Weitblick vom Hardtberg

Wolfgang und Leonie Ott
20. Dezember 2023
Das Erlebnis Hardtbergturm bedeutet dem Alltag zu entschweben, abzuschalten und in großer Höhe den Blick über die Baumwipfel, die Hänge des Taunus, die Landschaft und die Region schweifen zu lassen. (Foto: Timo Ott)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Für uns ist der Neubau des Hardtbergturms ein sehr persönliches Projekt. Er liegt in Sicht- und Spazierweite zu unserem Büro und daher kannten wir auch schon den kleineren Vorgängerbau, der aufgrund seiner Höhe von »nur« 14.50 Metern über die Jahre von den Baumwipfeln eingeholt wurde und einem so die Aussicht in die Ferne verwehrt wurde. Eine Aufstockung war statisch nicht tragbar und so haben wir an gleicher Stelle den neuen Turm mit einer neuen Plattformhöhe von 26.50 Metern planen und realisieren können. Während des Entwurfsprozesses hat für uns neben der Konstruktion und Gestaltung des Turms im Detail auch immer die Fernwirkung eine große Rolle gespielt, da man den Turm in der Region aus vielen unterschiedlichen Perspektiven zu sehen bekommt.

Gegliedert wird der Aussichtsturm durch vier Erkundungsebenen und eine Aussichtsplattform. So wird neben dem Blick in die Ferne auch der Einblick in Flora und Fauna ermöglicht. (Foto: Timo Ott)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?

Wir haben uns vom Ort mitten im Wald und dem Rundum-Ausblick mit Hilfe eines Hubsteigers inspirieren lassen. Vom Hardtberg aus sind sowohl die Rhein-Main-Ebene mit der Frankfurter Skyline als auch die höchsten Berge im Taunus, der Feldberg und der Altkönig, zu sehen. Besonders ausführlich haben wir uns mit dem Erlebnis der Begehung beschäftigt: Wie wird man nach oben geleitet, wie schafft man Warte- und Begegnungszonen, welche Blickbeziehungen gibt es innerhalb des Turms, welche nach außen?

Für uns war es wichtig, auch solche Blicke in den Wald und ins Innere des Turms zu fördern, nicht nur die in die Ferne, sodass die Menschen in Kontakt und ins Gespräch kommen. So ist es zu der ungerichteten, ovalen Grundrissform mit den innen liegenden, zweiläufigen Treppen gekommen, die jeweils über ein vergrößertes Zwischenpodest verfügen und die fünf Begegnungs- und Erkundungsebenen miteinander verbinden.

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Mit der Wahl einer durchlässigen und filigranen Konstruktion in heller Farbe nimmt sich der Turm respektvoll gegenüber der Natur zurück. Er gibt durch seine elliptische Form keine Blickrichtungen vor, sondern lässt Freiraum zum Erkunden und Entdecken. Nicht selten kommen die Besucher*innen darüber ins Gespräch.

Einen maßgeblichen Einfluss auf das Erscheinungsbild des Aussichtsturms hat – neben der offenen Gestaltung – die einheitlich seidengraue Lackierung, die je nach Wetterlage mit aufsteigender Höhe mit dem Himmel verschmilzt oder sich kontrastierend von ihm abhebt. (Foto: Timo Ott)
Haben Sie den Auftrag über einen Wettbewerbsbeitrag oder direkt erteilt bekommen?

Für einen Studienauftrag wurden wir direkt von dem damals neu gegründeten Förderverein Hardtbergturm angefragt. Im weiteren Projektverlauf wurde uns der Auftrag erst über eine Angebotsaufforderung und ab der Ausführungsphase über eine öffentliche Vergabe erteilt.

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert? (Wurden zusätzliche Funktionen gewünscht oder Teile des Projektes gestrichen?

In der frühen Entwurfsphase des Projekts haben wir unsere anfänglichen Ideen und Ansätze in immer wieder neuen Turmentwürfen visualisiert und gegenübergestellt. So konnten wir in den ersten Präsentationen bereits einen sehr konkreten Vorschlag aufzeigen, den wir natürlich über die Zeit weiter verfeinert haben. In den Grundzügen und -ideen hat er sich jedoch dann nicht mehr verändert. 

