Jurypreis - Tageslicht

Autor:
Thomas Geuder | Preisträger
Veröffentlicht am
Mai 29, 2013

Mit einem Erweiterungsbau für die Präsentation der Gegenwartskunst hat das Frankfurter Städel Museum jetzt die größte inhaltliche und architektonische Erweiterung seiner knapp 200-jährigen Geschichte erhalten. Die Frankfurter Architekten schneider+schumacher haben dafür unter dem Städel-Garten etwa 3.000 m² neue Ausstellungsfläche geschaffen. 195 kreisrunde Oberlichter mit Durchmessern von 1,5 m bis 2,5 m durchbrechen die frei gespannte und leicht nach oben geschwungene Decke des unterirdischen Saals. Aus lichtplanerischer Sicht klingen diese bauseitigen Qualitäten nach einer ziemlichen Herausforderung – muss ein Museumsbau doch gute Sehbedingungen mit konservatorischen Vorgaben für die gezeigten Exponate vereinen.
Städel Museum, Frankfurt am Main 2012 (Foto: Norbert Miguletz) 
Anforderungen und Planung Zu Beginn der Planungen gab es eigentlich nur das „Loch“ in der Decke, das dann mit intelligentester LED-Kunstlichttechnik und Tageslichtregulierung bis hin zu einer Verdunkelung ausgestattet alle Anforderungen an einen modernen Wechselausstellungsbetrieb erfüllt. „Ein leuchtendes Juwel am Tag, ein Lichtteppich in der Nacht“, lobte die Jury des Architekturwettbewerbs den Entwurf von schneider+schumacher. Die Aussage spielt auf die Doppelfunktion der Oberlichter an. Während sie am Tage für die optimale natürliche Belichtung der Ausstellung sorgen, erstrahlen sie nachts wie leuchtende Inseln im Rasengrün des Städel-Parks. Es besteht kein Widerspruch zwischen der aufwendigen nächtlichen Lichtinszenierung und dem energiebewussten Einsatz des Tageslichts. Die bei Dunkelheit notwendige Kunstlichtbeleuchtung des Museums, die durch die Oberlichtaugen sanft den Park illuminiert, ist quasi eine „Umsonst-Inszenierung“. Durch die optimierte und individualisierte Tageslichteinkopplung der Oberlichter hat das Museum eine Kunstlichtautonomie von 80 %. Die gesamte Gartenhalle  lässt sich durch Trennwände in kleinere, kabinettartige Ausstellungsräume aufteilen. Dabei können die entsprechenden Oberlichter dem entstehenden Raumbereich zugeordnet werden und ermöglichen damit eine sehr selektive Anpassung der Lichtverhältnisse. Durch die maßgeschneiderte Lichtlösung können nun hochempfindliche Ausstellungsstücke wie Arbeiten auf Papier beispielsweise direkt neben einem Kabinett mit Beleuchtung für Skulpturen gezeigt werden. Die Beleuchtungsstärken lassen sich den Bedürfnissen entsprechend für jedes Oberlicht individuell anpassen. Um einzelne Objekte hervorzuheben oder Wandflächen einzublenden, können bei Bedarf gesondert gefertigte LED-Projektionsstrahler mit verschiedenen Optiken in Steckbuchsen an den Oberlichtern eingesetzt werden. Für ein homogenes Lichtbild sind die Oberlichter nach unten mit einem Diffusorfoliensystem verschlossen.
Städel Museum, Frankfurt am Main 2012 (Foto: Norbert Miguletz) 
Farbwiedergabe und Lichtdynamik Eine unschätzbare Qualität des Tageslichts ist – erst recht bei der Präsentation von Kunstwerken – seine exzellente Farbwiedergabe. Die eingesetzten LEDs liegen mit ihrem Ra-Wert bei über 90 und sind damit hervorragend geeignet für die Beleuchtung von Kunst. Ganz generell fühlen sich Menschen in Innenräumen wohler, wenn ein gewisser Außenbezug gewahrt wird. Die Dynamik des Tageslichts, der unbewusste Informationsbedarf über Wetterbedingungen scheint in uns evolutionsbiologisch verankert zu sein. Bei der Kunstbetrachtung wiederum können wechselnde Lichtbedingungen die Wahrnehmung sowohl bereichern als auch stören. Das Lichtkonzept sieht vor, den gewünschten und didaktisch wichtigen Zusammenhang zwischen Außen- und Innenraum nicht zu stören, aber dennoch die Dynamik des Tageslichts zu dämpfen, ohne dabei einen langweiligen Lichteindruck zu erzeugen und vor allen Dingen ohne ein kontinuierliches Nachfahren der Systeme zu erzwingen, was sowohl unter mechanischen als auch unter steuerungstechnischen Gesichtspunkten unbedingt zu vermeiden war. In der jetzt erfolgten Umsetzung kommt den Oberlichtern eine Doppelfunktion als Tageslichtöffnung und Leuchte zu. Der Tageslichteintrag wird permanent kontrolliert und notfalls begrenzt, in die Oberlichter integrierte Leuchten werden bedarfsgerecht dazu geregelt. Das Zusammenspiel von Verschattungselementen, integrierten Komponenten für die Allgemein- und flexibel applizierbaren Strahlern für die Akzentbeleuchtung übernimmt ein intelligentes Lichtsteuerungssystem anhand von Sensor- und astronomischen Sonnenstandsdaten. Ein derart komplexes System bedarf verschiedener Ingenieurkompetenzen, die unter der Moderation des Lichtplaners gebündelt wurden. So hatte Licht Kunst Licht die gesamte Regieführung, wobei die konzeptionelle Gestaltung, die Konstruktionsdetails und das Design, aber auch die Systemauswahl der Tageslichtelemente und der Leuchten bei ihnen lag.
Städel Museum, Frankfurt am Main 2012 (Foto: Norbert Miguletz) 
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Jurypreis
Tageslicht


