Nachbarschaften im Bild

Thomas Geuder
29. April 2015
1. Preis: Gezi gegen Gentrifizierung, Petra Gerschner (Bild: Petra Gerschner, architekturbild 2015)

Architektur im Bild ist vor allem aus Fachzeitschriften bekannt, wo ein Gebäude dann in seine konzeptionellen Einzelteile zerpflückt und auf die Tauglichkeit des Entwurfs überprüft wird. Entsprechend bereinigt und den üblichen Architekturfotografie-Richtlinien folgend wurden die Bilder angefertigt. Der fachmännische Blick vergisst dabei leider allzu leicht die Absicht, für wen die gezeigten Bauten schlussendlich doch entstanden sind. Schließlich sind es doch die Menschen, die nach Abschluss der Bauarbeiten hier wohnen und arbeiten und die ein neues und frisches Haus mit Geschichte und Leben füllen sollen.

1. Preis: Gezi gegen Gentrifizierung, Petra Gerschner (Bild: Petra Gerschner, architekturbild 2015)

Diese mediale Lücke füllt der alle zwei Jahre stattfindende Europäische Architekturfotografie-Preis, der letzten Freitagabend im Deutschen Architekturmuseum (DAM) in Frankfurt am Main verliehen wurde. Das Thema des diesjährigen Preises «Nachbarschaft» ließ viel Spielraum für Interpretation und Facettenreichtum. Eingereicht werden mussten – wie beim seit 1995 ausgelobten Preis üblich – vier Motive, die sich zu einer Serie zusammenfügen. Bemerkenswert an den Einreichungen ist in jedem Jahr der Umgang mit der Architektur, die meist bloßer Statist und Bühne für die menschlichen Geschichten und Ereignisse ist – und so auch auf eine ihrer wichtigsten Aufgaben zurückgeführt wird. Das zeigen die ausgezeichneten Arbeiten auch in diesem Jahr wieder eindrucksvoll:

1. Preis: Gezi gegen Gentrifizierung, Petra Gerschner (Bild: Petra Gerschner, architekturbild 2015)

So wurde die Bildserie «Gezi gegen Gentrifizierung» der Fotografin Petra Gerschner mit dem 1. Preis ausgezeichnet. In ihren Arbeiten sahen die Juroren die verschiedenen Kriterien des Preises am besten umgesetzt: «Gerschner erzählt von einem dramatischen Ereignis, ohne das eigentliche Ereignis abzubilden. Dabei verfasst sie eine Kurzgeschichte in vier Bildern, die auch farblich und von der Art der Ausschnitte sehr gut als Serie funktioniert», so die Jury unter Vorsitz von Tom Geister, Assoziierter des Büros Sauerbruch Hutton. Nachbarschaft wird hier bedroht. Dies ist als düstere Ahnung, als nervöse Spannung in die Bilder eingeschrieben.

1. Preis: Gezi gegen Gentrifizierung, Petra Gerschner (Bild: Petra Gerschner, architekturbild 2015)

Zusätzlich zu diesem ersten Preis wurden zwei gleichwertige zweite Preise vergeben: Julia Baier schafft es mit einem sehr begrenzten Ausschnitt, dem Blick von einem Zimmer auf einen typischen Berliner Hinterhof, das ganze Thema «Mensch und Natur in der nachbarschaftlichen Enge der Stadt» auszudrücken. Claudia Brust stellt in ihrer Serie ihre eigene Perspektive auf die Marseiller Unité d‘habitation von Le Corbusier dar. Die gezielt gewählten Bildausschnitte verdeutlichen die Korrelation zwischen der vorhandenen Umgebung und den künstlich geschaffenen Dachelementen und machen dies zum Thema der Serie. Außerdem wurden sieben Arbeiten mit einer Auszeichnung geehrt, 18 Serien erhielten eine Anerkennung.

2. Preis: Ein Fenster zum Hof, Julia Baier (Bilder: Julia Baier, architekturbild 2015)

Der Preis ist mit insgesamt 6.000 Euro dotiert. 4.000 Euro erhält dabei die erstplatzierte Arbeit, 1.000 Euro jeweils die beiden Zweitplatzierten. Alle 28 besten Bildserien werden beginnend mit der Preisverleihung vom 25. April bis zum 9. August im DAM gezeigt. Danach tourt die Ausstellung durch Deutschland und weitere, auch außereuropäische Länder.

Die Jury 2015: Peter Cachola Schmal, Direktor des Deutschen Architekturmuseums, Frankfurt am Main; Dr. Paul di Felice, Hauptdozent an der Fakultät für Sprachwissenschaften und Literatur, Geisteswissenschaften, Kunst und Erziehungswissenschaften der Universität Luxemburg, Direktor des Europäischen Monats der Fotografie in Luxemburg; Meike Hansen, stellvertretende Vorsitzende des architekturbild e.v., Architekturfotografin, Anerkennungen beim architekturbild 2007 und 2009, Hamburg; Tom Geister, Assoziierter des Büros Sauerbruch Hutton, Berlin (Vertretung von Louisa Hutton); Ileana Pintilie, Kritikerin, Kuratorin und Professorin an der Fakultät für Kunst der West Universität in Timisoara, Rumänien

Mehr Informationen zum Preis, allen Preisträgern sowie zu den Terminen der Ausstellung unter: www.dam-online.de und www.architekturbild-ev.detg
 

2. Preis: Claudia Brust (Bilder: Claudia Brust, architekturbild 2015)

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