Museen

Autor:
Thomas Geuder | Preisträger
Veröffentlicht am
Mai 29, 2013

Umfangreiche Umbau- und Sanierungsarbeiten hatten die Sammlung der Neuen Galerie Kassel für fünf Jahre ins Depot verbannt. Im November 2011 ist sie in ihr Stammhaus an der Schönen Aussicht oberhalb der Karlsaue zurückgekehrt. Der Kunstbestand präsentiert sich jetzt in einem komplett modernisierten Gebäude, auf größerer Fläche und in neuem Licht.
Neue Galerie, Kassel 2011 (Foto: Werner Huthmacher) 
Großzügiges Willkommen statt engem Entree  Im Entree sorgen Oberlichter und Wanddurchbrüche für einen lichten und offenen Raumeindruck mit außergewöhnlichen Sichtachsen.Unterstützt wird die großzügige und einladende Atmosphäre durch eine differenzierte Lichtlösung. Während druckvolles brillantes Licht aus Downlights die drei Ebenen des Foyers zusammenführt, laden einzelne in warmweißer Lichtfarbe erhellte Zonen zum Verweilen ein. Die Kasse und den Shopbereich überspannt ein großes Lichtdeckenfeld, das die vorhandenen Tageslichtöffnungen zitiert und den zentralen Anlaufpunkt für Besucher deutlich markiert.

Tageslicht versus konservatorische Anforderungen  Den für die Neue Galerie Kassel realisierten Tageslichtlösungen gelingt es, die Vorzüge des natürlichen Lichts für die Wahrnehmung von Kunst und Raum zu nutzen und gleichzeitig den Schutz der Exponate vor schädigenden Strahlungsanteilen sicherzustellen. Eine Prämisse bei der Planung der Lichtdecken für die fünf Oberlichtsäle im ersten Geschoss lautete, das natürliche Licht nicht auf einen völlig statischen, leblosen Level zu regulieren, sondern seine Dynamik im Innenbereich erlebbar zu machen. Durch die geschickte Auswahl und Kombination von Entblendungs-, Verdunklungs- und Streuvorrichtungen kann der Galeriebesucher durch den Deckenaufbau hindurch schemenhaft den Himmel und vorbeiziehende Wolken ahnen. Oberhalb der raumseitigen Staubdecke liegen Lichtbänder, die durch hochwirksame Reflektorlichtleisten eine gleichmäßige Ausleuchtung des Raumes und der Wände bewirken. Während des Tages werden sie allerdings lediglich genutzt, um im Bedarfsfall das Tageslichtangebot zu ergänzen. Eine Lichtsteuerung, die an die zentrale Gebäudesteuerung angebunden ist, stimmt das Kunstlicht permanent auf das Tageslichtangebot ab und regelt – für den Betrachter unmerklich – den Lichtstrom der Leuchten. Zusätzlich sind in die Lichtdecke Auslasspunkte für Strahler integriert, die je nach Ausstellungskonzeption einzelne Exponate hervorheben können.
Neue Galerie, Kassel 2011 (Foto: Werner Huthmacher) 
Highlights unter Gewölben  In den zentralen Ausstellungssälen im Erdgeschoss ist kein natürliches Licht vorhanden. Besonderes Merkmal des Beuys-Raumes, welcher das „künstlerische Herz“ der Neuen Galerie bildet, ist sein historisches Deckengewölbe. Regelmäßig an einer Stromschiene positionierte Strahler hellen die einzelnen Deckendome zwischen den Bögen auf und reflektieren das Licht diffus in den Raum zurück. Durch diese indirekte Lösung entsteht eine sehr milde, weiche Lichtstimmung im Raum, gleichzeitig betont sie seine besondere architektonische Ausprägung. Aufgegriffen wird diese Gestaltungsidee in den beiden angrenzenden Sälen, wobei ergänzend Strahlerauslässe zur Verfügung stehen, um optionale Lichtakzente zu setzen.

Kleine Kabinette unter Kuppeln  Im Nordwesten flankiert eine Raumabfolge aus fünf Kabinetten die drei zentralen Ausstellungssäle im Erdgeschoss. Die etwa je 20 Quadratmeter großen Räume werden von Kuppeln überspannt, in deren Scheitelpunkt ein flächiges, rundes Lichtelement abgependelt ist. Diese Sonderleuchte greift die Idee einer Lichtdecke auf. Nach unten schließt eine Spannlichtfolie den flachen Leuchtenkörper ab, nach oben erhellen die freistrahlenden Leuchtmittel die Decken. Die in den Kabinetten gezeigten Gemälde erhalten durch die direkt/indirekte Abstrahlung eine gleichmäßige Ausleuchtung.
Neue Galerie, Kassel 2011 (Foto: Werner Huthmacher) 
Licht, Luft und Sicherheit aus einem Kanal  Die meisten Ausstellungsräume der Neuen Galerie werden durch eine deckenintegrierte Lichtlösung erhellt. In regelmäßigem Abstand zu den Wänden zeichnet ein in die Raumdecke eingelassener Rücksprung die Raumkontur nach. In den Kanal wurden mehrere Funktionen der Haustechnik integriert. So erfolgt über ihn die Lüftung und er nimmt Blitzleuchten und Signalgeber zur Sicherung der Kunstwerke auf. Auch die Leuchten finden hier ihren Platz. Diese Lösung hält den Deckenspiegel von Installationen völlig frei und macht die ausgestellten Exponate und ihre Besucher zu alleinigen Akteuren zwischen den weißen Raumbegrenzungsflächen. In dem Kanal befinden sich Linear-Wallwasher und eine Stromschiene. Während erstere absolut homogen die Wände fluten, kann die Stromschiene bei Bedarf zusätzliche Einzelleuchten aufnehmen.

