Oldenburg stellt «Smart City»-Modellprojekt vor

Intelligentes Wohnlabor für den Fliegerhorst

Oliver Pohlisch
22. April 2016
Luftaufnahme des ehemaligen Fliegerhorst Oldenburg (Bild: Bin im Garten via Wikimedia Commons)

Gemeinsam mit dem Informatikinstitut OFFIS möchte die Stadtverwaltung auf dem aufgelassenen Militärgelände sogenannte Smart-City-Technologien testen. Entsprechende Pläne wurden am 18. April dem Ausschuss für Wirtschaftsförderung vorgestellt, berichtet die Oldenburger Onlinezeitung.

Bei dem Modellprojekt «Living Lab» soll es um zukunfts- und altersgerechtes Wohnen, fahrerlosen Verkehr, Gesundheit, die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und notwendige Infrastrukturen gehen, so Sebastian Lehnhoff, Vorstand des Forschungsbereichs Energie im OFFIS. Die Integration vieler Einzeltechniken, werde dem «Living Lab» einen Vorzeigecharakter verleihen.

Die Kommune sieht den gesamten ehemaligen Fliegerhorst als neuen Wohn- und Gewerbestandort vor. Ein entsprechender Masterplan wird laut dem Onlineportal der Nordwestzeitung wohl noch Ende 2016 verabschiedet. Ein drei Hektar großes Teilstück soll dann explizit für die Erprobung digitaler Innovationen ausgewiesen werden – so beispielsweise mit einem automatisierten Einparkservice, vernetzter Telemedizin, umfassenden Datenlisten oder dem nachbarschaftlichen Verleih von Energie.

In Oldenburg scheint man den weiterhin recht dehnbaren Begriff der «Intelligenten Stadt» auf eine technizistisch-funktionalistische Lösung urbaner Probleme verengen zu wollen. Nicht zuletzt die Wahl des Kooperationspartners OFFIS lässt diesen Schluss zu. Ein solcher Ansatz sieht sich längst schon einer elaborierten Kritik ausgesetzt: «Smart City» stehe in dieser Top-Down-Fassung unter anderem für die Unterminierung des Datenschutzes, die Zentralisierung von Entscheidungsfunktionen sowie die Abschaffung öffentlicher und pluralistischer Räume, warnen Stadtforscher. In anderen Modellen spielen dagegen die Ausweitung von Bürgerbeteiligung oder der Umweltschutz eine viel zentralere Rolle. Allerdings ist das Oldenburger Projekt noch nicht zu Ende gedacht. OFFIS will bis zum September ein Strategiepapier erarbeiten.

Durchmischung oder Technik-Aficionados
Als Bewohner der 60 bis 70 geplanten Wohneinheiten des «Living Lab» wünschen sich die OFFIS-Vertreter einen Querschnitt durch die Bevölkerung. Eine begleitende Forschung soll die Bedenken und die Kritik der Teilnehmer am Leben in der Mini-«Smart City» thematisieren. «Entscheidend ist die Frage, ob die Bewohner die Technologie annehmen werden», sagt Martin Fränzle, Bereichsvorstand Verkehr im OFFIS. Das «Living Lab» werde helfen, die Wünsche der Bevölkerung zu verstehen und maßgeschneiderte Lösungen anzubieten.

Fränzle geht von einem großen Interesse der Industrie an der simultanen Erprobung verschiedener Technologien im realen Stadtraum aus. Marktreife Produkte könnten in dieses kleine Quartier schnell hinein und wieder hinausgeschafft werden, weil die dortige Infrastruktur auf demselben Datenstrom läuft. Was das für die Bewohner des «Living Lab» konkret hieße? Womöglich dürfen sie «additive Technologien» kostenlos nutzen, müssen dafür aber zum Zwecke der Evaluierung praktisch gläsern werden.

Fraglich ist, ob die Aussicht auf ein Dasein als durchsichtiges Versuchskaninchen im computerisierten Wohnlabor für viele Menschen nicht eher abschreckend wirkt und statt der geplanten Durchmischung im «Living Lab» doch nur ein Cluster jüngerer, gut ausgebildeter Technik-Aficionados entstehen wird. In einer Universitätsstadt wie Oldenburg ein nicht ganz unrealistisches Szenario. Die auf dem Fliegerhorst gewonnenen Erkenntnisse über die Interaktion zwischen Mensch und den digitalen «Smart City»-Netzwerken ließen sich dann aber wohl kaum auf größere Bevölkerungskreise übertragen.

Tatsächlich sind bundesdeutsche Kommunen bisher recht zögerlich, umfassenden «Smart City»-Experimenten Platz zu bieten. Dass Oldenburg hier mit dem «Living Lab» vorprescht, dient vor allem dazu, sich einen Vorsprung in der interurbanen Konkurrenz um Investitionen und qualifizierte Arbeitskräfte zu sichern, wie Oberbürgermeister Jürgen Krogmann deutlich macht: «Oldenburg kann sich so zu einem Innovationsstandort für Applikationsanwendungen und nachhaltigen Smart-City-Konzepten entwickeln, mit der die Stadt überregional an Profil gewinnt». Die Finanzierung des Projekts ist allerdings noch nicht geklärt. Zurzeit wird nach interessierten Unternehmen und weiteren Partnern aus der Forschung gesucht.

Starten hier bald «Smart City»-Technologien durch? (Bild: WerWil via Wikimedia Commons)

Andere Artikel in dieser Kategorie