Arbeiten im ehemaligen Getreidespeicher
SEHW Architekten haben einen ehemaligen Getreidespeicher in Hamburg denkmalgerecht saniert und umgebaut. Christoph Winkler beantwortet unsere Fragen zum Projekt.
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?Der ehemalige Getreidespeicher mit Verladebrücke zur Elbe stammt aus dem Jahr 1937 und steht direkt an der Altonaer Kaikante der Elbe in Hamburg Altona. Der Speicher wurde als Getreidesilo errichtet und steht heute als Zeitzeuge der Industriebebauung an der sogenannten »Hamburger Perlenkette« seit 2013 unter Denkmalschutz. Prägend ist die typische Klinkerfassade, hinter der sich ein Betonskelett mit aufwendigen Betontrichterkonstruktionen und einem Stahlbetondach mit Ziegeldeckung verbirgt. Zuvor gab es unterschiedliche, mehr oder weniger sensible Eingriffe.
Die wesentliche Aufgabe bestand darin den Charakter des Baudenkmals zu erhalten, die recht ungewöhnliche massive Betonkonstruktion von der Gründung bis zum Dach als graue Energie zu bewahren, das regelmäßig dem Hochwasser ausgesetzte Gebäude für die Zukunft vor dem vermutlich steigenden Hochwasserpegeln zu schützen und die Energiebilanz im Rahmen der Möglichkeiten deutlich zu verbessern.
Der Entwurf blieb in seiner historischen Kubatur mit Verladebrücke, Satteldach, Gauben und sogenanntem »Dachhaus« erhalten.
Es wurden im Erdgeschoss eine hochwassersichere weiße Wanne, ein neues Treppenhaus, neue Fensteröffnungen und erstmalig Geschossdecken anstelle der ursprünglichen Silozellen hinzugefügt. So entstand eine Zweitnutzung und Wiederverwertung, die den Lebenszyklus des Bauwerks mit heutiger Büronutzung entscheidend verlängert.
Weiterhin galt es, die stark angegriffene Betonkonstruktion wieder zu ertüchtigen, die bewehrte Klinkerfassade sensibel zu sanieren, das Gebäude mit einer inneren weißen Wanne bei gleichzeitiger Sicherung gegen Auftrieb durch weitere Pfahlgründungen und einem komplexen Flutschutzkonzept für die Gebäudeöffnungen vor Hochwasser zu schützen. Ebenso war eine sinnvolle Verteilung der Geschosslasten und die Nutzung der Dachgeschossebenen erforderlich. Die Erhöhung des energetischen und technischen Standards für das Bürogebäude war ein weiterer Teil der Bauaufgabe, um das Gebäude sicher in das nächste Jahrhundert zu überführen. All diese Themen mussten gelöst werden, natürlich nur unter der Voraussetzung einer sensiblen Erhaltung und anspruchsvollen Gestaltung des Baudenkmals.
Alle Entscheidungen wurden in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber, der auch Nutzer ist, getroffen. Dieser verhielt sich sehr konstruktiv und hat die komplexen Anforderungen und Lösungsvorschläge nachvollzogen.
Dies stand nicht im Mittelpunkt, der Denkmalschutz spielte eine große Rolle, aber die Baustoffe sind weitgehend zirkulär verwendbar oder recyclebar.
Hochwertige Visualisierungsvarianten im eigenen Hause für den Außen- wie Innenbereich erlaubten Raum-, Material- und Farbabstimmungen.
Der Innenausbau mit integrierten Möbelelementen ist aus einem Guss. Das Treppenhaus mit einer durchgehenden Rohstahlbrüstung schlängelt sich durch alle Geschosse. Durchdachter Materialeinsatz für multifunktionale Bauteile, wie beispielsweise einem Gussasphaltboden im Erdgeschoss mit optisch hochwertigem Erscheinungsbild eines Terrazzobodens, Eichenböden, Glas und Stahl, prägen den industriellen Charakter des Gebäudes. Der historische massive Betonbau zeigt sich in seiner Rohheit im Zusammenspiel mit puristischen, funktionalen Einbauten, nicht zuletzt, durch eine sensible Integration der Haustechnik, die kaum sichtbar ist.
Wir sind überzeugt, dass die Umnutzung von Bestandsbauten wie diesen, unter Bewahrung der grauen Energie, unter erhöhten Ansprüchen an die Zusammenarbeit aller Planungsbeteiligten zu bewältigen ist und somit über den Erhalt des Bestandes mit einer durchdachten Umnutzung & Modernisierung maßgeblich zum ressourcenschonenden Umgang für unsere Zukunft beiträgt.
2021
Große Elbstraße 281
22763 Hamburg
Auftragsart
Direktvergabe
Bauherrschaft
Ha-Es V Vermögensverwaltung GmbH& Co.KG, Hamburg
Architektur
SEHW Architekten PartG mbB, Bogenallee 14, 20144 Hamburg
Verantwortlicher Partner: Christoph Winkler
Mitarbeit: Sönke Meyer, Anna Meise
Fachplaner
Tragwerksplaner: Wetzel & von Seht, Hamburg
Haustechnik: Energiehausingenieure Planungsgesellschaft für Gebäudetechnik, Hamburg
Brandschutz: IBP Ingenieurgesellschaft für Brandschutzplanung mbH, Tornesch
Lichtplanung: Notholt Lighting Design, Hamburg
Ausführende Firmen
Rohbau: Theo Urbach GmbH, Hamburg
Flutschutzkonstruktion: Altenländer Werft GmbH, Hamburg
Metallbauarbeiten: Weiland & Kuck GmbH, Hamburg
Hersteller
Stahlfenster und Brandschutztüren: Fabrikat Schüco Jansen
Glastrennwände: Fabrikat Goldbach Kirchner
Teppichboden: Fabrikat Anker
Parkett: Fabrikat Thede & Witte
Innentüren: Fabrikat Schörghuber
Bruttogeschossfläche
2.628 m²
Gesamtkosten
k.A.
Auszeichnung
AIV Bauwerk des Jahres 2021/22
Balthasar Neumann Preis eine von 4 Anerkennungen
BDA Anerkennung
Fotos
Jakob Börner