«Beleidigend, wirklich»

Thomas Geuder
24. Februar 2016
Frank Gehry (Bild: Screenshot aus dem Film „Briefly“ im Artikel von John Hill: Briefly)


Eigentlich sollte es ein Interview über die Pläne oder Nicht-Pläne eines neuen Konzertsaals in München werden. Und auch ein Gedankenspiel über das, was gute Architektur mit Strahlkraft und gute Räume für den Menschen ausmacht. Doch für die beiden Kollegen der Süddeutschen Zeitung Susanne Hermanski und Christian Krügel geriet das Gespräch mit dem Architekten Frank Gehry zur Bewährungsprobe (nachzulesen in der vergangenen Wochenendausgabe oder unter «Diese Musiker haben das Beste verdient»). Frank Gehry zog – angesprochen auf die erwartete Exzellenz des Saals und die Architektur als Sehenswürdigkeit – unverhofft über die Presse und die Medien her. Die seien verrückt nach «Meisterwerken», würden Star-Architekten schaffen, um sie dann wieder zu vernichten. Für ihn sei das: «beleidigend, beleidigend, beleidigend, wirklich». Und weiter: «Ich wollte nie [ein Stararchitekt] sein, habe mich nie so genannt.» Beispiele guter Architekten seien Frank Lloyd Wright, Mies van der Rohe oder Erich Mendelsohn. Die freilich stammen aus einer Zeit, als es den Beruf «Star-Architekt» noch weniger gab als heute, auch wenn diese zumindest Stars ihrer Zeit waren.

Was auch immer einen Architekten zum Star macht, die Bekanntheit ist sicherlich ein Teil davon. Ein Charakter wie Frank Gehry gibt sich damit natürlich nicht zufrieden, und so schwenkt besagtes Interview schnell zum Thema der Qualität. Denn für Gehry ist das europäische Wettbewerbsverfahren «ein Desaster». Nicht der Preis sei gemeint, sondern die Unkenntnis über die Qualität der Jury, von deren einzelnen Mitgliedern – oftmals Politiker oder Anwälte – häufig doch ein gewisses Level an Expertise fehlt. Er verstehe zwar, warum man diese Wettbewerbe macht, für die Qualität der Architektur aber sei das wenig hilfreich. Umso mehr lohnt sich – das wissen auch die Journalisten – bei Wettbewerben der Blick auf die Jury, aus deren Zusammensetzung sich häufig schon vorher ablesen lässt, in welche Richtung eine Wettbewerbsentscheidung sich hinterher bewegen wird. Wettbewerbe jedoch generell zu verteufeln, ist fraglich, denn sie sind – richtig angewandt – ein gutes Instrumentarium zur Förderung der Baukultur.

Die Redakteure der Süddeutschen Zeitung jedenfalls schaffen im Gespräch dann doch noch den Dreh zum Münchner Konzerthaus. Wir erfahren, dass Gehry zwar kein Instrument spielt, dennoch großer Musik-Freund ist. Dem Leser aber bleiben von diesem kurzen Gespräch diese zwei Dinge hängen: «Ich will kein Star-Architekt sein» und «Wettbewerbe sind ein Desaster». Und das von einem Star-Architekten, dem Wettbewerbe durchaus schon geholfen haben. Gut gebrüllt!

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