Keller im Grünen

schneider+schumacher
18. Oktober 2017
Die in den Garten eingeschnittene Anlage bildet zusammen mit dem historischen Schloss eine markante neue Einheit (Foto: Jörg Hempel)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Eine stillgelegte Heizzentrale und der dazugehörige düstere Kohlenkeller aus den 1950er-Jahren wurden in ein Land-Art-Projekt im Mannheimer Schloss verwandelt. Auf 1.700 m2 entstand ein moderner und heller Campus für die Mannheim Business School. Wenn man den Neubau betritt, kann man den ganzen Hörsaalbereich überblicken und bis nach draußen in den Garten schauen – an einen Kohlenkeller erinnert hier nichts mehr. Man ist verwundert, nach unten gegangen zu sein. Es ist hell und grün, so als würde man im Erdgeschoss eine Terrasse betreten. Genau das war es, was wir erreichen wollten. Mit einer breiten Glasfront öffnet sich das Studien- und Konferenzzentrum in den Schlossgarten, der sich an dieser Stelle wie eine antike Theateranlage absenkt und den Studierenden einen grünen Außenraum schafft, der sich bis auf das begrünte und begehbare Dach ausdehnt.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Von der Tür über den Teppichboden bis hin zu den Pulten und Stühlen sind die beiden halbkreisförmigen Hörsäle komplett in rot gehalten. Rot ist die Komplementärfarbe für das Grün des Rasens und erzeugt ungeteilte Aufmerksamkeit, wie sie jeder Dozent verdient, der hier lehren wird. Über den roten Sitzreihen der beiden Hörsäle ist die Decke leicht nach oben gewölbt. Unterstützt durch indirektes Licht wird dadurch der Raum überhöht – eine Fortsetzung der Tradition der Baumeister des Schlosses, die die Decke durch entsprechende Bemalung als unendlichen Himmel über uns interpretiert haben. Zwischen den Glasscheiben, die die Räume akustisch voneinander trennen, ergeben sich vielfältige Spiegelungen, die den Raum größer und komplexer erscheinen lassen. Durch sie und die Reflexionen des grünen Rasens und der roten Hörsäle entsteht ein facettenreiches Lichtspiel in einem Raum, der sich ja eigentlich im Keller befindet.

Die halbrunden Hörsäle sind komplett in rot gehalten – als Kontrast und Komplementärfarbe zum Grün des Schlossgartens (Foto: Jörg Hempel)
Wenn man den Neubau betritt, kann man den ganzen Hörsaalbereich überblicken und bis nach draußen in den Garten schauen – an einen Kohlekeller erinnert hier nichts mehr (Foto: Jörg Hempel)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Es ging um die Frage, wie man ein Barockschloss noch schöner machen kann, als es ohnehin schon ist. Das Projekt ist vergleichbar mit der unterirdischen Erweiterung des Frankfurter Städel Museums, die wir vor fünf Jahren umgesetzt haben: Eine sehr schöne historische Anlage ist vorhanden, muss erweitert werden und darf dabei nicht gestört werden. Vielmehr sollen das Vorhandene und das Neue zusammen eine selbstverständliche und schöne Einheit bilden. Das neue Studien- und Konferenzzentrum der Mannheim Business School gliedert sich in die barocke Anlage ein, ist aber in der Formensprache unmissverständlich dem 21. Jahrhundert zuzuordnen und signalisiert: Zukunft hat Herkunft.

Die zehn Break-Out-Rooms sind als offene Nischen angeordnet – fünf einige Stufen unterhalb der Hörsäle und weitere fünf oberhalb (Foto: Jörg Hempel)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Es galt, größere und helle Hörsäle zu kreieren und für die Didaktik der Mannheim Business School eine entsprechende räumliche Zuordnung zu finden: Zu Beginn eines Themenblocks treffen sich die Studierenden normalerweise in einem Hörsaal, anschließend teilt sich der Kurs auf, um in Kleingruppen gemeinsam an Fallbeispielen zu arbeiten, die anschließend wieder im Plenum vorgestellt werden. Klar definiert waren daher zwei Hörsäle, ein Versammlungsbereich und zehn Gruppenarbeitsräume, die vor Ort untergebracht und in einen angenehmen und lebendigen Kontext gebracht werden mussten.