Städel Museum
Frankfurt am Main 2012, D


Licht Kunst Licht AG
Jagdweg 16
53115 Bonn, D

Lichtplanung (Ausführung)
Tanja Baum
Alexander Rotsch
Andreas Schulz

Lichtplanung (Wettbewerb)
Ulrike Brandi Licht
Lichtplanung und Leuchtenentwicklung GmbH


Bauherr
Städelsches Kunstinstitut
Frankfurt am Main

Architekt
  schneider+schumacher Planungsgesellschaft mbH
Frankfurt am Main


Elektroplanung
Ingenieurbüro Freudl & Ruth GmbH & Ko.KG
Brückköbel

Steuerung
Delta-Tech
Weiterstadt

Bildnachweis
Norbert Miguletz


Preisträger
aller Kategorien

Besondere Würdigung der Jury
CONCEPTLICHT GmbH
Teilprojekt Bodemuseum
Berlin 2012, D


Besondere Würdigung der Jury
Forschungslinie „Licht_Raum“
FH Dortmund, FB Architektur
Integrierte Lichtleitplanung
Castrop-Rauxel 2012
, D

Jurypreis Tageslicht
Licht Kunst Licht AG
Städel Museum
Frankfurt am Main 2012, D


Kulturbauten
LUNALICHT
Innenrenovation St. Stephan
Karlsruhe 2011
, D

Öffentliche Bereiche
Innenraum
team licht
  Google Foyer
Hamburg 2012, D


Außenbeleuchtung
Öffentliche Bereiche

Dynamisches Licht | Studio DL
Poa Lumina an der Strandpromenade
Niendorf 2012, D


Museen
Licht Kunst Licht AG
Neue Galerie
Kassel 2011, D


Außenbeleuchtung - Anstrahlung
Kardorff Ingenieure Lichtplanung GmbH
Geschäftshaus F40
Berlin 2011, D


Shopbeleuchtung
Lichtvision Design & Engineering GmbH
A10 Center
Wildau 2011, D


Bildung
Peter Andres Lichtplanung
Bücherhallen
Hamburg 2012, D


Internationales Projekt
CONCEPTLICHT GmbH
Tianjin Grand Theatre
Tianjin 2012, CN


Lichtkunst
Studio Philipp Geist
 Time Drifts, Luminale
Frankfurt 2012, D


Event - Messen
a•g Licht GbR
CES AUDI-Messestand
Las Vegas 2012, US