Atmosphärische Information

Thomas Geuder
12. Januar 2016
KSEVT Kulturzentrum für europäische Raumfahrttechnologien, Vitanje, Slowenien, Bevk Perovic arhitekti, Dekleva Gregoric arhitekti, OFIS arhitekti, Sadar Vuga arhitekti, 2012. Innenaufnahme (Bild: Claudia Gerhäusser)

Im Prinzip ist Architektur das pure Bauen, Stein auf Stein, Element zu Element, bis am Ende ein Haus entstanden ist, das für den Menschen ein Zuhause, ein Arbeitsplatz vielleicht, oder ein Ort für Freizeit ist. Ein Ort zum Sein eben. Der Architektur aber wohnt eine weitere Qualität inne, die für den Menschen einen bedeutenden Stellenwert hat: sie umgibt, berührt und wirkt, vom Detail bis hin zum Ganzen. Und: Architektur ist ein Abbild der Gesellschaft, innerhalb derer sie entstanden ist, mir all ihren Konventionen, Regelwerken und Traditionen. Sie ist Aktionsraum für den Nutzer und wirkt ihrerseits auf den Nutzer zurück. Sich der Idee von Raum bewusst zu sein und diese immer wieder auch kritisch hinterfragen zu können, ist ein zentraler Teil in der Ausbildung und Arbeit von Architekten. Das zeigt nicht zuletzt, welche große Verantwortung den Planenden für Mensch und Gesellschaft obliegt.

Den Charakter von Raum, seine Beschaffenheit, sprich: Materialität, Oberfläche, Licht, Farbe und Klänge zu erforschen und zu lehren, hat sich die Architektin Irmgard Frank an ihrem Institut für Raumgestaltung an der TU Graz zur Aufgabe gesetzt. Ihr geht es um das, was zwischen den Dingen aufgespannt ist, was wahrnehmbar ist und atmosphärischen Gehalt besitzt. Dieser Lehre entsprechend hat sie nun das Buch «Raum_atmosphärische Information» herausgegeben, in dem sie der Frage nach der Wahrnehmung von Raum in den drei Kapiteln «Raum, Material und Licht» nachgeht, anhand derer sie alle Untersuchungen nach Qualitäten, Beschaffenheiten und Atmosphären von Raum aufgespannt. Textbeiträge etwa zur Geschichte der Raumwahrnehmung, Zonen der Aufmerksamkeit, Material und Oberfläche oder das Harte und das Weiche stecken das Feld der Raumbetrachtung detailliert ab. Das Buch bleibt jedoch nicht bei der bloßen Theorieebene haften, sondern zeigt anhand von Beispielen, wie Raum, Material und Licht zusammenspielen. Prof. Irmgard Frank ist sich dabei durchaus bewusst, dass das Medium Buch klare Grenzen der Vermittlung von Raumatmosphäre besitzt und wie schwierig es sein kann, nicht in gewohnte Bahnen des Denkens und Analysierens zurückzufallen. Deswegen ordnet sie den Projekten auch immer ein Adjektivpaar zu, die dessen räumliche Qualität näher beschreiben soll.

«Nur das Subjekt selbst ist fähig, eine dem Raum innewohnende Atmosphäre mit seinem Sensorium umfassend wahrzunehmen. Dass dieses Sensorium dennoch einer Schulung bedarf, um besser verstehen zu können, was die Prämissen sind und sein können, auf die beim Planen zu achten ist, dazu soll dieses Buch beitragen», erläutert Prof. Irmgard Frank in ihrer Einleitung. «Raum_atmosphärische Informationen» ist klar gegliedert, geschmackvoll gestaltet, qualitativ hochwertig ausgestattet und bietet zahlreiche Anregungen zum Nachdenken über die eigene Auffassung von Architektur. Wir schließen uns ihrem Ansinnen an: Architekturschaffenden sei dieses Buch wärmstens empfohlen.

Prof. Irmgard Frank (Hrsg.)
Raum_atmosphärische Informationen
Architektur und Wahrnehmung. Eine umfassende Darstellung des Phänomens der Raumwahrnehmung in der Architektur aus theoretischen und historischen Blickpunkten.
Erschienen 2015 bei Park Pooks, Zürich
22,5 x 27 cm, 208 Seiten, 206 farbige und 98 sw Abbildungen, Grafiken und Pläne, gebunden
ISBN 978-3-906027-95-1
48,– EUR

D’Or – Orangerie im Burggarten, Graz, splitterwerk, 2005. Innenaufnahme Gesamtraum (Bild: splitterwerk)
D’Or – Orangerie im Burggarten, Graz, splitterwerk, 2005. Innenaufnahme mit Türe (Bild: Claudia Gerhäusser)
KSEVT Kulturzentrum für europäische Raumfahrttechnologien, Vitanje, Slowenien, Bevk Perovic arhitekti, Dekleva Gregoric arhitekti, OFIS arhitekti, Sadar Vuga arhitekti, 2012. Innenaufnahme zentraler Raum mit Bub (Bild: Tomaz Gregoric)
Cover (Bild: Park Pooks)

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