Neues Mercedes-Benz Museum, Stuttgart
Neues Sternbild: Doppelhelix
26. Juni 2006
Keine Fassade, die sich nur aus der Addition von Ansichten abbilden ließe: Nur in der Bewegung lässt sie sich erfassen.
Das Museum nimmt Formen und Maßstab der Umgebung auf. Im Hintergrund ist die Dachkonstruktion des Stadions zu sehen.
Dabei ist das Äußere kein Abbild des Innern, sondern eine Chiffre für seine innere Komplexität, seine ineinander verschlungenen Ebenen, die die Struktur des Innern definieren. Die Ausstellungsebenen winden sich schraubenförmig um das Atrium, das Zentrum des Hauses. Die beeindruckende Konstruktion aus Sichtbeton mit gekrümmten und geneigten Ebenen verdichtet sich hier zu einem intensiven Raumerlebnis. Von hier aus fährt man mit dem Aufzug hinauf, dorthin wo die Ausstellung beginnt.
Das räumliche Prinzip der Doppelhelix transformiert raffiniert die bereits vor dem Architekturwettbewerb vom Büro HG Merz formulierte Ausstellungskonzeption. Zwei Routen bieten dem Besucher zwei Optionen: Er kann den Weg durch die fünf Räume der »Collectionen« wählen oder er hat die Möglichkeit, durch die chronologisch geordneten sieben Räume gehen, die unter dem Begriff des “Mythos” stehen. Die Wahl ist nie endgültig. Auf fast jeder Ausstellungsebene hat der Besucher die Möglichkeit, vom einen Ausstellungsparcours in den anderen zu wechseln.
Das Atrium, das Zentrum des Hauses.
In den Räumen der “Collectionen” sind die Exponate eher deponiert als inszeniert. Anders in den Räumen der “Mythen”: auf Podesten im Zentrum der Räume stehen die ausgewählten Exponate, die man, auf einer Rampe abwärts schreitend, umkreist, bevor man an sie herantreten kann. Sie sind durch die Ausstellungsgestaltung als Ausdruck ihrer Zeit interpretiert, aber auch als Objekte verstanden, die die Zeit geprägt haben – erst aus dieser Wechselbeziehung erwächst ja der Mythos.
In den Mythosräumen wird der Blick nach außen verwehrt, doch stellt sich über das offene Atrium die Verbindung der Räume untereinander her – sie sind die Räume der Imagination. Umgekehrt ist es in den Räumen der “Collectionen”, hier ist der Blick nach außen möglich, unter anderem auf die sechsspurige Bundesstraße. Die Verortung in der Gegenwart macht die Geschichte, das Archiv zur Voraussetzung für die neue Entwicklung: Die alten “Helfer” stehen im Museum, die neuen sind im Einsatz. Die Straße, die Stadt, zuvor der eigentliche und natürliche Ausstellungsort des Automobils, wird nun als Exponat ins Museum geholt.
Die Figur der Doppelspirale ist bei alldem mehr als eine raffinierte Idee, Kontinuität erfahrbar zu illustrieren, ist mehr als Raumfigur, die die Bewegung um die zur Ruhe gekommenen Exponate erzeugt. Sie ist Bild für die Fortsetzung dessen, was sich hier präsentiert. Die Doppelhelix ist eine prinzipiell weiter zu denkende Figur, ihr Anfang und ihr Ende sind willkürlich. Die erfolgreiche Geschichte der Marke, so die Botschaft, wird sich fortsetzen.
Christian Holl
Einer der Mythosräume, hier die “Wunderjahre” der Nachkriegszeit. Im Hintergrund ist ein Panorama italienischer Autobahnbrücken von Walter Niedermayr zu sehen.
Lageplan des Gesamtkomplexes der “Mercedes-Benz Welt”. In die auf einem Plateau angelegte künstliche Landschaft ist ein mit dem Museum verbundenes Freiraum-Auditorium eingeschnitten.
Grundriss mit zwei Mythosräumen und einem für die “Collectionen”. Die in der Höhe ge-geneinander versetzten Ebenen sind durch Rampen miteinander verbunden.
Schnitt
Neues Mercedes-Benz
Museum
2006
Mercedesstraße 100
70372 Stuttgart
Auftraggeber
DaimlerChrysler
Immobilien GmbH
Architektur
UN Studio
Amsterdam
Tragwerksplanung
Werner Sobek Engineering & Design
Stuttgart
Energieplanung
Transsolar
Stuttgart
Geometrie
Arnold Walz
Stuttgart
Bauleitung
UN Studio
Wenzel + Wenzel
Karlsruhe
Ausstellungsgestaltung
hg merz architekten museumsgestalter
Stuttgart/Berlin
Prof. HG Merz
mit Christine Kappei
und Markus Betz
Wissenschaftliche Beratung
Prof. Dr. Gottfried Korff
Prof. Dr. Dr. Franz Josef Brüggemeier
Dr. Ulrich Raulff
Dr. Anke Te Heesen
Dr. Martina Eberspächer
Dr. Claudia Haas
Mike Friedrich
Medien
hg merz
mit iart interactive ag
Basel
Visuelle Kommunikation
hg merz
mit L2M3 Kommunikations-design GmbH
Leitsystem
hg merz
mit Fons Hickmann m23 GmbH
Landschaftsarchitektur
Knoll Ökoplan GmbH
Sindelfingen
Grundfläche
4.800 m²
Ausstellungsfläche
16.500 m²
Fotografie
Brigida González