Ausgesteift wird der Turm durch das formgebende Tragwerk mit seinen charakteristischen, diagonal verlaufenden und sich kreuzenden Rundstützen in Kombination mit den als Scheiben ausgebildeten Ebenen. (Foto: Timo Ott)
Welche digitalen Instrumente haben Sie bei der Planung eingesetzt?

Zum Entwerfen und zur Planung bauen wir unsere Projekte immer in 3D auf. Für die Bauaufgabe des Aussichtsturms war es nicht von Nöten ein informationsbasiertes Modell zu erstellen, weshalb wir uns auf ein rein geometrisches 3D-Modell beschränkt haben. Dieses haben wir unter anderem als Grundlage für ein 3D-gedrucktes, physisches Modell und einen virtuellen 3D-Rundgang genutzt. Außerdem hat es uns sehr bei der Kommunikation mit dem Stahlbauunternehmen geholfen und die Absprachen stark vereinfacht. 

Tragende Stahlblechwangen an den Treppenläufen und -podesten in Kombination mit Stahlblechgeländern in den Ebenen leiten und schützen den Weg zur Krone, der von einem durchgehenden Edelstahlhandlauf begleitet wird. (Foto: Timo Ott) 
Welche Überlegungen stecken hinter den Entscheidungen für die eingesetzten Materialien?

Die Materialwahl für den Turm fiel schon von Beginn an auf Stahl bzw. ein nicht brennbares Material. Es war damals nicht lange her, dass mehrere Aussichtstürme aus Holz in der Umgebung aufgrund von Brandschäden geschlossen werden mussten. Im Sinne der Langlebigkeit des neuen Turms war Stahl das Material der Wahl und wir haben durch ein möglichst effizientes Tragwerk die anfallenden Stahlmassen reduziert. Dies verleiht dem Turm seine Leichtigkeit und Durchlässigkeit, die die unmittelbare Umgebung jederzeit spürbar lässt.

Vom Hardtbergturm kann man die Burgen von Königstein, Falkenstein und Kronberg, die Hänge des Taunus mit Feldberg und Altkönig sowie die Mainebene mit seinem Zentrum Frankfurt und dem Flughafen aus einem neuen Blickwinkel erleben und bis zum Schwarzwald blicken. (Zeichnung: Wolfgang und Leonie Ott)
Der Turm steht in einem Waldstück in Mammolshain auf dem 409 m hohen Hardtberg. Er folgt einer elliptischen Grundform und ist als reine Stahlkonstruktion mit einem Gesamtgewicht von rund 80 Tonnen konzipiert. (Zeichnung: Wolfgang und Leonie Ott)
Der Turm ist im Grundriss 8,95 m lang, 5,95 m breit und in der Spitze 32,30 m hoch. Er ruht auf einem ebenfalls elliptischen Sockel mit einem Sitzpodest aus Sichtbeton. (Zeichnung: Wolfgang und Leonie Ott)
Die Treppen mit den massiven Ebenengeländern sind weithin sichtbares Zeichen des Weges nach oben. (Zeichnung: Wolfgang und Leonie Ott)
Die Erkundungsebenen werden über fünf innen liegende, zweiläufige, eingehängte Treppen mit jeweils halbrunden Podesten erschlossen, deren Laufrichtung in jeder Ebene wechselt. (Zeichnung: Wolfgang und Leonie Ott)
Hardtbergturm 
 2022
 Auf dem Hardtberg
 61462 Königstein im Taunus
 
Nutzung
Aussichtsturm
 
Auftragsart
Direkt, Angebotsaufforderung, öffentliche Vergabe
 
Bauherrschaft
Stadt Königstein im Taunus
 
Architektur
Wolfgang Ott - Architekt BDA, Kronberg | Wolfgang Ott, Leonie Ott
 
Fachplaner
Ingenieurbüro Carsten Metz, Bad Vilbel
 
Ausführende Firmen
Stahlbau, Metallbau Konrad GmbH, Mudau
Rohbau, Alexander Pfaff GmbH & Co. KG, Königstein im Taunus
Gartenbau, Schiesser Gartengestaltung GmbH, Königstein im Taunus
 
Hersteller
Monospot, Willy Meyer + Sohn GmbH + Co. KG 
Individuelle Sitzblöcke, Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG
X-TEND, Carl Stahl ARC GmbH
 
Fläche
43,5 m2
 
Gesamtkosten
750.000 €
 
Fotos
Timon Ott

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