Razavi: Bauverwaltung entlasten durch Digitalisierung

Leonhard Fromm
28. August 2023
Landesbauministerin Nicole Razavi (CDU) in Stuttgart: »Wir müssen viel mehr deregulieren, um schneller und günstiger mehr Wohnraum im Land zu schaffen.« (Foto: LBM)

»Wir müssen viel mehr deregulieren, um schneller und günstiger mehr Wohnraum im Land zu schaffen,« begründet Nicole Razavi, seit 1,5 Jahren auch Vorsitzende der Bauministerkonferenz der Länder, ihre Initiative, für die sie seit Monaten bei Verbänden wirbt. In Stuttgart koste der Quadratmeter im Neubau zur Miete aktuell 23 Euro. Das sei weder für Investoren noch für Mieter interessant. Die Folge: Viele Bauvorhaben wurden storniert. Andererseits treffe sie auf viel Widerstand von Architekten bis zur Feuerwehr, wenn sie die Komplexität der Landesbauordnung (LBO) reduzieren wolle.
Razavi: »Konkret wollen wir bspw. abschaffen, dass Nachbarn generell Widerspruch einlegen können, was Bauvorhaben allein schon um 14 Monate verzögert und enorm viel Fachpersonal in den Behörden bindet, das wir letztlich gar nicht haben.« Auch müsse »nicht jede Standardgarage« überhaupt genehmigungspflichtig sein. Auf die Digitalisierung des kompletten Baugenehmigungsverfahrens setzt die Ministerin gleichfalls ihre Hoffnung. Fünf Pilotkommunen im Land arbeiteten bereits so und bis Jahresende sollten 193 weitere Baubehörden folgen. 

Die Vorteile: Baupläne werden digital nur noch angenommen, wenn sie vollständig sind. Allein das entlaste die Verwaltung bereits immens von vielen Nachfragen. Und im virtuellen Raum hätten alle Baubeteiligten synchron Zugriff auf den Bearbeitungsstand, was nochmals langwierige Terminfindungs- und Abstimmungsprozesse erübrige. 
Des Weiteren überarbeite ihr Ministerium derzeit den 30 Jahre alten Landesentwicklungsplan, der die Interessen von Wohnen, Gewerbe, Mobilität, Landwirtschaft, PV- und Windkraft-Anlagen, Nahversorgung oder militärischer Nutzung gleichermaßen berücksichtigen müsse. Razavi: »Da hat sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr viel getan, das wir jetzt synchronisieren müssen.« So bildeten Wohnen und Arbeiten immer seltener Gegensätze, sondern harmonierten miteinander. 
Konkret will die Ministerin Aufstockungen erleichtern, insbesondere auf Supermärkten, auch kleine Gebäudelücken bebauen und sogenannte »Enkel-Grundstücke« für 20 Jahre verpachten, damit dort zwischenzeitlich jemand in seinem mobilen Haus wohnen kann. Auch hätte sich bewährt, größere Einfamilienhäuser, »in denen die gebrechliche Witwe allein überfordert ist«, in zwei und drei Parzellen zu teilen »und die Kinder der neuen Mieter spielen dann im Garten, der zuvor verwildert war.«

Auch zu Wohnraumbewirtschaftung, Denkmalschutz, Kreislaufwirtschaft im Hochbau oder dem beschlossenen Ende des Flächenverbrauchs bis 2035 hat die Ministerin Ideen. So sollten bei Investitionen generell Lebenszyklus und individuelle Nutzung eines Gebäudes ganzheitlich betrachtet und den Architekten Freiheiten zurückgegeben werden statt jede Einzelnorm starr vorzuschreiben. Vermieter könnten steuerlich gefördert oder die Grunderwerbsteuer bei Eigennutzung abgeschafft werden, um Anreize für Investitionen im Bausektor zu setzen.
Die Landesbauordnung will die gelernte Lehrerin auch entschlacken, um das Bauen zu vergünstigen. Schließlich kostet ein Tiefgaragenstellplatz in der Herstellung 35.000 Euro: Statt also zentral einen Stellplatz je Wohnung vorzuschreiben, sollen künftig die Kommunen, die die lokalen Gegebenheiten kennen, individuell entscheiden. Dasselbe gelte für vorgeschriebene Spielplätze in Wohnanlagen. Die könnten entfallen und durch eine Abgabe an die Stadt ersetzt werden, die von dem Geld Spielplätze saniert oder zentral neu anlegt.

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