Der durch Schiebetüren flexibel gestaltbare Konferenzraum liegt direkt an der Glasfront zum Schlossgarten (Foto: Jörg Hempel)
Die im Eingangsbereich erforderlichen Räume wie Toiletten und Garderoben wurden in einer eingestellten Box untergebracht, wodurch der Hallencharakter des Gewölbes erhalten bleibt (Foto: Jörg Hempel)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Die beiden geforderten Hörsäle für bis zu 60 Personen, die zehn sogenannten Break-Out-Rooms, einen Mehrzweckraum und das Foyer gleichzeitig kompakt und trotzdem funktional anzuordnen, kostete viele sehr unterschiedliche Versuche. Zu Anfang sah der Schnitt ins Erdreich (sprich Lichtschacht) wie ein einfacher Spatenstich aus; eine große, von senkrechten Seitenwänden begleitete Fläche führte vom Garten ins untere Geschoss. Die in alle Planungsprozesse mit einbezogene Denkmalpflege lehnte zu Recht und unter unserem Beifall die allzu pragmatische Lösung der einfachen schrägen Fläche ab und forderte uns auf, etwas «Schöneres» zu entwerfen. Das hatten wir bereits. Die Skizzen gab es, und die Lösung bestand in einer muldenartigen Absenkung in Form einer Parabel. Scharf geschnitten und mehr Land Art als Gebäude integriert sich dadurch der Bau in den Park, oder wird vielmehr ein Teil von ihm.

Lageplan (Zeichnung: schneider+schumacher)
Grundriss (Zeichnung: schneider+schumacher)
Schnitt (Zeichnung: schneider+schumacher)
Studien- und Konferenzzentrum der Mannheim Business School im Schloss Mannheim
2017
Schloss Mannheim, Zugang über den Ehrenhof West
68161 Mannheim

Auftragsart
Verhandlungsverfahren

Bauherrschaft
​Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Mannheim und Heidelberg

Architektur
schneider+schumacher, Frankfurt
Gestaltung: Michael Schumacher
Projektarchitekt: Kai Otto
Projektleitung (Planung): Meike Jung
Projektleitung (Bau): Kerstin Högel
Team: Maximilian Büschl, Hans Eschmann, Daniel Breitenstein, Alexander Hirsch, Florian Haus, Cristina Fischer de Saa, Leona Schäfer, Justina Jauniskyte

Fachplaner
Tragwerksplanung: Ingenieurgruppe Bauen, Mannheim
Prüfstatik: Ingenieurbüro Bräuer + Späh, Mannheim
ELT/Aufzug: sbi GmbH, Schneider Beratende Ingenieure, Walldorf
Heizung / Sanitär: Ingenieurbüro htp, Weinheim
RLT/MSR: Planungsbüro Schmitt, Epfenbach
Landschaftsplanung: Planungsbüro Borst, Leimen
Brandschutz: Kempen Krause Beratende Ingenieure GmbH, Köln
Bauphysik: Hüttinger Ingenieurgesellschaft für Bauphysik mbH, Lehrensteinsfeld
Bodengutachter: RT Consult GmbH, Mannheim
Vermessung: Ingenieurbüro Weese + Zuber GmbH, Nußloch
SiGeKo: Thurm Sicherheitstechnik, Olpe

Ausführende Firmen
Erweiterte Rohbauarbeiten: Leonhard Weiss GmbH Co. KG, Satteldorf
Schlosserarbeiten / Vordach: Heinrich Schmitt Metallbau GmbH, Heidelberg
Fassadenarbeiten: Rossmanith GmbH, Heidelberg
Schreinerarbeiten / Innenausbau: Schreinerei Hein GmbH, Waldbüttelbronn
Schlosserarbeiten: Herrmann Stahl- und Metallbau GmbH, Mauer
Lüftung, Gebäudeautomation: Rauh GmbH, Worms
Elektroinstallationen, Spannungsversorgung: Wieland & Schulz GmbH, Neustadt / Weinstraße
Heizungs-/ Sanitärinstallationen: Heflott GmbH, Mannheim
Maler-, Putz-, Trockenbauarbeiten: Heinrich Schmid GmbH & Co. KG, Mannheim
Terrazzoarbeiten: R. Bayer Betonsteinwerk GmbH, Blaubeuren

Hersteller
Beleuchtung: Zumtobel Lighting GmbH
Textile Wandbekleidung: Texaa
Vordach (Beton): DUCON Europe GmbH & Co. KG
Teppich: Object Carpet
Schalterprogramm: JUNG
Fliesen: Villeroy & Boch

Bruttogeschossfläche
ca. 1.700 m²

Gesamtkosten
9.000.000 €

Fotos
Jörg Hempel

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