum einen der Gartenhof für die Verschattung und Nutzung der Boden- und Verdunstungskühle, zum anderen das aufgeständerte Gebäude zur Nutzung der kühlenden Durchlüftung.

Situation (Zeichnung: Gernot Schulz: Architektur)
Kannst Du uns durch das Gebäude führen, als ob es schon fertiggestellt wäre?

Nutzer und Besucher betreten das Gebäude durch eine Folge von thematisch bepflanzten Höfen. Jeder dieser Höfe ist einer erdgeschossigen Nutzung zugeordnet. Innerhalb des lauten eng bebauten Stadtgefüges Kuala Lumpurs werden Nutzer und Besucher das Eintreten in diesen Ort immer als Ruheort, blühende Oase und angenehmer - durch Wasser und Pflanzen erzeugter Verdunstung - Kühle empfinden. Konsequent getrennt erreichen die zwei Nutzergruppen ihre Hausbereiche: Die Besucher der Pass- und Visastelle gelangen direkt von der Schleuse in die Wartehalle mit den Schaltern. Der visuelle Kontakt zu den Gartenhöfen, der schon vor der Pforte die Gäste empfängt, überspielt die Sicherheitsaspekte und schafft eine entspannte einladende Atmosphäre. Mitarbeiter und Besucher werden überwiegend mit dem Auto ankommen. Dies wird architektonisch inszeniert und der Gebäudezugang über eine Vorfahrtsituation - der wiederum ein kleiner Gartenhof zugeordnet ist - angeboten. Zu dem kleinen Gartenhof ist auch der Wartebereich der Schleuse orientiert. Eine Wasserfläche mit Fontänen zwischen Schleuse und Pforte stimmt auf die besondere Atmosphäre des Erdgeschosses ein. Der dem Wasserbecken zugeordnete erste Hof ist bewusst als steinerner „Empfangshof“ wie ein Vorplatz thematisiert. Der hinter dem Zufahrtshof angeordnete zweite westliche Hof erhält ein Schattendach aus Rankpflanzen. Beide Höfe dienen funktional unprätentiös auch dem Abstellen der PKWs, ohne das diese Nutzung gestalterisch im Vordergrund steht. Die Bestandsbäume werden selbstverständlich in die Gestaltung und Proportionierung der Bereiche mit einbezogen. Das Foyer, welches nach Passieren der Gebäudeschleuse erreicht wird, öffnet den Blick in die gärtnerisch gestaltete Hoffolge im Osten. Bewusst gestaltete Aufenthaltsbereiche in den Höfen können – müssen aber nicht genutzt werden. Das visuelle Angebot übt in sich schon einen Reiz aus und fördert eine der Metropolenhektik entrückte Atmosphäre. Nur die einladende Treppe in die Bürogeschosse deutet die Grenze zwischen Innen und Außen an und „überführt“ Nutzer und Besucher bewusst langsam in die Büroatmosphäre der Obergeschosse. In natürlicher Bewegungsrichtung dieser Treppe werden auf den beiden Obergeschossen Besprechungsraum und Botschafterbereich erreicht, die beide eine klimatisch optimale Südausrichtung erhalten. Zudem bietet sich dem Botschafter aus dem 2. Obergeschoss der Blick in das Grün des benachbarten Golfplatzes, während aus dem Besprechungsbereich der Blick auf die grünen „Polster“ des Gräsergartens und des Rankdaches fällt.

Grundrisse (Zeichnung: Gernot Schulz: Architektur)
Ansichten v.o.n.u. Nord, West, Ost, Süd (Zeichnung: Gernot Schulz: Architektur)
Welches architektonischen Themen waren Euch besonders wichtig?

1. Der typologische Bezug zum traditionellen Langhaus in den Tropen. Diese aufgeständerten und somit vor den starken Monsuregen schützenden Häuser nutzen gleichzeitig die aufsteigende Verdunstungskühle des Bodens. | 2. Das Bild des „Paradies“ für die (halb-)öffentlichen Bereiche des EG als von der Metropolenhektik „entrückter“ Ort. | 3. Der Einsatz traditioneller (Stampfbeton) und moderner (Aluminium) Materialien als Abbild des Wandels Malaysias von der Agrar- zur modernen Industrienation.

Fassade, Tragwerk und TGA (Zeichnung: Gernot Schulz: Architektur)
Welche Besonderheiten hinsichtlich Konstruktion, Material und Energiekonzept zeichnen Euren Vorschlag aus?

Das ganzheitliche Konzept von Grundrissgestaltung, Fassaden- und TGA-System beginnt bei der Auswahl vor Ort verfügbarer Materialien und Bautechniken. Ein „Import“ findet bzgl. des angewandten Ingenieurwissens zur Nutzung natürlicher Ressourcen statt. Gleichzeitig generiert das Erdgeschoss seine Atmosphäre aus den vor Ort nach traditionell überlieferter Technik hergestellten Stampfbetonwänden. So findet schon während der Bauphase ein baukultureller Austausch zur Minimierung des Primärenergiebedarfs statt. Die gewählte Fassade der Bürogeschosse sorgt zunächst aufgrund der Schottenreihung für eine ästhetische „Robustheit“ angesichts der zu erwartenden Bautätigkeiten in der Nachbarschaft. Zugleich wird das diffuse Licht über die sandfarben hell eloxierten Metalloberflächen der Schotten mehrfach reflektiert und - zusätzlich unterstützt durch die Tageslicht lenkenden Lamellen - maximal für die Ausleuchtung der Büroräume genutzt. Darüber hinaus verhindern die außen liegenden Lamellen den passiven Solareintrag in die Räume. Zum Schutz vor den hohen Außentemperaturen und der intensiven Monsunbewitterung erhält die Primärkonstruktion eine Dämmung mit hinterlüfteter Aluminiumpaneelhaut. Energieaufwände zur Kühlung und Baunutzungskosten zur Pflege der Außenhaut werden somit minimiert. Die Grundstücks- und Außenwände des Erdgeschosses werden wie schon beschrieben aus Stampfbeton hergestellt. Die sichtbar verbleibenden Stahlbetonteile werden durch Zuschläge aus örtlichem Sand und Kies in der Farbe den Stampfbetonflächen angepasst. Die transparenten thermischen Abschlüsse erfolgen durch thermisch getrennte Alu-Glas-Konstruktionen der geforderten Sicherheitsstufen. Die „fünfte Fassade“ der Dachaufsicht wird über flächig angeordnete transparenten Röhren zur solarthermischen Energiegewinnung bespielt und ästhetisch hochwertig gestaltet. Diese Technik nutzt nicht nur die direkte Sonnenstrahlung sondern auch die diffusen reflektierten Anteile des Sonnenlichts der eigenen Dachfläche und der zukünftigen Nachbargebäude.

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Angestrebt ist eine Fertigstellung im Jahr 2013.

Neubau Kanzleigebäude Deutsche Botschaft in Kuala Lumpur, Malaysia
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Prof. Armin Günster, Vors. | Christine Edmaier | Serina Hijjas | Prof. Brian Cody
 
1. Preis
Gernot Schulz: Architektur GmbH, Köln
 
2. Preis
Alten Architekten, Berlin

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