Was nutzt die Architekturfotografie?

Thomas Geuder
24. Februar 2016
Foto: Hertha Hurnaus, 2005, Architektur: Vladimír Dedeček, Slowakisches Nationalarchiv, Bratislava, 1983

Keine Frage: Fachjournalisten sind auf die Arbeit der Architekturfotografen angewiesen, auch die Leser ihrer Magazine und die Architekten, deren Bauwerke durch die Fotografie ins rechte Licht gerückt werden. Für das Dokumentarische, für das Zeigen dessen, was gebaut ist, dessen, was der Architekt erdacht hat und dessen, was dies für den Menschen bedeutet, nutzt die Architekturfotografie also enorm. Sie nutzt nicht nur, sie prägt auch: Sie prägt das Bild vom Bauwerk. Insofern besitzt die Architekturfotografie eine große Macht, denn mit der Wahl von Standpunkt, Beleuchtung, Brennweite und Komposition steht und fällt die (kollektive) Erinnerung an das Werk des Architekten.

Fotografie ist auch: Manipulation. «Kein Bild sagt die Wahrheit», lernen Journalistenanwärter schon früh. Das gilt auch – und womöglich insbesondere – für die Architekturfotografie, die immer auch arrangiert ist. Sie zeigt Gebäude meist in der kurzen Zeitspanne nach Fertigstellung und vor Benutzung, so, wie es sich der Architekt gedacht hat, noch ohne zu wissen, ob der Plan auch mit Menschen aufgeht. Die Möbel (falls vorhanden) werden sauber angerichtet, Unrat beseitigt, alles ist sauber. Weitwinkel verzerren an den Rändern, dunkle Ecken werden aufgehellt. In der Nachbearbeitung dann werden die fallenden Linien begradigt, Rauchmelder retuschiert und der Himmel mit Wolken versorgt. Manches Gebäude sieht nach getaner Fotografenarbeit besser aus, als es in Realität tatsächlich ist.

Aller Dokumentation zum Trotz: Fotografen und -innen schufen und schaffen durch ihre Arbeit, ihre Haltung und ihre Passion sehr individuelle Bilder der gebauten Wirklichkeit. Sie erzählen eigene Geschichten, entscheiden, wie eine Szene aufgebaut ist. Viele Architekten verbindet deshalb eine langjährige Zusammenarbeit mit einzelnen Fotografen. Architekturfotografie ist auch eine eigenständige Kunstform, die die Architektur kommentiert und sie sich zur Schaffung von Kunstwerken zu eigen macht.

Diese Vielfältigkeit von Architekturfotografie herauszustellen, ist das Anliegen von Angelika Fitz und Gabriele Lenz mit ihrem Buch «Vom Nutzen der Architekturfotografie», das als Standardwerk gemeinsam mit der Wiener Vereinigung ig-architekturfotografie konzipiert wurde. Einleitende Essays beschäftigen darin sich zunächst theoretisch mit der Rolle der Architekturfotografie einst und heute. Im Hauptteil dann haben 20 Architekturfotografen gemeinsam mit der Herausgeberin eine Auswahl ihrer Bilder zu zehn Kapiteln sortiert: Es sind Episoden, die eine analytische Annäherung durch die Fokussierung auf den Nutzen und die Aufdröselung in die einzelnen Momente dieser Disziplin zulassen. Etwa: Nutzungsspuren, Vom Nutzen des Standpunkts, Vom Nutzen der Wiedererkennbarkeit, Umnutzung, meistgenutzt – ungenutzt, usw. Die Fotografien kommentieren sich oft gegenseitig, jedoch kommen auch «Nutzer» der Architekturfotografie zu Wort: Journalisten, Kuratoren, Architekten. Der Leser des Buchs wiederum versteht, welche Bandbreite die Architekturfotografie zu leisten vermag. «Vom Nutzen der Architekturfotografie» ist ein Buch zum gegenseitigen Verstehen und Verständigen, zum Erkenntnisgewinn – oder einfach nur zum Schauen.


Mit Fotografien von: Markus Bstieler, Peter Eder, Gisela Erlacher, Pez Hejduk, Eduard Hueber, Hertha Hurnaus, Markus Kaiser, Angelo Kaunat, Bruno Klomfar, Alexander Eugen Koller, Zita Oberwalder, Pia Odorizzi, Stefan Olah, Paul Ott, Lukas Schaller, Manfred Seidl, Margherita Spiluttini, Rupert Steiner, Dietmar Tollerian, Günter Wett

Angelika Fitz und Gabriele Lenz mit ig architekturfotografie
Vom Nutzen der Architekturfotografie
Positionen zur Beziehung von Bild und Architektur

Erschienen im Birkhäuser Verlag, Basel
23 x 29 cm, zahlreiche Farbabbildungen, deutsch/englisch, gebunden
ISBN: 978-3-0356-0586-0
49,95 €

Blick ins Buch

Foto: Angelo Kaunat, 2000, Architektur: Ortner & Ortner Baukunst, Kunsthalle Wien, Museumsquartier, Wien, 2001
Foto: Margherita Spiluttini, 2001, © Architekturzentrum Wien, Sammlung, rchitektur: Hermann Czech, Swiss Re Zentrum für den globalen Dialog, Bar im ehemaligen Pförtnerhaus, Rüschlikon, 2000
Buchcover (Bild: Verlag)

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