Wie man einen Baubürgermeister wählt

Thomas Geuder
18. März 2015
Blick auf Stuttgart (Bild: Landeshauptstadt Stuttgart, Stadtmessungsamt)

Was eine Stadt lebens- und liebenswert macht, entscheiden selbstverständlich Faktoren wie die ökonomischen Bedingungen, das kulturelle Angebot oder die Wohnsituation. Städteplaner und Architekten wissen jedoch auch, dass die städtebauliche Struktur und das gebaute Erscheinungsbild einer Stadt oftmals zwar ein unbewusster, dennoch wesentlicher Faktor für ihren gefühlten Wert ist. In dieser Hinsicht befinden sich derzeit einige Städte in bemerkenswerter Bewegung, wie etwa die Landeshauptstadt Baden-Württembergs Stuttgart, in der wegen ihrer beengten Kessellage jeder Eingriff in die bauliche Struktur große Auswirkungen auf das Stadtbild hat. Damit meinen wir an dieser Stelle einmal nicht direkt den Dauerbrenner «Stuttgart 21», durch den der Kessel zurzeit (und noch viele Jahre) an seiner empfindlichsten resp. engsten Stelle zum unkalkulierbaren Nadelöhr wird. Stuttgart erfindet sich seit einigen Jahren neu, und so gleicht die Innenstadt mehr einer einzigen, zusammenhängenden Baustelle denn einzelner Baumaßnahmen. Das muss per se nicht schlecht sein, denn Städte leben letztendlich vom ständigen Wandel – die Welt dreht sich nun mal weiter.

Bauprojekte in Stuttgart, Stand 17.03.15 (Quelle: www.stuttgart.de/bauprojekte)

Die bauliche To-Do-Liste in Stuttgart allerdings ist besonders lang, auch weil der (rund ein halbes Jahr früher) ausscheidende Matthias Hahn, den seine Partei SPD 1996 auf den Baubürgermeister-Stuhl holte, stets eine Strategie «der kleinen Schritte» verfolgte, wie er unlängst in einem Interview mit der Bauwelt großherzig zugab. Man muss annehmen, dass die Zusammenarbeit mit den beiden Ober­bürgermeistern Rommel und Schuster – beide augenscheinliche Freunde von Großprojekten – zu dieser Erkenntnis geführt haben muss. Politik funktioniert eben nicht immer nach dem Doktrin der Sinnhaftigkeit.

Nun jedenfalls steht die Wahl eines neuen Baubürgermeisters an. Entsprechend einmalig wäre die Gelegenheit, sich abseits politischer Abmachungen und franktionellem Handeln nach einem wirklich geeigneten Kandidaten oder einer wirklich geeigneten Kandidatin umzusehen. Derzeit läuft es bei diesem Thema im Stuttgarter Rathaus jedoch eher auf das übliche Findungsverfahren hinaus. So reklamierte der OB Fritz Kuhn (Grüne) kürzlich für die Grünen-Fraktion das Recht zu entscheiden, ob sie ihren Fraktionschef Peter Pätzold oder die Stadträtin Gabriele Munk ins Rennen schicken will. Immerhin: Beide sind Architekten.

Vielen jedoch geht dies nicht weit genug. So forderte Amber Sayah, Redakteurin für Kunst und Architektur im Kulturressort der Stuttgarter Zeitung, vorige Woche in der Stuttgarter Zeitung die Installation einer Findungskommission etwa nach dem Beispiel von Hamburg, wo man sich unter 20 Bewerbern für den Stadtplaner Jörn Walter entschied, oder Ulm, wo momentan aus 27 Kandidaten in mehreren Runden ausgewählt wird. «Andere Städte, andere Sitten», möge man meinen, doch der Blick zum Nachbarn lohnt sich ab und an, vor allem wenn es sich um einen derart zukunftsträchtigen Posten wie dem des Baubürgermeisters handelt.

Dabei soll bitte schön den Kandidaten der Stuttgarter Grünen nicht die Kompetenz abgesprochen werden. Nur: Die derzeitige politische Debatte lässt die inhaltliche vermissen – nicht nur hinter verschlossenen Kommissionstüren, sondern auch auf der öffentlichen Ebene. Seit der Demonstrationen um «Stuttgart 21» haben die Bürger ein neues Selbstvertrauen gegenüber baupolitischen Entscheidungen gewonnen, das von den Entscheidungsträgern im Rathaus jetzt nicht missbraucht werden sollte. Ratsam wäre deswegen eine öffentliche Debatte, etwa in Form einer Diskussionsveranstaltung, bei der sich die Kandidaten der inhaltlichen Debatte stellen und ihre Vision für die Zukunft der Landeshauptstadt erläutern.

Umso mehr sehen wir als bundesweites Medium uns in der Pflicht, unsere Leser auf das Stellenangebot hinzuweisen, das (dem üblichen Verfahren entsprechend) leider nur im regionalen Staatsanzeiger sowie auf der Website der Stadt veröffentlicht wurde:

Stuttgart.de
Staatsanzeiger
Die Bewerbungsfrist endet bald: am 27. März 2015. tg 

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