Hochhauskonglomerat mit Durchblicken

Inge Beckel
22. April 2015
Wohnen im gestapelten Dorf in Singapur (Bild: sueddeutsche.de)

Wie am Wochenende in der Süddeutschen Zeitung nachzulesen war, hat der seit langem in Fernost arbeitende Ole Scheeren in Singapur ein – von Bewohnerzahl oder Größe her gesehen – eigentliches Dorf errichtet. Aber nicht als Dorf, wie man es hier in Europa gewöhnlich vorfindet: mit einer zentralen Hauptstraße und vielen ein- und zweigeschoßigen Wohn- und kleineren Gewerbebauten rundherum. Nein, wer Singpur kennt, und sei es nur aus Bildern, weiß, daß dafür in der asiatischen Metropole schlicht der Platz fehlt – jedenfalls auf dem Boden. Also hat Scheeren die einzelnen Häuser sinngemäß gestapelt.

In Singapur heißen die städtebaulichen Varianten im Siedlungsbau traditionellerweise Wohnblock oder Hochhaus. Also mehrgeschoßiger Zeilenbau oder punktförmiger Turm, meint der in Asien niedergelassene Autor Jörg Häntzschel. Weiter führt er aus: «Erstere, noch im Auftrag des autoritären Stadtstaats gebaut, sind grau oder pastellfarben und von mittlerer Höhe. Letztere sind weiß, glänzen und ragen so hoch, wie es die strengen Gesetze eben erlauben, in den Himmel – sie müssen schließlich Profit machen. Nur der dichte Teppich aus ausladenden tropischen Bäumen, die hier gehegt werden wie kaum irgendwo, hält all die voneinander abgeschotteten Silos zusammen.»

In dieser Situation also hat der aus Deutschland stammende Architekt Scheeren eine Art dritte Variante versucht: das gestapelte oder das vertikale Dorf. Scheeren war zuvor bei Rem Koolhaas als für Asien zuständiger Partner tätig. Für den dortigen freien Markt der aufstrebenden Investoren und Developers ist er also gerüstet. Dennoch sei die Skepsis für den unüblichen Vorschlag bei den Auftrag- und Geldgebern anfänglich groß gewesen – bis sie sich von einer begeisterten Mitarbeiterin hätten überzeugen lassen. ib

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