Die neue Stadt in der Stadt

gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner
30. Mai 2018
Eingangssituation (Foto: HG Esch)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Einerseits den Maßstab der Umgebung aufzunehmen und andererseits einen Dialog mit dem Jugendstil des benachbarten Billing-Baus zu finden. Eine Aufgabe, die von jedem Architekten äußerste Sensibilität verlangt, weil der Dialog zwischen Alt und Neu so spannend wie herausfordernd ist. Die Reduktion auf das Wesentliche bei der Architektur der Kunsthalle steht im direkten Kontrast zu der verspielten Fassade des historischen Billing-Baus: Beides zu einem Museumsensemble zu vereinen, war eine besondere Herausforderung.
Eine weitere Besonderheit war die Zusammenarbeit mit weltbekannten Künstlern, wie James Turrell, William Kentridge oder Anselm Kiefer, die in der Kunsthalle ausstellen. Diese einzigartigen Künstler sollten ein Zuhause bekommen, in dem sie sich entfalten können. Kunst und Architektur sollten nicht in Konkurrenz treten, sondern sich gegenseitig respektieren.

Eingangsfoyer (Foto: Marcus Bredt)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Der neue Museumsbau am Mannheimer Friedrichsplatz ist als „Stadt in der Stadt“ konzipiert. Innerhalb einer einfachen Gesamtkubatur sind einzelne Baukörper für Ausstellungs- und Funktionsräume zu einer lebhaften Komposition zusammengefasst. Wie eine Stadtstruktur eine Ordnung bildet, in der sich jede Einzelarchitektur individuell artikuliert, schafft das Konzept der „Stadt der Kunst“ einen identitätsstiftenden, architektonischen Rahmen und ermöglicht als Projektionsfläche den Kuratoren zugleich größte Freiheiten.

Atrium und Anbindung an den Altbau (Foto: Marcus Bredt) – Kunst: Alicja Kwade 'Die bewegte Leere des Moments' 2015/ 2017: Uhr, Kette, Stein, Mikrophon, Lautsprecher, For­mat variabel - Kunsthalle Mannheim, © Alicja Kwade
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

​In Analogie zu den raumbildenden Elementen einer Stadt – Haus und Block, Straße und Platz – entstehen für die Besucher abwechslungsreiche Rundgänge durch geschlossene und offene Räume mit wechselnden Ein- und Ausblicken. Dabei bleibt, wie im größeren Maßstab der „Quadratestadt“ Mannheim, durch die klare, übergeordnete Struktur eine einfache Orientierung gewahrt.
Im zweiten Obergeschoss ist eine Dachterrasse in den Rundgang integriert, von der aus sich den Besuchern das Panorama des Friedrichsplatzes mit dem markanten Wasserturm eröffnet. Durch dieses Raumkonzept sind Museums- und Stadtraum vielfach funktional und visuell miteinander verwoben, sodass einerseits die Kunst über die Architektur weit in die Stadt ausstrahlt und andererseits die Stadt gewissermaßen barrierefrei in die Räume des Neubaus hineinfließt.

Ausstellungsraum (Foto: Marcus Bredt)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Architekten müssen realitätsnah planen können – in diesem Fall mit dem gedeckelten Budget und der Kostendisziplin der Stiftung Kunsthalle Mannheim umzugehen. Aus diesen Zwängen heraus ist im Dialog mit der Kunsthalle eine ganz wunderbare Lösung entstanden: Architekten agieren konzeptionell und funktional, während Kunsthistoriker Themen immer wieder neu deuten. Dadurch ist ein anregender Diskurs entstanden, der durch unterschiedliche Interpretationen stets neue Herausforderungen mit sich brachte.

Blickbezüge zwischen Museum und Stadt (Foto: Marcus Bredt)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Das Volumen der Baukubatur ist während des Entwurfsprozesses insgesamt reduziert worden, was aber der Funktion der Kunsthalle nicht schadete.

Neubau der Kunsthalle Mannheim (Foto: Lukac Diehl)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Die Fassaden sind von einem transparenten Metallgewebe – einem bronzefarben beschichteten Edelstahl-Mesh – umhüllt, das die Gesamtkubatur definiert und sich farblich an den Sandstein der Umgebung anlehnt. Es stammt von der Firma GKD – Gebr. Kuffrath und ist eine Sonderanfertigung. Variierende Maschenweiten sorgen für unterschiedlich starke Transparenz. Nach außen bleibt die Lesbarkeit des Volumens gewahrt, sodass die einzelnen Baukörper bei Tag und Nacht sowie in der Nah- oder Fernwirkung graduell differenziert wahrnehmbar sind.

Lageplan (Zeichnung: gmp · Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: gmp · Architekten)
Schnitt (Zeichnung: gmp · Architekten)
Neubau Kunsthalle Mannheim
2017
Friedrichsplatz 4
68165 Mannheim

Auftrag
Internationaler Wettbewerb 2012 – 1. Preis

Bauherrschaft
Stiftung Kunsthalle Mannheim

Architektur
gmp · Architekten von Gerkan, Marg und Partner, Hamburg
Entwurf: Meinhard von Gerkan und Nikolaus Goetze mit Volkmar Sievers
Projektleitung Wettbewerb: Di Miao­ Weichtmann
Mitarbeiter Wettbewerb: Ulrich Rösler, Mira Schmidt, Steffen Lepiorz, Liselotte Knall, Kai Siebke, Frederik Heisel
Mitarbeiter 3D und Visualisierung: Markus Carlsen, Tom Schülke, Jens Schuster, Christoph Pyka, Kenneth Wong, Björn Bahnsen
Projektleitung Ausführung (bis LPH 5 + künstlerische Oberleitung): Liselotte Knall, Kerstin Steinfatt Mitarbeiter Ausführung (bis LPH 5): Ulrich Rösler, Raimund Kinski, Amra Sternberg, Viktoria Wagner, Hanna Diers, Michèle Watenphul, Anna Falkenbach, Felix Partzsch

Fachplaner
Tragwerksplaner:  schlaich bergermann und partner, Stuttgart
Technische Gebäudeausrüstung: Giesen – Gillhoff – Loomans, Krefeld
Brandschutz: HHP, Hamburg
Bauphysik/Raumakustik/Schallschutz: ISRW, Düsseldorf
Fassadenberatung/Energiekonzept: DS-Plan GmbH, Stuttgart
Lichtplanung: a•g Licht, Bonn
Freianlagen: Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten, München
Innenraumgestaltung: Axel Kufus, Berlin

Bauleitung LPH 6-9
W+P Gesellschaft für Projektabwicklung
Sven Lemke, Kevin Puhmann

Kunst am Bau
James Turrell, Flagstaff (AZ, USA)
raumgebendes, festinstalliertes Lichtkunstwerk im Athene-Trakt

Ausführende Firmen
Projektsteuerer, Wolf und Partner, Stuttgart

Hersteller
Türbeschläge: FSB
Licht/Elektro: iGuzzini; Zumtobel
Fassade und Dach: Eternit; GKD – Gebr. Kuffrath AG

Bruttogeschossfläche
​17.366 m²

Gebäudevolumen
206.034 m³

Fotos
​HG Esch
Marcus Bredt
Lukac Diehl

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