Mit neuem Anspruch gefüllt

Eine enge Baulücke, in der eine neue Bebauung schwierig zu belichten sein würde - trotz der guten Lage, in der Nähe von Binnenalster und Jungfernstieg, blieb das 190 Quadratmeter große Grundstück in der Einkaufsstraße Große Bleichen jahrelang unbebaut. André Poitiers hat nun die Lücke gefüllt und damit der Straße zu einem neuen Highlight verholfen. Dass der neungeschossige Neubau seine Nachbarbebauung überragt, ist dafür nicht in erster Linie verantwortlich, sondern eher Ausdruck des Selbstbewusstseins, hier ein neues Zeichen gesetzt zu haben.

Ein begründetes Selbstbewusstsein: André Poitiers hat es geschafft, Nobless und Eleganz mit moderner Architektursprache, Nutzungsansprüche und Repräsentationsfunktionen zu einem Juwel zu kombinieren. Der Versprung in der Baufluchtlinie nutzt Poitiers, um an der rechten Gebäudeseite über den Versatz der Nachbarbebauung hinaus mit einem etwa drei Meter tiefen Einschnitt die Fassadenfläche zu vergrößern. In den Obergeschossen wird durch diesen eingezogenen Schnitt der Blick zur Binnenalster inszeniert.

Eingefasst in einen weißen Rahmen, gelangt so über die vollflächig verglaste Fassade, die mit einer eleganten Rundung um die Kurve geführt wird, genug Licht ins Innere der 6,10 Meter tiefen Räume; nebenbei wird damit auch die Schaufensterfläche vergößert und der Eingang zum zweigeschossigen Laden von dem zu den Büroräumen abgesetzt. Um die Lichtsituation auch in den hinteren Zonen befriedigend zu gestalten, ist im Bereich der Rückfront ein schmaler, mit Naturstein bekleideter Lichthof entstanden, der die Nutzung der Büroflächen über die gesamte Gebäudetiefe zulässt.

Der Neubau setzt die horizontalen Linien der Nachbarbebauung fort und übernimmt so deren Geschosshöhen; im Erdgeschoss beläuft sie sich auf 4,25 Meter, in den Büroräumen auf 2,95 Meter. Im Fassadenzwischenraum zwischen der innenliegenden Isolierverglasung und der äußeren Einscheibenverglasung befinden sich individuell zu steuernde Lamellen, die das Fassadenbild des fein detaillierten Gebäudes beleben. André Poitiers zeigt, dass auch in der historische gewachsenen Stadtstruktur eine zeitgemäße Architektursprache ihren Platz beanspruchen darf, um damit auszudrücken, dass es der Stadt gut tut, wenn sie sich durch Gebäude erneuert und weiterentwickelt.
Christian Holl