Nach dem Feuer im Hamburger Szeneclub

Der Goldene Pudel zeigt weiter Zähne

Oliver Pohlisch
19. Februar 2016
Der Golden Pudel Club vor dem Brand, Foto: Change22 via Wikimedia Commons

150 Gäste konnten sich unverletzt ins Freie retten. Es entstand ein Sachschaden in Höhe von mindestens 200.000 Euro; nachdem das Feuer gelöscht wurde, stellte die Feuerwehr eine Einsturzgefahr fest. Die Polizei geht von Brandstiftung aus; noch gebe es aber keine Hinweise auf einen möglichen Täterkreis, teilte sie mit. In den sozialen Netzwerken wird dem Golden Pudel Club eine enorme Solidarität zuteil und gleichzeitig heftig über das Motiv spekuliert: War es Versicherungsbetrug? Oder ein Anschlag potenzieller Investoren, um den Wert der Immobilie zu drücken?

Das 1872 errichtete Gebäude am Elbufer von St. Pauli, das einst als Schmugglerknast diente, soll nämlich zwangsversteigert werden. Und trotz der Katastrophe hält das Amtsgericht Altona am 20. April als dem Datum der Versteigerung fest, wie es verlauten ließ. Hintergrund ist ein Streit zwischen den beiden Eigentümern Wolf Richter und dem Entertainer und Autor Rocko Schamoni. Der Verkehrswert des 329 Quadratmeter großen Grundstücks vor dem Brand betrug 510.000 Euro. Das Gutachten für die Versteigerung muss nun überarbeitet werden.

Beschränkungen für mögliche Investoren wird es bei der Versteigerung kaum geben. Die im Bebauungsplan vorgesehene «kulturelle Nutzung» der Fläche lässt einen großen Interpretationsspielraum zu, meint auch Rocko Schamoni. Nur einen Tag, bevor der Golden Pudel Club in Flammen aufging, hatte sich der Widerstand gegen die Zwangsversteigerung öffentlich formiert. In ihrer «Kampfansage» teilte die Pudel-Crew um Schamoni mit, der Club dürfe keinesfalls in einen «Strudel von Investition und Spekulation» geraten.

Tatsächlich wäre sein Verkauf eine Niederlage im Kampf gegen die zunehmende Gentrifizierung und Kommerzialisierung von Hamburgs Innenstadt, an dem die MacherInnen und FreundInnen des Golden Pudel Club stets aktiv beteiligt waren. Sie verstanden den Pudel nie nur als avantgardistisch orientierten Musikschuppen, sondern zum Beispiel auch als Teil des «Park Fiction»-Projekts, in dem sich die BewohnerInnen aus der Nachbarschaft der Clubs zusammengetan hatten. «Park Fiction» gelang es, gegenüber dem Senat eine kleine Grünanlage auf einer Fläche durchzusetzen, die eigentlich für die feuchten Bürokomplexträume kapitalkräftiger Investoren reserviert war.

«Wir wollen genau diese alte Schrotthöhle haben.»
St. Pauli hat in den vergangenen Jahren dennoch sein Gesicht verändert, es fand ein Bevölkerungausstausch statt. Gerade auch die Club- und Gastroszene, zu der der Golden Pudel Club gehört, hat den Kiez für junge Angehörige der gehobenen Mittelklasse als Wohnort attraktiv gemacht. Co-Eigentümer Wolf Richter wollte den Pudel dementsprechend kommerzieller ausrichten. 2011 tauschte er über Nacht die Schlösser aus, um das Café im ersten Stock unabhängig zu betreiben. Alle Gesprächs- und Mediationsversuche zwischen den beiden Besitzern des Gebäudes fruchteten nicht. Richter, der den Betrieb des Cafés vor über einem Jahr eingestellt hatte, konnte gerichtlich erwirken, dass der Pudel verkauft werden muss.

Für den Unterstützerkreis des Golden Pudel Clubs kommt nur eine Stiftung als neuer Eigentümer des Gebäudes in Frage. Club-Mitgründer Schorsch Kamerun, Sänger der Goldenen Zitronen, sagte laut dem Hamburger Abendblatt am Donnerstag: «Wir kennen auch einen Stifter, der mit uns kooperiert und den wir rechtzeitig bekannt geben.» Rocko Schamoni hofft, dass die Versicherung eine Brandsanierung bezahlt. «Wir wollen ja kein neues, schickes Haus», sagte er der Berliner Zeitung. «Wir wollen genau diese alte Schrotthöhle haben.» Wolf Richter war nicht zu einer Stellungnahme gegenüber den Medien bereit.

Allerdings sieht es so aus, als ob noch diese Woche der Abriss des Dachstuhls und des Obergeschosses erfolgt - zu sehr haben diese Gebäudeteile unter dem Feuer gelitten. Regenwasser dringt in das Haus und das verunreinigte Löschwasser ist auch im Erdgeschoss, dort wo der Golden Pudel Club selbst residiert, tief in Boden und Wände eingezogen. Eine Sanierung des Clubs wird vermutlich Monate dauern, die ganze Innenausstattung muss erneuert werden. Eine Wiedereröffnung steht wohl so schnell nicht an. Derweil haben AktivistInnen das «Park Fiction»-Archiv, das die ganzen Jahre im Obergeschoss lagerte, in Sicherheit gebracht. Es wurde ebenfalls stark vom Brand und vom Löschwasser in Mitleidenschaft gezogen und bedarf nun in großen Teilen einer Rekonstruktion.

Am Freitag nach dem Feuer gingen rund 2.500 Menschen für die Rettung und den Wiederaufbau des Golden Pudel Clubs auf die Straße. Unter dem Motto «Unsere Ruine kriegt ihr nicht!» hatte ein Aktionsbündnis zu der Demo vom Millerntor-Stadion über die Reeperbahn bis zu dem schwerbeschädigten Clubgebäude aufgerufen. Auch ein Sprecher des Bezirks Altona versichert: «Wir würden uns freuen, wenn es an dieser Stelle einen Ort gäbe, an dem sich die Off-Szene treffen könnte.»

Dem Feuer fiel auch die provisorische Schlafstatt eines Flüchtlings auf der Terrasse des Golden Pudel Club zum Opfer. Vergeblich versuchte der Mann aus Ghana seine Habseligkeiten und Papiere zu retten und wurde dabei von der Polizei festgehalten. Am Tag danach ging er zur Ausländerbehörde, sich Ersatzdokumente zu besorgen. Dort verhaftete man ihn überraschend und brachte ihn zum Flughafen. Seine Deportation nach Italien verhinderten allerdings protestierende Refugee-Aktivisten. Derzeit sitzt er im Abschiebegefängnis von Eisenhüttenstadt. Kurzzeitig war er selbst unter Tatverdacht geraten, konnte aber entlastet werden. Vielmehr gilt er jetzt als Hauptzeuge des Geschehens.

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