Umgewidmet

lüderwaldt architekten
18. November 2015
Der Vierkanthof liegt wie eine Insel in der Landschaft (Foto: Tomas Riehle)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das Grundstück liegt am Ortsrand von Frechen in einem Landschaftsschutzgebiet. Der Feldhof wurde bis vor kurzem als landwirtschaftlicher Betrieb genutzt. Seit Beginn des Jahres 2011 stand der Hof leer. Ein nachfolgender Pächter für die Weiterführung einer landwirtschaftlichen Nutzung der Anlage konnte nicht gefunden werden. Der bauliche Zustand war in weiten Teilen desolat. In immer kürzeren Abständen war der Hof Vandalismusübergriffen ausgesetzt. Aufgrund des „übergordneten Interesses der Allgemeinheit“ an dem Erhalt des Feldhofs als „kulturlandschaftsprägendem Element“ wurde einer Umwidmung seitens der Stadt Frechen unter Bezugnahme auf § 35 des Bundesbaugesetzes  unter strengen Umweltauflagen grundsätzlich zugestimmt. In Abstimmungen mit den beteiligten Behörden wurde diese prinzipielle Zustimmung in intensiver und kooperativer Zusammenarbeit bis ins Detail weiterentwickelt und realisiert. Dabei wurde großer Wert auf die Landschaftsverträglichkeit, die Einbindung der Gesamtanlage in die Umgebung und den respektvollen Umgang mit dem Boden- und Baudenkmal gelegt.

Aufgrund der sehr unterschiedlichen und unterschiedlich geschädigten Bestandskonstruktionen und den energetischen und konservatorischen Anforderungen wurde es erforderlich, für jedes Haus ein technisch-konstruktiv und damit auch ein räumlich-gestalterisch eigenständiges Umbaukonzept zu entwickeln. Mal musste die bestehende Außenhülle durch eine neue Bekleidung geschützt werden, ein anderes Mal die Ziegelfassade sichtbar erhalten und von darum von innen gedämmt werden; in den Neubau, der so leicht sein musste, dass er in dem sumpfigen Gelände ausreichend sicher gegründet werden konnte, musste eine vorhandene Fachwerkkonstruktion eingebaut werden; drittens musste eine große, stark beschädigte Scheunenkonstruktion als Hülle für neues Leben hergerichtet werden, ohne den Charakter des Gebäudes zu beschädigen. Die Reaktivierung des Feldhofes kann als exemplarisches Beispiel für das Zusammenwirken sehr unterschiedlicher Umgangsweisen mit Bausubstanz begriffen werden.

Über den gemeinschaftlich genutzten Hof werden sämtliche Wohnungen erschlossen (Foto: Tomas Riehle)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Die Ergänzungen und Umbauten an und in den Gebäuden erfolgten im Sinne eines „pragmatisch – poetischen Weiterbauens“: Funktionierende Konstruktionen wurden genutzt und den neuen Anforderungen entsprechend saniert, ertüchtigt, ergänzt, in neue Konstruktionen integriert und, nur wenn irreparabel zerstört, auch ersetzt. Gleichwohl bleibt auch das ein oder andere sperrige, krumme, abgenutzte Bauteil sichtbar, stellt sich den eingesetzten neuen Materialien und Techniken entgegen und wird in Einzelfällen auch besonders hervorgehoben. 

Haus 1: Ein neuer, in der Werkstatt vorgefertigter Treppenturm gliedert das historische Raumgefüge vom Erdgeschoss bis unters Dach. Er fungiert als Treppe, Regal, Abstellraum und Beleuchtungselement. (Foto: Tomas Riehle)
Haus 2: Teile der alten Fachwerkkonstruktionen wurden erhalten und prägen die Innenräume des neuen Holztafelbaues (Foto: Tomas Riehle)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der landschaftsprägende Charakter der Anlage als „Vierkanthof“ sollte erhalten und gestärkt werden. Die nach Abbruch diverser Anbauten wieder klarerkennbaren vier Hauptgebäude werden unter Einbeziehung der vorgelagerten Terrassen durch einen umlaufenden Sockel optisch und räumlich zusammengefasst. Der umschlossene Hof ist gemeinschaftlich genutzt, die Wohnungen mit ihren vorgelagerten Terrassen grenzen unmittelbar an die Landschaft. Als flankierende Maßnahmen wurde der historisch belegte, zwischenzeitlich trockengefallene Teich unter Zuhilfenahme der Oberflächenwasser der Hofanlage wieder aufgestaut. Großer Wert wurde auf die Bepflanzung mit standortgerechten Sträuchern und Bäumen gelegt.

