Gedenkstätte in Stuttgart

Sehende Erinnerung

17. Juli 2006

Gedenkstätte
“Zeichen der Erinnerung”

2006
Otto-Umfrid-Straße
Innerer Nordbahnhof
70191 Stuttgart

Auftraggeber
Verein Zeichen der Erinnerung e.V.

Entwurf
Anne-Christin Saß
Ole Saß

Planung Leistungsphase 1-5
Landschaft planen + bauen
Berlin

Planung Leistungsphase 6-8
Ernst_ Architekten
Stuttgart

Tragwerksplanung
Schlaich, Bergermann und Partner
Stuttgart

Beschriftung
Stankowsky + Duschek
Stuttgart

Größe
ca. 2400 m²

Bausumme
520.000 €

Fotografie
Christian Holl

Der Eingang zur Gedenkstätte.

Das Grauen war Teil des Alltags. Die Ächtung, Ermordung und Verschleppung der Juden im Deutschland des Nationalsozialismus spielte sich vor den Augen aller ab. Um diese Tatsache als Mahnung und Erinnerung wachzuhalten, bedarf es des Ortes, um die Ereignisse der Vergangenheit nicht als Abstraktion bezugslos werden zu lassen.

In Stuttgart wurden die aus ihren Häusern Vertriebenen vom Nordbahnhof nach Osten deportiert, wo sie ihr grausames Schicksal erwartete. Die Gleise lagen noch vor fünf Jahren dort, als das Industriegebiet, das sich hier entwi-ckelt hatte, zu einer Brache geworden war. Eine Stiftung initiierte das Projekt “Zeichen der Erinnerung”, das diesen Ort als Gedenkstätte erhalten sollte. Aktive Stadtbürger sorgten dafür, dass in der bald anstehenden Konversion die Geschichte nicht vergessen werden wird.
In einem Wettbewerb setzten sich die Studenten Anne-Christien und Ole Saß mit ihrem Entwurf durch. Ihr Vorschlag sah vor, das etwa 80 mal 40 Meter große Gleisfeld der Gedenkstätte lediglich durch Schotter zu ergänzen, sonst aber zu belassen und durch einen erhöhten Weg allseitig einzufassen. An drei Seiten wird dieses so markierte Feld räumlich gefasst: Durch dichte Vegetation des Bestands an der einen, durch eine lange, helle Betonwand an der anderen, die Straße begleitenden Längsseite. Die Querseite, an der die Gleise enden, erhält eine auf einer Mauer ruhende, auskragende Überdachung, die zum einen die in die Mauer eingelassenen Informationstafeln schützt, zum anderen den Blick in die Richtung lenkt, in der die Züge fuhren.

Die lange Betonwand lenkt vor der überdachten Rückwand den Blick in die Richtung, in der die Züge fuhren.

Den Verweis auf das Schicksal der von hier Deportierten wird nicht durch er-zählerische Details geleistet, sondern lediglich dadurch, dass die Linearität der Anlage betont wird. Die Aufgabe, sich das Unvorstellbare im Abwesenden zu vergegenwärtigen, wird dem Besucher überlassen, dem der Blick in die Richtung freigegeben wird, in dem die mit den Verurteilten beladenen Zügen den Nordbahnhof verließen. Ebenso wie der Ort nötig ist, um die Dimension des Verbrechens anzudeuten, sind die Namen der Verschleppten an der langen Betonwand (soweit sie recherchiert werden konnten) ein wichtige Hilfe, um einen Bezug zu den Ereignissen herzustellen.

Die dreiseitige Einfassung schafft einen Ort der Ruhe, die der Besucher braucht, um das Unvorstellbare zu vergegenwärtigen.

Im Entwurf hatten Anne-Christien und Ole Saß vorgeschlagen, durch Tafeln aus Corten-Stahl auch andere für die Deportationspolitik bedeutende Orte zu markieren, wie das Stuttgarter Finanzamt, das Landgericht, die Verwaltung im Neuen Schloss, die Gestapoentrale im ehemaligen Hotel Silber. Noch allerdings ist dieses “Netz der Orte” nicht verwirklicht worden.
Erinnerung ohne Ort sei blind, so der Vorsitzende des Vereins “Zeichen der Erinnerung”, Roland Ostertag. Die Gedenkstätte ist ein Beitrag dazu, dass die Menschen sehend bleiben.
Christian Holl

Prellböcke, Schienen, Schwellen blieben so wie, sie am Beginn des Projekts vorgefunden wurden. Lediglich das Gleisbett wurde mit Schotter aufgefüllt.
Lageplan

Gedenkstätte
“Zeichen der Erinnerung”

2006
Otto-Umfrid-Straße
Innerer Nordbahnhof
70191 Stuttgart

Auftraggeber
Verein Zeichen der Erinnerung e.V.

Entwurf
Anne-Christin Saß
Ole Saß

Planung Leistungsphase 1-5
Landschaft planen + bauen
Berlin

Planung Leistungsphase 6-8
Ernst_ Architekten
Stuttgart

Tragwerksplanung
Schlaich, Bergermann und Partner
Stuttgart

Beschriftung
Stankowsky + Duschek
Stuttgart

Größe
ca. 2400 m²

Bausumme
520.000 €

Fotografie
Christian Holl

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