Neuer Streit um Berlins größte innerstädtische Freifläche

Tempelhofer Feld zur Unterkunft?

Oliver Pohlisch
7. November 2015
Kommt bald doch was drauf auf's Tempelhofer Feld? Blick auf das alte Flughafengebäude.

Genau dort hatte die rot-schwarze Landesregierung ein Quartier mit 1500 Wohnungen und den Standort der Zentral- und Landesbibliothek geplant. Die HauptstädterInnen sprachen sich allerdings im Mai 2014 bei einem Volksentscheid mehrheitlich gegen Wohn- und Gewerbekomplexe auf dem Tempelhofer Feld aus. Seitdem verbietet ein Gesetz jegliche feste Bebauung der riesigen innerstädtischen Freifläche. Das Aufstellen temporärer Traglufthallen – die Björn Böhning als mögliche Behausung ins Spiel gebracht hat – dürfte davon nicht betroffen sein.

Dem Senat reicht das allerdings nicht als Rechtsgrundlage. Senatssprecher Bernhard Schodrowski erklärte, man wolle «rechtliche Klarheit» schaffen. Laut Berliner Morgenpost soll das Tempelhof-Gesetz um folgenden Wortlaut ergänzt werden: «Für Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte und sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylsuchende dürfen bauliche Anlagen einschließlich Einfriedungen innerhalb eines 200 Meter tiefen Geländestreifens am Tempelhofer Damm errichtet und betrieben werden.» Um Obdachlosigkeit zu verhindern, seien «alle Maßnahmen zu erörtern», sagte Böhning am Freitag dem RBB. Die mitregierende CDU zeigt sich der Idee gegenüber aufgeschlossen Jedoch gilt es in den Parlamentsfraktionen als heikel, ein direkt vom Volk beschlossenes Gesetz zu modifizieren. Und erst vergangenen Montag hatte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) versichert, dass es bei der Nicht-bebauung des Tempelhofer Feldes bleibt.

Die Opposition kritisiert das Vorhaben. Grünen-Fraktionchefin Antje Kapek kann nicht nachvollziehen, das für Traglufthallen das Tempelhof-Gesetz ergänzt werden muss. Solche Hallen kann sie sich zwar entlang des Tempelhofer Dammes, aber außerhalb der mit dem Baustopp belegten Freifläche vorstellen. Hakan Tas, der flüchtlingspolitische Sprecher der Linkspartei erklärte gegenüber dem rbb-Inforadio, «Die Situation sollte nicht dazu ausgenutzt werden, erneut eine Debatte über die Bebauung des Tempelhofer Feldes loszutreten». Es gebe genug leer stehende landeseigene Gebäude, die für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden könnten, fügte er hinzu. Die Initiative «100 Prozent Tempelhofer Feld» glaubt, mit der geplanten Gesetzesänderung werde die Möglichkeit geschaffen, im Masterplan vorgesehene Gebäude unter dem Deckmantel einer Zwischennutzung als Flüchtlingsunterkunft zu errichten. Der ehemalige Sprecher der Intiative, Felix Herzog, schlägt als Alternative vor, das betonierte Vorfeld des alten Flughafengebäudes als Standort für die Traglufthallen zu nutzen. Anders als auf dem Feld selbst ist hier schon eine Versorgung mit Wasser und Strom möglich. Traglufthallen sind im Gegensatz zu Zelten beheizbar.

Bereits seit Oktober leben mehrere tausend Neuankömmlinge aus Syrien, Irak oder Eritrea in drei stillgelegten Hangars des Flughafengebäudes. Wenn schließlich bald noch ein vierter Hangar von Flüchtlinge bezogen worden ist, kann der während der NS-Zeit errichtete Monumentalbau als das größte Flüchtlingslager der Stadt gelten.

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