Innenstadtumbau in hessischer Kommune

Forum Hanau preisgekrönt und weiterverkauft

Oliver Pohlisch
26. Februar 2016
Längst schon Wirklichkeit: Forum Hanau am Freiheitsplatz, Grafik: www.hanau-baut-um.de

German-architects.com hatte darüber berichtet, wie sich die lokale Politik ab 2008 auf die Suche nach einem potenten Immobilieninvestor gemacht hatte, um die hessische Gebrüder-Grimm-Stadt für die verschärfte interurbane Konkurrenz um Kunden und einkommensstarke Haushalte zu stärken. Dies geschah mit Hilfe des Wettbewerblichen Dialogs, eines bis dahin in der bundesdeutschen Stadtplanung noch nicht erprobten aufwändigen Vergabeverfahrens.

Den Dialog gewann die Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft (HBB). Im September 2015 eröffnete der Hamburger Konzern am zentral gelegenen Freiheitsplatz das Forum Hanau, ein Einkaufszentrum mit 90 Läden und 36.400 Quadratmeter Fläche. Rund 200 Millionen Euro hatte HBB in das Projekt investiert. Zu den Mietern zählen Toys 'R' Us, Zapata, Rewe, New Yorker, H&M und dm. Aber auch die Kommune, die im Forum Räume für die Stadtbibliothek, das Stadtarchiv, ein Medienzetrum, die Wetterauische Gesellschaft für Naturkunde und den örtlichen Geschichtsverein unterhält.

Am Donnerstagabend wurde das Forum Hanau mit dem einmal jährlich vom Fachmagazin Immobilienmanager vergebenen Immobilienmanager-Award für die beste Innenstadtentwicklung ausgezeichnet. Hanaus SPD-Oberbürgermeister Claus Kaminsky nahm den Preis gemeinsam mit HBB-Geschäftsführer Harald Ortner und Matthias Pfeifer vom Architekturbüro Rhode-Kellermann-Wawrowsky entgegen. Die Jury würdigte in ihrer Urteilsbegründung die Gliederung des Forums in fünf solitär wirkende Baukörper. Als prägendes Element habe das Forum Initialwirkung für die weitere Entwicklung des Hanauer Zentrums. Durch Synergieeffekte und zahlreiche bis 2015 realisierte und aktuell fortgeführte Projekte im Bereich Kunst, Kultur, Freizeit, Gastronomie, Freiflächen, Einzelhandel und Dienstleistung sei die Schaffung eines der größten deutschen Stadtumbau-Projekte der Gegenwart ermöglicht worden.

Der Oberbürgermeister spricht von Erfolg
Vor kurzem zogen die Vertreter der im Forum Hanau ansässigen Kultureinrichtungen eine positive Bilanz ihres Umzugs an den neuen Standort, wobei sie ebenfalls den Synergie-Begriff bemühten. Und insbesondere die Stadtbibliothek hob hevor, dass sich die Neuanmeldungen im Jahr 2015 gegenüber 2014 mehr als verdoppelt hätten. Bleibt allerdings als Wermutstropfen, dass die Stadt Hanau jährlich 1,5 Millionen Euro Miete an den Eigentümer zahlen muss – bei einer Vertragslaufzeit von drei Jahrzehnten.

Schon Anfang Januar hatte OB Kaminsky das Forum als vollen Erfolg bezeichnet. Zwei Millionen Besucher seien in den ersten 100 Tagen seit der Eröffnung gezählt worden. Sein Parteikollege Martin Bieberle, Geschäftsführer der Hanau Marketing GmbH und Stadtbaurat, musste jedoch auch zugeben, dass in der übrigen Innenstadt weiterhin ein signifikanter Ladenleerstand zu verzeichnen ist. Wie abzusehen, hatten einige Einzelhändler ihre bisherigen Geschäfte in der Fußgängerzone für einen Standort im Forum verlassen. Und andere hatten die ökonomische Beeinträchtigung durch die Bauarbeiten am benachbarten Einkaufszentrum schlicht nicht überlebt.

Insgesamt hätten sich die Aufgaben mit den Neuzugängen die Waage gehalten, erklärte Hülya Senel vom städtischen Projektmanagement zur Förderung des Einzelhandels gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das Projektmanagement wirbt derzeit aktiv bei Ladenbetreibern in anderen Städten dafür, dass diese auf den ungenutzten Flächen in der Hanauer Fußgängerzone Filialen eröffnen. Und die Hanauer Marketing GmbH versucht mittlerweile, das in Großstädten längst durchgesetzte Konzept der Zwischennutzung zu günstigen Mieten durch Anbieter aus dem Bereichen Mode, Kunsthandwerk und Design auch auf Hanau zu übertragen.

