Schluss mit Bauen!

Thomas Geuder
2. September 2015
Daniel Fuhrhop, Verbietet das Bauen! (Bild: Oekom Verlag)

«Ist es nicht sarkastisch zu sagen, es gäbe zu wenig Raum bei uns, wenn wir so viel Raum übrig haben, dass wir ihn leer stehen lassen können?», fragte Katinka Corts in unserer Ausgabe #34|15 und stellte die dramatischen Ereignisse dieser Tage in einen wichtigen und richtigen Kontext. Abseits dieser Flüchtlings- und Vertriebenen-Debatte wirft der hohe Leerstand in Deutschland jedoch auch grundsätzliche Fragen auf. Denn jährlich entstehen in Deutschland einige hunderttausend Quadratmeter Handelsfläche, mehrere Millionen Quadratmeter Büros und über 200.000 Wohnungen. Warum wird so viel gebaut, wenn doch derart viele Flächen nicht genutzt werden?

Dieses Ungleichgewicht treibt den Journalisten und Autoren Daniel Fuhrhop seit Jahren um. Furhhop ist kein Unbekannter: 1998 gründet er den Stadtwandel-Verlag und produzierte fortan die beliebten Hefte mit dem blauen Streifen auf dem Cover, in denen zahlreiche Neubauten beschrieben und dokumentiert werden. Über 200 Publikationen sind seitdem erschienen. Nach vielen Jahren dieser Arbeit jedoch – so beschreibt Fuhrhop selbst – wuchs seine Skepsis gegenüber dem Bauen. Noch als Verleger begann er deshalb, gemeinsam mit Experten aus Stadtplanung, Architektur und Immobilien nach einem sinnvollen «Stadtwandel in Zeiten des Klimawandels» zu suchen und startete die gleichnamige Publikations- und Veranstaltungsreihe. Das führte 2013 schließlich dazu, dass er seinen Verlag verkaufte, nicht zuletzt auch aus dem Wunsch heraus, nicht mehr für Neubau zu werben, sondern ihn zu kritisieren.

«Verbietet das Bauen!» lautet der Titel seines damals gestarteten Blogs, aus dem heraus sich nun das gleichnamige Buch entwickelt hat. Es ist vor wenigen Tagen beim Münchner Oekom Verlag erschienen, der – folgerichtig für diese Publikation – kein klassischer Architekturfachverlag ist, sondern sich Mit-, Quer- und Vordenkern widmet. Auf gut 160 Seiten geht Fuhrhop grundsätzlichen Fragen des Bauens nach und beleuchtet die Sinnhaftigkeit des Neubaus. So beschreibt er etwa das sogenannte Prometheus-Gefühl, also Neues aus dem Nichts zu schaffen («der Acker leistet keinen Widerstand»), weswegen Bestandsbauten leider allzu oft geopfert werden. Oder er erzählt von Effizienzhäusern mit Ökosiegel, deren «wahre Effizienz» gar nicht mehr nachhaltig ist. Oder entzaubert das allseits beliebte Argument, alte Häuser seien nicht mehr wirtschaftlich zu sanieren. Fuhrhop appelliert aber auch an Bauherren und Architekten, sich mehr mit der Suffizienz auseinanderzusetzen, statt durch Effizienz nur das Wachstum zu kompensieren.

All das reichert er mit Beispielen aus der Praxis an und untermauert seine Gedanken mit Fakten aus Aufsätzen, Büchern, Geschäftsberichten, Pressemitteilungen und Studien. Am Ende, im letzten Kapitel, mündet das in eine Art Leitfaden: In «Mit 50 Werkzeugen Neubau überflüssig machen» gibt er Architekten, Eigentümern, Immobilienleuten, Politikern und Stadtplanern eine anregende Gebrauchsanweisung für einen ökonomischen und sozialen Umgang mit dem Bauen und mit Gebautem. «Verbietet das Bauen!» ist ein Buch, das zum Nachdenken, Staunen und (dank der eingänglichen Schreibweise Fuhrhops) bittersüßen Schmunzeln anregt.

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