Hörsaalgebäude in Zittau

Noblesse oblige

27. September 2006

Hörsaalgebäude in Zittau
2006
Campus Zittauer Ring
02763 Zittau

Auftraggeber
Freistaat Sachsen
Sächsisches Staatsministerium
der Finanzen vertreten durch
Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien-
und Baumanagement

Architektur
Tilman Bock Norbert Sachs
Architekten
Berlin

Bauleitung
Werner Mayer-Biela

Tragwerksplanung
Eisenloffel, Sattler & Partner
Berlin

Landschaftsarchitektur
Ingenieurbüro Hackenberg
Berlin

Bruttogeschossfläche
ca. 2400 m²

Baukosten
9,5 Mio. €

Fotografie
Daniel Sumesgutner

Noblesse oblige – die Studenten werden das neue Hörsaalgebäude hoffentlich zu schätzen wissen.

Zittau, der Stadt im Dreiländereck, geht es nicht gut. 25 Prozent Arbeitslosigkeit, 30 Prozent Einwohnerschwund. Im historischen Stadtkern, annähernd kreisrund mit zwei sehenswerten Marktplätzen, verfallen ganze Straßenzeilen und Häuserblocks, hier und da beginnt der kompakte Stadtkörper sich bereits aufzulösen.
Gegen diese beklemmenden Bilder stemmt sich gleich hinter dem Altstadtring der neue Campus der FH Zittau/Görlitz. Strikt axial auf den Rückeingang des alten Hauptgebäudes ausgerichtet, verteilen sich zwei Labortrakte und ein Hörsaalbau für die Studiengänge Ökologie, Umweltschutz, Bauwesen und Architektur auf der riesigen Brachfläche einer vor zehn Jahren abgerissenen Textilfabrik. (Ein drittes Laborgebäude im gleichen Duktus war geplant, fehlt bisher aber noch.)
Das kleine Ensemble besticht durch große Konzentration und Klarheit. Streng stehen sich Kuben gegenüber: die kleineren Labortrakte südlich der Wegachse, das ausladende und mit diversen Einschnitten und Raumvorsprüngen gegliederte Hörsaalgebäude nördlich davon – ein kunstvoll durchgearbeiteter Solitär in der klassischen Tradition der Weißen Moderne, der von allen Seiten andere, stets elegant und spannungsvoll komponierte Ansichten bietet. Nur das den verglasten Eingang modisch weit überkragende Obergeschoss lässt etwas vordergründig Stiltendenzen jüngerer Zeit anklingen.

Die Dachterrasse feiert die Blickbeziehungen

Doch der Ehrgeiz der Architekten erschöpft sich nicht im Flächenspiel der Fassaden. Der Hörsaalbau entpuppt sich als begehbare Plastik, die als überraschenden Luxus eine theatralisch abgestufte Dachterrasse über dem Audimax bietet. Von dort reichen Licht- und Blickführung schräg durch das zweigeschossige Foyer hinunter bis auf den Vorplatz – eine hochkomplexe Raumentfaltung, die man hinter den weißen Außenwandflächen kaum vermutet. Nur die Fluchttreppe vom Theaterdach ist leidlich überinterpretiert: Als enorm wichtiger Abgang ins Freie inszeniert, endet sie ratlos an einem beiläufig befestigten Bachufer.
Gegen das schimmernde Weiß des Lehrgebäudes stehen die Laborpavillons in gedecktem Grau. Sie sind deutlich strenger gegliedert: Zur Campusmitte hin geben große Fenster Einblick in den Seminarbetrieb, die langgestreckten Seitenfassaden zeigen arhythmisch unterteilte Fensterbänder, umrahmt von massiven Kästen für den Sonnenschutz. Einem Laborgebäude ist eine Grünskala als Leitfarbe zugeordnet, dem anderen Orange. Die jeweiligen Farben prägen dominant, ja grell die Treppenhäuser und Sanitärbereiche; dezenter getönte Vorhänge hinter den Fenstern geben den dunklen Putzfassaden einen geradezu noblen Akzent.

Der Balkon über dem Eingang zum Hörsaalgebäude.

Überhaupt ist der ganze neue Campus von Noblesse geprägt. Er strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Ursprünglich sollten die Zwischenräume zwischen den einzelnen „Modulen“ mit Glas überdacht werden. Dass es dazu nicht kam, lässt sich nur begrüßen: In ihrer fein abgewogenen Begegnung auf der viel zu großen Fläche wird die Raum ausspannende Kraft der drei Kuben zum beinahe physischen Erlebnis. Die konsequente Reduktion in allem – von den kargen Umrisslinien bis zum grafisch perfekt ausgespielten Schwarz-Weiß-Grau aller Außenansichten – schärft die Aufmerksamkeit für Maß und Proportion und lässt an das kontemplativ „gefühlte“ Design japanischer Raumkunst denken.
In dieser ausgewogenen Stimmigkeit der Ensemblefigur wie in der furiosen Feier des Solitärs lebt der Geist der Moderne nachdrücklich fort. Während nebenan die Europäische Stadt zu Fragmenten verfällt, wächst auf den Innenstadtbrachen wieder mal kontextlos freie, dabei streng konzentrierte Form. Zeitenwende?
Wolfgang Kil

Campus Zittau im Stadtkontext und Hörsaalgebäude mit Laborgebäuden als Lageplanausschnitt.
Grundrisse Hörsaalgebäude
Schnitte Hörsaalgebäude

Hörsaalgebäude in Zittau
2006
Campus Zittauer Ring
02763 Zittau

Auftraggeber
Freistaat Sachsen
Sächsisches Staatsministerium
der Finanzen vertreten durch
Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien-
und Baumanagement

Architektur
Tilman Bock Norbert Sachs
Architekten
Berlin

Bauleitung
Werner Mayer-Biela

Tragwerksplanung
Eisenloffel, Sattler & Partner
Berlin

Landschaftsarchitektur
Ingenieurbüro Hackenberg
Berlin

Bruttogeschossfläche
ca. 2400 m²

Baukosten
9,5 Mio. €

Fotografie
Daniel Sumesgutner

Vorgestelltes Projekt

DGJ Paysages

Le Pardon de la Nature

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