Alt und sicher

Thomas Geuder
10. Februar 2016
Feierte einen runden Geburtstag: Der Fernsehturm in Stuttgart konnte nach dreijähriger Renovierungsphase pünktlich eröffnet werden. (Bild: Stuttgart-Marketing GmbH)

Der Aufschrei war groß in der schwäbischen Metropole: Als vor drei Jahren der gerade erst frisch ins Amt gewählte Oberbürgermeister Fritz Kuhn von den Grünen völlig unverhofft den Stuttgarter Fernsehturm schließen ließ, erntete er größtenteils Unverständnis. Und das nicht nur in Stuttgart selbst, sondern auch weit über ihren Kesselrand hinaus. Kein Wunder, denn der Fernsehturm ist nicht nur weltberühmtes Wahrzeichen der Stadt, sondern auch liebgewonnenes Highlight eines jeden Stuttgart-Besuchs. Auf 150 m Höhe hat man hier vom bei Kaffee und Kuchen vom Panorama-Café sowie von den beiden offenen darüber Aussichtsplattformen aus einen herrlichen Rundumblick auf Stuttgarts Talkessel bis zur Schwäbischen Alb. Die Feuerwehr jedoch hatte beanstandet, dass es für die Besucher im Brandfall keinen zweiten Fluchtweg gibt. Zwar besaß der Turm seit immerhin 57 Jahren zwei Fahrstühle und eine Treppe in seinem Schacht, ohne dass es zu nennenswerten Zwischenfällen gekommen war. Beide Wege jedoch – so die Argumentation – wären bei einem Feuer im Inneren versperrt gewesen. Die Besucher hätten in einer Falle gesessen – ein interessanter Denkansatz, denn dieses Problem hat vermutlich jeder Turm. Schließlich geht es von oben aus eben nur wieder nach unten. Jedenfalls: Dieses Kuriosum regte einige Denker zu kreativen Lösungsvorschlägen an, wie etwa die Installation einer außenliegenden Rutsche, die im Brandfall ausfährt.

Die offizielle Lösung nun: Der Turmschaft wurde brandschutztechnisch auf den neuesten Stand gebracht und so für sichere Rettungswege gesorgt. Hauptmaßnahme war dabei die weitgehende Beseitigung der Brandlasten im Turmschaft sowie die Einhausung bzw. Abschottung und Überwachung der zum Turmkorb führenden Kabeltrassen, so dass im Brandfall die Rettungswege sicher passierbar bleiben. Die Hochfrequenzkabel wurden durch neue, weniger brennbare Kabel ersetzt, ihre Einkapselung wurde mit Mineralwolle ausgeblasen. Alle drei Meter wurden Schotts eingebaut, die ein Übergreifen eines Brandes verhindern sollen. Zusätzlich sorgt eine Kühlung dafür, dass die Kabel sich nicht erhitzen, Sensoren überwachen den Schacht permanent. Für die Brandschutzexperten waren das genügend Maßnahmen zur Brandabwehr, sodass beide Fahrstühle und die Schachttreppe wieder als einzige Rettungswege gelten konnten.

Drei Jahre hat die Renovierung durch den Architekten Kai Krümmel nun gedauert, am 5. Februar schließlich konnte der Turm wiedereröffnet werden, pünktlich zu seinem 60. Geburtstag. Den hätte er auch nicht verpassen dürfen, denn der von dem Bauingenieur Fritz Leonhardt erbaute und am 5. Februar 1956 eröffnete Stuttgarter Fernsehturm ist ein Vorreiter und Vorbild für viele Fernsehtürme auf der ganzen Welt. Nun ist er nicht nur der Älteste seiner Art, sondern auch noch der Sicherste. Wir gratulieren!

60 Jahre Fernsehturm Stuttgart (SWR, 2:37 min.)

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