Haus 3: In eine geräumige, stützenfreie Scheune wurde ein neuer Holztafelbau eingebaut. Zwischen alter und neuer Gebäudehülle entstehen wettergeschützte Freiräume unter dem perforierten alten Scheuenendach, das durch ein Oberlicht über der Treppe sichtbar wird. (Foto: Tomas Riehle)
Haus 4: Die weitgespannten historischen Holzkonstruktionen ermöglichen großzügige, bis unter den First reichende Wohnräume. (Foto: Tomas Riehle)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Ein großes Arbeitsmodell im Maßstab 1:20, bereits in der Entwurfsphase erstellt, leistete uns durch die gesamte Planungs- und Bauzeit entscheidende Hilfe. Wir versuchen bei allen unseren Projekten immer sehr frühzeitig möglichst «alle» Details zu erfassen. Das kann man nur, wenn man sie auch zeichnet. Man durchdringt das Projekt, gleich einer Mandelbrotschen Betrachtung ergeben sich immer wieder neue Fragestellungen nach der optimalen Fügung und Auswahl von Materialien. Viele dieser Details gelangen gar nicht auf die Baustelle, aber sie helfen uns, Prinzipien und Ziele zu entwickeln, und dies erlaubt uns dann, auf der Baustelle auf bisher nicht beachtete Besonderheiten aus dem Bestand, auf Vorschläge von Handwerkern, auch auf „zufällig“ entstehende Formen oder Gefüge reagieren zu können.... Auch wenn wir streng sind bei der Bauüberwachung: es kommt auch oft vor, dass wir solche „Abweichungen“ von unserer Planung annehmen. Unsere Erfahrung ist, dass wir auf diese Art und Weise auf eine sehr angenehme Art mit den beteiligten Handwerkern kommunizieren können, was bei allen die Freude an der Arbeit vergrößert und im Endeffekt zu besseren Ergebnissen führt. Viele Details bei diesem Projekt entstammen kooperativer, experimenteller Zusammenarbeit.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Vor die Wahl gestellt, die Gebäude aufzugeben, die Anlage zu verkaufen oder zu sanieren, entschied sich der Bauherr für den Umbau des Hofes zu einer naturnahen Wohnanlage. Der Bauherr wollte lebenstaugliche Wohnungen mit nachhaltiger, räumlicher Qualität vermieten können. Neben der Bergung der im Bestand versammelten „grauen Energie“, dem respektvollen Umgang mit dem Baudenkmal, dem landschaftsschonenden Eingriff und dem sparsamen Energieverbrauch ging es ihm darum, das räumliche Potenzial der bestehenden Anlage für heutige Lebensformen nutzbar und damit wieder vermietbar zu machen. In diesem Sinne erhielten wir einen klassischen, umfassenden Architektenauftrag und konnten dann sehr selbständig und kontinuierlich arbeiten. Entwickelt haben wir flexibel nutzbare, unterschiedlich große Wohnungen. Die Ausstattung wurde weitgehend vorgegeben, lediglich die Küchen wurden von den Mietern errichtet.  

Holzgebäude (Foto: Tomas Riehle)
Ziegelgebäude (Foto: Tomas Riehle)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Das Projekt erzielt seine Wirkung durch die disziplinierte Verwendung von  neuen Materialien  und deren Abstimmung auf die farblichen, strukturellen und haptischen  Qualitäten der Bestandsmaterialien. Wir haben dabei einmal mehr  festgestellt, wie anpassungs- und  wandlungsfähig das Material  Holz ist. Es tritt bei diesem Projekt stabförmig, flächig und räumlich in Erscheinung. Mal ist es sichtbare Konstruktion, mal flexible Unterkonstruktion oder dient der Oberflächengestaltung.

Lageplan (Zeichnung: lüderwaldt architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: lüderwaldt architekten)
Schema-Schnitte (Zeichnung: lüderwaldt architekten)
Feldhof in Bachem
2014
Feldhof
50226 Frechen

Nutzung
Wohnen (6 Mietwohnungen)

Auftragsart
Direktauftrag

Bauherrschaft
Privat

Architektur
Bauaufnahme, Planung und Bauleitung: lüderwaldt architekten, Köln
Team: Felix Engelhardt, Tobias Himmels, Christina Enke, Sonja Fahr, Friedrich Bruncken, Friedrich Prigge, Dirk Lüderwaldt

Fachplaner
Außenanlagen: lüderwaldt architekten mit Smeets Landschaftsarchitekten, Erftstadt
Statik: Stracke Ingenieurgesellschaft mbH, Köln
Heizung, Lüftung, Sanitär: Ingenieurbüro Hermanns, Köln
Elektro: Calor Elektrik, Köln
Bauphysik: knp bauphysik, Köln
Brandschutz: Pirlet &Partner, Köln
Bodengutachten: Jörg Virus, Bergisch Gladbach
Bauschadensanalyse, B&K Bausachverständige, Köln
Archäologie: artemus GmbH, Frechen
 
Ausführende Firmen
Rohbau, Trockenbau, Putz, Estrich: Paul Nowak Bauunternehmung, Düsseldorf
Holzbau: Erulin Holzbau GmbH, Köln
Dachdecker: Dachdeckerei Rodeck, Köln
Fenster: Krebbers GmbH & Co KG, Krefeld;
Schreinerarbeiten: Schreinerei Robert, Köln
Fliesen: Fliesen Strang GmbH, Troisdorf
Fußboden: Möltgen GmbH, Köln
Malerarbeiten: farbecht GmbH, Köln
HLS: Heinrich Bauer GmbH, Kreuzau-Stockheim
Elektro: Goebel & Wirges GmbH, Köln
Gartenbau, Pflanzungen: Wilden & Klocke, Stolberg

Hersteller
Abdichtung, Mauerwerkssanierung: Remmers GmbH
Holz- Alufenster: Krebbers GmbH
Holzdielen: Hegener Hachmann, Schmallenberg
Dachziegel: Jacobi/Walter Dachziegel GmbH
Dachfenster: Roto GmbH
Beleuchtung: BEGA, GmbH
Fliesen: Cinca
 
Energiestandard 
KFW 70

Bruttogeschossfläche
1.383 m²

Gebäudevolumen
4.389 m³

Auszeichnung
Deutscher Holzbaupreis 2015, engere Wahl

Fotos
Tomas Riehle, Köln

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