Grafik und Fotos im Untergeschoss  Deutlich vergrößert wurde durch die Sanierung und Neugestaltung der Galerie auch die Ausstellungsfläche im Untergeschoss. In diesem Bereich präsentieren sich Grafiken und Fotos. Ihre blendfreie und schonende Ausleuchtung übernehmen in die Decke integrierte, frei strahlende Lichtleisten und Einbaurichtstrahler. Organisiert sind die Leuchten in regelmäßig angeordneten Deckenfeldern, in denen auch die Klimatechnik und eine Stromschiene für zusätzliche Strahler ihren Platz finden. Diese Konfiguration sorgt nicht nur für ein ruhiges Deckenbild, das die reduzierte Gestaltung der Ausstellungsräume möglichst wenig beeinträchtigt, sondern sie greift in abstrakter Weise auch ein weiteres Mal das Stilmittel der Lichtdecke aus den oberen Geschossen auf.

Kontemplation und Weitblick  Für zwei Terrains hat die Museumsleitung die mutige Entscheidung getroffen, sie von Kunst völlig frei zu halten: Die Wandelhallen im Erd- und Obergeschoss beeindrucken einzig durch ihren wunderschönen Blick auf die Karlsaue und ihre architektonische Eleganz. Rund 40 Meter reihen sich offene Gewölbeabfolgen hinter großen Bogenfenstern aneinander. Der Besucher hat die Wahl zwischen Flanieren mit weitem Blick oder introvertiertem Verweilen auf in Nischen angeordneten Sitzbänken. Wenn sich das reichlich vorhandene, mit starken Kontrasten spielende Tageslicht am Abend aus den Wandelhallen zurückzieht, dann tritt an seine Stelle ein mildes, zurückhaltendes Licht aus wandgebundenen Direkt-Indirekt-Leuchten und schafft eine warme, behagliche Atmosphäre.
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Preisträger
Museen

Neue Galerie
Kassel 2011, D


Licht Kunst Licht AG
Schlesische Straße 27
10997 Berlin, D

Lichtplanung
Raffael Banduch
Arne Hülsmann

Bauherr
Stiftung Hamburger Öffentliche Bücherhallen
Hamburg

Architekt
Tim Pohl
Hamburg

Elektroplanung
WINTER Ingenieure für Gebäudetechnik
Hamburg

Bildnachweis
Christoph Gebler


Preisträger
aller Kategorien

Besondere Würdigung der Jury
CONCEPTLICHT GmbH
Teilprojekt Bodemuseum
Berlin 2012, D


Besondere Würdigung der Jury
Forschungslinie „Licht_Raum“
FH Dortmund, FB Architektur
Integrierte Lichtleitplanung
Castrop-Rauxel 2012
, D

Jurypreis Tageslicht
Licht Kunst Licht AG
Städel Museum
Frankfurt am Main 2012, D


Kulturbauten
LUNALICHT
Innenrenovation St. Stephan
Karlsruhe 2011
, D

Öffentliche Bereiche
Innenraum
team licht
  Google Foyer
Hamburg 2012, D


Außenbeleuchtung
Öffentliche Bereiche

Dynamisches Licht | Studio DL
Poa Lumina an der Strandpromenade
Niendorf 2012, D


Museen
Licht Kunst Licht AG
Neue Galerie
Kassel 2011, D


Außenbeleuchtung - Anstrahlung
Kardorff Ingenieure Lichtplanung GmbH
Geschäftshaus F40
Berlin 2011, D


Shopbeleuchtung
Lichtvision Design & Engineering GmbH
A10 Center
Wildau 2011, D


Bildung
Peter Andres Lichtplanung
Bücherhallen
Hamburg 2012, D


Internationales Projekt
CONCEPTLICHT GmbH
Tianjin Grand Theatre
Tianjin 2012, CN


Lichtkunst
Studio Philipp Geist
 Time Drifts, Luminale
Frankfurt 2012, D


Event - Messen
a•g Licht GbR
CES AUDI-Messestand
Las Vegas 2012, US