Renovation Doppelwohnhaus Corbusier, Stuttgart
Wie baute Le Corbusier?
26. Juni 2006
Endlich wieder 30 cm "höher": Die Stützen konnten endlich wieder frei gegraben werden.
Immer weniger Architekten werden zukünftig in Deutschland allein vom Neubau leben können. Gut beraten ist deswegen, wer sich auf Aufgaben gleich welcher Art mit besonderer Qualifikation einlassen kann. Mit dem Blick auf das Doppelhaus am Weissenhof, das Le Corbusier und Pierre Jeanneret für die legendäre Werkbund-Bauausstellung 1927 in nur zweieinhalb Monaten bauten, widmen wir uns einer besonderen Aufgabe: der denkmalgerechten Renovierung und teilweiser Rekonstruktion. Nach Jahrzehnten ist das Haus endlich öffentlich zugänglich. Das zwischenzeitlich sehr vernachlässigte Haus, dessen architekturgeschichtliche Bedeutung nicht mehr bezweifelt werden kann, kam 2002 in den Besitz der Stadt Stuttgart, die in dem Doppelhaus in den nächsten Monaten ein Museum einrichten wird. Anschließend sprang die Wüstenrot Stiftung ein, die sich seit längerem der Renovierung bedeutender Bauten der Moderne widmet – Erich Mendelssohns Einsteinturm in Potsdam, das Haus Schminke in Löbau von Hans Scharoun und das Muche-/ Schlemmer-Haus in Dessau von Walter Gropius zeugen von dem außergewöhnlichen Engagement.
Le Corbusier ließ das Treppenhaus farbenfroh streichen – hinter der Treppenrundung ein kleines Sitz- oder Spielplätzchen.
Für Corbusiers Wohnhaus beauftragte die Stiftung nach einem Auswahlverfahren die jungen Architekten Arnold und Fentzloff, deren Verständnis für diese Ikone der Moderne überzeugte. In engster Zusammenarbeit mit Denkmalpflege, Tragwerksplanung und zukünftigen Nutzern ging es erst einmal um eine sorgfältige Analyse dessen, was vom "Original" noch übrig war. Weg fiel der 1933 eingebaute Keller; die alten Stützmauern mussten wiederhergestellt und das 30 cm angehobene Eingangsniveau wieder abgesenkt werden. Die Proportionen des Hauses hatten sich durch diese Niveauveränderung ganz erheblich verschoben. Auch auf dem Dachgarten bestand Handlungsbedarf: Der ursprüngliche Plattenbelag wurde wiederhergestellt, war aber wegen Gewichtsproblemen mit extra gefertigten Stegplatten auszuführen. Die Pflanzenkübel sind jetzt aus Kunststoff, denn die massive Ursprungsfassung wäre nun auch zu schwer. Die Brüstung konnte man wieder absenken, das Flugdach musste vollständig erneuert werden. Wärmedämmputz, der 1984 aufgebracht worden war, blieb.
Rechts unten aus dem Schrank wird das Bett herausgezogen; links schließt sich die Schiebewand an; wenn die Wand vollständig zugezogen ist, lässt sich der dunkelrotbraune Abschnitt links der Stütze als Tür nutzen.
Die rechte Haushälfte ist jetzt in den ursprünglichen Farben gestrichen – auch innen –, die linke angesichts der geplanten Museumsnutzung in neutralem Weiß. Für die rechte Haushälfte sind die wichtigen Inneneinrichtungsraffinessen nachgebildet worden, so gut es ging: Pläne gab es nicht, man verließ sich auf Fotografien. Schiebewände, Bettschränke, Einbauschränke – ohne jeden Kubikzentimeter auszunutzen, wären die 100-qm-Wohnungen für Familien mit Bedienstetenzimmern doch etwas knapp bemessen. Die Architektenleistung 2005 bestand in einer sorgfältigen, einfühlsamen und technisch versierten "Werkplanung rückwärts" – den Spuren des Meisters der Moderne folgend, war das Corbusier-Haus für die vorgesehene Nutzung zu "ertüchtigen", wie man in Fachkreisen so tapfer sagt. Das will gelernt sein.
Ursula Baus
Grundrisse
Doppelwohnhaus Corbusier
Renovation
2005
Rathenaustraße 1
70191 Stuttgart
Stuttgart
Auftraggeber
Wüstenrot Stiftung
Ludwigsburg
Architektur 1927
Le Corbusier
Pierre Jeanneret
Projektleitung 1927
Alfred Roth
Renovierung 2005
Architektur 109
Stuttgart
Denkmalbeirat
Berthold Burkhardt
August Gebeßler
Norbert Huse
Claudia Mohn
Projektsteuerung
Sabine Schmidt-Rösel
Darmstadt
Tragwerksplanung
Büro für Baukonstruktion
Karlsruhe
Freiflächenplanung
Jochen Köber
Stuttgart
Fotografie
Thomas Wolf
Ursula Baus