Lichtblick in zweiter Reihe

Wer bei Google Earth, Stand Anfang Mai 2008, den Friedensplatz in Darmstadt ansteuert, wirft einen Blick in die Vergangenheit: Der aufdringliche Koloss des Kongresszentrums mit dem etwas peinlichen Namen Darmstadtium existiert noch nicht, der ausladende Balkon vor dem Gebäude der Universität Darmstadt am Karolinenplatz existiert noch, das in zweiter Reihe gelegenen Gelände zwischen Staatsbauamt, Friedensplatz und Luisenplatz nimmt ein Parkplatz ein. Heute sieht das alles anders aus: Das Kongresszentrum schreit nach Aufmerksamkeit, der Balkon ist abgerissen, ohne dass man sich die Mühe gemacht hätte, über eine Umgestaltung nachzudenken, die respektvoll mit diesem Erbe der Nachkriegsmoderne umgeht. Ein architektonisch belangloses Kongresshotel wird dort bald eröffnet werden.

Lichtblick aber ist das neue, aus zwei Baukörpern bestehende Ensemble, das inzwischen über dem Parkplatz zwischen Staatsbauamt und Waschhaus errichtet wurde. Dieser Parkplatz hatte in der prominenten Lage zwischen Schloss, Hessischem Landesmuseum und Luisenplatz wahrlich keine angemessene Nutzung mehr dargestellt. Nach dem gescheiterten Versuch, das in einem Bau der 1970er Jahre untergebrachte Möbelhaus “Funktion” zu erweitern, wurde umdisponiert: Mit zwei Neubauten am Paliparkplatz entstand eine der Lage angemessene Innenstadtbebauung.

Dabei wurden mit beiden Baukörpern die bestehenden Gebäudefluchten so aufgenommen, dass ein offener Block entstand. Über eine schmale Passage werden Friedensplatz und Luisenplatz neu verbunden. Der umgestaltete Paliparkplatz wurde als Scharnier zwischen Luisenplatz und dem derzeit sich um Umbau befindlichen Hessischen Landesmuseum interpretiert.
Beide Baukörper haben eine Stahlbetonskelettkonstruktion, sind mit edlem, dunklem Naturstein verkleidet, in beiden wurde das dritte Obergeschoss zurückgenommen, so dass Dachterrassen entstanden sind. Während das Bürogebäude mit der Fassade aus gegeneinander versetzten, hochformatigen Fenstern das Thema Lochfassade soweit ausreizt, dass die Steinbekleidung auch als solche erkennbar wird und keine massive Wand vortäuscht, gibt sich das einen Möbelhaus transparenter: An eine zum Hof orientierte Wand mit Nebenräumen und einer davor angelegten Kaskadentreppe lehnt sich sich ein offener Glasquader, gerahmt von breiten Bändern in Höhe der Geschossdecken. Der Blick fällt in die Verkaufs- und Ausstellungsräume des Erdgeschosses, in den Obergeschossen sind neben weiteren Verkaufs- und Ausstellungsflächen Büros untergebracht. Mit diesen beiden Neubauten wurde aus einem Hinterhof ein in die Stadt integrierter Raum geschaffen, der das Umfeld aufwertet – ein Lichtblick in zweiter Reihe.
Christian Holl