Einheit aus der Vielfalt

Brückner & Brückner Architekten
5. April 2017
Der neue Vorplatz heißt Gottesdienstgemeinde und Besucher willkommen. (Foto: André Mühling)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Kirchensanierungen sind für uns und unser Team besondere Bauaufgaben und Herzensprojekte. Das sind heilige Räume – hier geht es um weit mehr als um Funktion. Es gilt, das Gestern mit dem Heute und dem Morgen zu verbinden. Es gilt, sensibel und verantwortungsvoll mit dem Erbe umzugehen, Respekt vor dem Vorhandenen zu haben und die wertvolle historische Substanz zu schützen. Gleichzeitig spielen Atmosphäre, Licht und Raum eine herausragende Rolle. Würde, Glaube, Spiritualität, Liturgie – davor haben wir Respekt. Wir wollen den Charakter von St. Augustin freilegen, erhalten und gleichzeitig diese Kirche weiterentwickeln, im 21. Jahrhundert weiterbauen. Die Pfarrkirche wurde aufgrund ihrer Nähe zum Schloss Ehrenburg und auf Wunsch des Herzoghauses im neugotischen Stil errichtet und 1860 geweiht. In den 1960er- und 1970er-Jahren wurde sie dann innen wie außen mehrfach überformt. Jetzt ist aus alt und neu eine neue Einheit entstanden, ein würdiger Raum für den lebendigen Glauben.

Die neue Kapelle ändert ihr Kleid … (Foto: André Mühling)
… im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten. (Foto: André Mühling)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Der Ort war eine unserer Inspirationsquellen. Respekt vor dem Ort bedeutet für uns eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem Bestand. Wir haben Spuren gesucht und gefunden, uns der Kirche aus verschiedenen Perspektiven genähert und alte Pläne studiert. Im Dialog mit dem Bauherren, der Gemeinde, der Denkmalpflege, den Fachingenieuren, Restauratoren und Künstlern und allen anderen Projektbeteiligten haben wir architektonische Antworten für eine nachhaltig in die Zukunft gerichtete Kirche erarbeitet – innen wie außen.

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

St. Augustin sollte wieder zu einer Einheit werden. Eines unserer gemeinsamen Ziele war, der Kirche ihre Eigenständigkeit zurückzugeben. Mit dem Rückbau des Sakristeianbaus aus den 1960erJahren und der Auflösung der räumlichen Beklemmung zwischen Kirche und Randbebauung wurde der Apsis ihre ursprüngliche äußerliche Gestalt zurückgegeben. Die Kirche erhielt ihre Klarheit zurück und öffnet die Wegebeziehungen zu den umliegenden Gebäuden der Gemeinde. Durch den neuen Erweiterungsbau an der Südseite werden die dringend notwendigen Funktionsräume für eine zeitgemäße Sakristei, Räumlichkeiten für die Kinderkirche und den Werktags-Gottesdienstgeschaffen.
Der Baukörper ersetzt die an der Böschungskante gelegenen Garageneinheiten und fügt sich zeitgemäß zwischen Pfarrhaus und Kirche ein. Durch den in die Topographie integrierten Bau entsteht ein Anschluss zu einem neu gestalteten Kirchenvorplatz. Das Kapellenoberlicht als städtebaulicher Auftakt des Anbaus vermittelt zwischen den unterschiedlichen Höhenlagen des Geländes und ermöglicht mit einer zum Kirchenvorplatz hin zu öffnenden Kirchenwand die Verschmelzung von Außenraum und Kapelle und damit eine ganz eigenständige sakrale Raumsituation. So wird der Kirchenvorplatz liturgisch in das Gemeindeleben miteinbezogen. St. Augustin erzählt von Offenheit. Wir öffnen die Kirche zur Stadt, zum Leben hin.

In der Kapelle entsteht ein Spiel aus Licht und Schatten. (Foto: Marie Luisa Jünger)
Blick in den Altarraum (Foto: Marie Luisa Jünger)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzern den Entwurf beeinflusst?

Sie alle haben den Entwurf intensiv beeinflusst. Bei St. Augustin ist das Verhältnis der Kirchengemeinde zu ihrer Kirche sehr besonders und bemerkenswert. Alle – Pfarrer, Kirchenpfleger, Kirchenverwaltung, Pfarrgemeinderat und die Gemeinde – haben sich in der fast dreijährigen Entwurfs- und Planungsphase, etwa in den gemeinsam veranstalteten Workshops oder beim Künstlerwettbewerb, stark und mutig eingebracht. Eine ideale und wünschenswerte Situation!
 

Blick durch das Kirchenportal auf den Vorplatz (Foto: Marie Luisa Jünger)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Jedes Material und jedes Produkt hat zum Gelingen diesesProjektes beigetragen und zwar genau an der Stelle, an der sie erdacht und von den Handwerkern meisterlich verbaut wurden.

Materialien sind die Seele der Architektur. Der Naturstein mit allen seinen Möglichkeiten und Facetten verdient bei diesem Projekt besondere Erwähnung. An der Fassade, den Böden, den Treppen. Naturstein ist ein authentisches, regionales Material, das sich selbst begründet und vor dem Morgen bestehen kann.