Feinschliff bis zum Verkauf
Was am Abend der Preisverleihung geflissentlich unter den Tisch fiel: HBB wird das Forum Hanau voraussichtlich Anfang 2017 veräußern. Die Kaufoption hat sich Hamburg Trust gesichert. An den Mietverträgen, insbesondere den vereinbarten Preisen, soll sich dadurch aber nichts ändern, wie die Immobilienzeitung berichtet.

Hamburg Trust begründete sein Kaufinteresse am Forum mit dessen Mischung und Größe, die deutschlandweit einzigartig seien. Zudem liege es in der Innenstadt und stelle mit seiner offenen Bauweise ein eigenes Quartier dar. Hinzu komme, dass Hanau ein großes Einzugsgebiet habe und stetigen Zuzug verzeichne. Hamburg Trust rechnet mit einer Rendite von ungefähr 4,5 bis 5,5 Prozent. Bei einem Kauf würde das Unternehmen das Forum Hanau wahrscheinlich mehr als zehn Jahre halten, sagte sein Sprecher Gerd Johannsen gegenüber der Frankfurter Rundschau.

Bis zum Erwerbstermin müsse der Komplex voll vermietet sein, was aber beim derzeitigen Vermietungsbestand wohl kein Problem darstelle, so Johannsen weiter. Die Auslastung beträgt aktuell bei den Einzelhandelsflächen 95 Prozent und bei den Büroflächen 90 Prozent. HBB hat angeküdigt, die Zeit bis zur Übergabe an Hamburg Trust für einen Feinschliff des Centers nutzen zu wollen. Hamburg Trust, an dem der US-Immobilienriese Colony Capital rund 50 Prozent hält, plant, das Forum in einen Fonds einzubringen, der ein Portfolio aus innerstädtischen Shoppingcentern in Deutschland aufbaut.

Die beiden ehemaligen Stadtverordneten der Linken, Ulrike Hanstein und Jochen Dohn, fühlen sich durch den Verkauf in ihren Vorhersagen bestätigt, wie sie gegenüber der Offenbach Post erklären. Schon während der Zeit des Wettbewerblichen Dialogs hätten sie im Stadtparlament darauf hingewiesen, dass es zum Geschäftsgebaren von HBB gehöre, Einkaufscenter nach deren Bau wieder zu verkaufen. Sie seien aber von den anderen Fraktionen nicht ernst genommen worden.

Dass Hamburg Trust beim Forum Hanau zuschlage, könne man dem Unternehmen nicht verdenken, so Jochen Dohn. Die Mietverträge von städtischen Einrichtungen und Beteiligungen garantierten eine «bis zu 30 Jahre sichere Umverteilung von Steuergeldern auf die Konten der Fondbesitzer, das ist doch traumhaft».

HBB bleibt noch 15 Jahre Manager
Martin Bieberle behauptet allerdings gegenüber der Frankfurter Rundschau, dass der Stadt von Anfang an klar gewesen sei, dass der Verkauf bevorstehen würde. «Das haben wir seit der Erarbeitung des städtebaulichen Vertrags 2010 immer wieder thematisiert», so Bieberle. «Ein Projektentwickler kauft die Fläche, plant das Projekt und verkauft es an einen Immobilienfonds, das ist die Logik überall.» Die Stadt habe jedoch bei dem Vertragsabschluss darauf geachtet, dass auch nach einem Verkauf alle mit der HBB ausgehandelten Rechte und Pflichten bestehen bleiben.

Laut Bieberle habe der Magistrat bei seiner jüngsten Sitzung von seinem Mitspracherecht Gebrauch gemacht und das Angebot von Hamburg Trust geprüft. Der Stadt sei zum Beispiel wichtig gewesen, zu regeln, dass im Falle einer Insolvenz des Eigentümers keine städtischen Einrichtungen wie das Kulturforum untergehen.

«Auch unter dem neuen Eigentümer wird auf einen gesunden Mietermix Wert gelegt, es wird also nicht passieren, dass es plötzlich nur noch wenige, große Läden geben wird», zumal die HBB für die kommenden 15 Jahre das Centermanagement weiter in der Hand habe, betont Martin Bieberle. Doch auch diese Ankündigung halten Dohn und Hanstein für «reine Augenwischerei». «Wenn ein Käufer mit dicken Portemonnaie kommt, der HBB aus dem Centermanagement rauskauft, dann machen die das und jeder weiß es, egal, was erzählt wird», sind sich die beiden Ex-Mandatsträger sicher.

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