Aber auch der innovative Umgang mit Glas und Licht spielen in der Kirche und der Kapelle eine bemerkenswerte atmosphärische Rolle. Die Kapellenräume etwa wechseln ihr schlichtes Kleid im Wechsel des Tages- und Jahreszeiten. Ein Spiel aus Licht und Schatten entsteht.

Lageplan mit Grundriss
Neugestaltung und Erweiterung der Pfarrkirche St. Augustin in Coburg
2016
Festungsstraße 2
96450 Coburg

Auftragsart
Direktauftrag nach internem Auswahlverfahren

Bauherrschaft
Katholische Kirchenstiftung St. Augustin, vertreten durch Herrn Pfarrer Roland Huth

Architektur
Brückner & Brückner Architekten, Tirschenreuth | Würzburg
Projektleiter: Torsten Will
Projektmitarbeiter: Anton Frank, Franziska Bauer, Ana Valenzuela
Fachplaner
HLS: Rennert Ingenieure, Coburg
Tragwerk: Dürr + Schwarz Baustatik GmbH, Coburg
Licht: Rüdiger Maag

Kunst am Bau
Rudolf Ackermann, Eichstätt
Künstlerische Ausgestaltung des Altarraums und des Kirchenschiffs und des Liturgieraumes der Kapelle

Ausführende Firmen
Strobel GmbH & Co.KG, Coburg (Baumeisterarbeiten)
Padi Steinbautechnik e.K., Coburg-Bertelsdorf (Restaurierung historische Natursteintreppenanlage, Natursteinarbeiten Böden, Natursteinarbeiten Fassade, Natursteinarbeiten Sanierung Gruft)
Erich Schmidt GmbH, Coburg (Heizung, Sanitär)
Bischoff-LS GmbH, Lautertal (Lüftung)
Kirchner Elektrotechnik GmbH, Coburg (Elektrotechnik)
Haimerl GmbH, Ebensfeld (Branschutzverglasung Kapelle)
Kessel GmbH, Coburg (Putzarbeiten)
Rampel GmbH, Weitramsdorf-Neundorf (Estricharbeiten)
Plan & Seidel GmbH (Trockenbauarbeiten)
Holzwerkstätten Thomae GmbH & Co. KH, Römhild (Zimmererarbeiten)
Firma Knoch Gerüstbau, Coburg (Gerüstbauarbeiten)
Ewald Fischbach, Probstzella (Dachdecker- und Spenglerarbeiten)
Bau- und Möbelschreinerei Heinz Klaus, Großheirath (Ausbau bleiverglastes Fenster, Tischlerarbeiten Türen, Tischlerarbeiten neue Fenster Sakristei)
Konrad Meusel Fußbodentechnik GmbH, Küps-Oberlangenstadt (Parkettarbeiten)
Kessel GmbH, Coburg (Malerarbeiten Kapelle)
Nuthen Restaurierungen GmbH & CO. KG, Erfurt (Malerarbeiten Kirche)
Käfer Stahlhandel GmbH & Co. KG, Gochsheim (Metallarbeiten Eingangstüre, Tore)
Holz in Form GmbH & Co. KG, Oberthulba (Lichtdecke)
Karl Fröhlich, Flossenbürg (Natursteinarbeiten Außentreppen, Stützwandverkleidung)
Derix Glasstudios GmbH & Co KG, Taunusstein (Fenster Lichtkuppel)
Reso Gala-Bau, Stadtsteinach (Außenanlagen)
Midas Surfaces GmbH Leinefelde-Worbis (Beschichtung Toranlage)
DPS Deutschland Spanndecken Vertriebs GmbH, Oberthulba (Spanndecken)

Hersteller
Auroport (drehpunkt-gelagerte Toranalage Konstruktion)
Schüco, Derix, Glashütte Lamberts Waldsassen (Kapellenoberlicht)
Midas (Torflügelbeschichtung)
Hoba (F90 Holzfenster HoBa 13 Lüftungsflüge, Brandschutztüren HoBa T60-1 RS FSA |  Hoba Typ 21, Brandschutztüren HoBa T30-1 RS FSA |  Hoba Typ 7V); Dorma (ITS 96 Türschließer)
FSB (Türdrücker); Simonswerk (Türbänder, Rollbänder)
DPS (Leuchten); Ridi (Leuchten); Spectral (Leuchten)
Trockenbau (Knauf & Vogel Trockenbau)
Innenanstrich Kirchenschiff (Histolith Caparol)
Innenputz Kapelle (Maxit)
ACO (Außenrinnen, Schlitzrinnen)
Ziegler (Fahrradständer & Poller)
Vogl Deckensysteme Lourdes Grotte

Bruttogeschossfläche
1.250 m²

Gebäudevolumen
11.752 m³

Gesamtkosten
5.295.0000 € (KGR 100–700 brutto)

Fotos
André Mühling, München
mju-fotografie, Marie Luisa Jünger, Hümpfershausen

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