Umbau des ehemaligen Staatsrats zur Managerschule, Berlin

Ironie der Geschichte

26. Juni 2006

Umbau des ehemaligen
Staatsrats zur
Managerschule
2006

Schlossplatz 1
10178 Berlin

Auftraggeber
Grundstückgesellschaft Schlossplatz 1
mbH & Co. KG
Berlin

Architektur
HG Merz Architekten Museumsgestalter
Berlin

Tragwerksplanung
CRP Cziesielski,
Ruhnau + Partner
Berlin

Haustechnik
Zibell Willner & Partner
Berlin

Bruttogeschossfläche
18.700 m²

Baukosten
35 Mio. €

Fotografie
Ursula Baus

Noch steht links vom Staatsrat der inzwischen vielfach geschätzte Palast der Republik, der seit kurzem aber demontiert wird.

Der Schlossplatz 1 in Berlin darf als eine der feinsten deutschen Adressen gelten. Hier residierte bis 1989 die DDR-Führung, und vor Kurzem zog die European School of Management und Technology – ein bizzarrer Nutzerwechsel, den das Haus substanziell und dank dem Stuttgarter Architekten HG Merz bestens verkraftete. Die Vorgeschichte mutet noch heute sehr befremdlich an: Nach der Wende fanden in dem ehemaligen Staatsratsgebäude der DDR zunächst Kanzler Schröder und Abteilungen des Bundesnachrichtendienstes provisorischen Platz. Für einen lausigen, symbolischen Euro verscherbelte der Bund den substanziell sehr guten Bau in Erbpacht jedoch an eine Ausbildungs-GmbH der deutschen Wirtschaft, die lediglich zum denkmalgerechten Umbau verpflichtet wurde – ein Schnäppchen für die Not leidende Wirtschaftselite. Im etwa 140 Meter langen Staatsratsgebäude baute Roland Korn 1963 jenes Portal des Berliner Schlosses wieder auf, von dem aus Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht 1918 die Republik ausgerufen hatten. Mit asymmetrisch ergänzter Fassade gelang es Korn, sehr schön proportionierte, repräsentative Räume in einem langen, nur 27,5 Meter hohen Baukörper unterzubringen. Die gesamte Inneneinrichtung war von hoher Qualität und entsprach dem Zeitgeist überaus schlüssig. Von all dem konnte man sich überzeugen, denn als Schröder ins Kanzleramt zog, stand das Haus jedermann offen, und es wurde vielfältig genutzt – zum Beispiel für die Berliner Architekturquartette. Schade ist schon, dass für den geschichtsträchtigen Ort keine öffentliche Nutzung gefunden werden wollte.

Kantine? Restaurant? Hier essen nur die Studenten.

HG Merz, der in nahezu allen seinen Projekten bewiesen hatte, wie weit ein traditionelles "Architektenego" beim Umbau guter Architektur hintan gestellt werden kann, bekam nun auch den Auftrag für den Staatsratsumbau – eine segensreiche Entscheidung. Denn auch hier veränderte er so wenig wie möglich, suchte beim Renovieren intensiv nach Materialien und handwerklichem Können, die zum einstigen Staatsratsgebäude passten. Empfang, Hörsaalausstattung, Teeküchen und Computerarbeitsplätze sind wie Möbel in die vorhandenen Räume gestellt, schaffen Zonen und funktionsgerechte Nischen. Alt und Neu lässt Merz nicht konfrontativ aufeinander prallen, sondern friedlich einander die Hand reichen. Die neuen Arbeitsräume der Management-Studenten sind schlicht und cool eingerichtet, die neue Kantine links vom Erdgeschoss geriet klar und einfach – brillant hat es das Büro Merz verstanden, Aura und Atmosphäre der sechziger Jahre des Sozialismus zu konservieren und die Management-Schule wie selbstverständlich zu integrieren. Im zweiten Obergeschoss treten die funktionalen Zwänge allerdings deutlich in Erscheinung: Den großen Festsaal galt es in zwei Hörsäle zu teilen; eine Glaswand zwischen beiden lässt zwar die ursprüngliche Dimension des Saals erkennbar bleiben, doch das Deckenornament ist für die Gesamtgröße geschaffen und wirkt auf der halben Fläche allzu grob. Nun ist das Haus zwar in privaten Händen, aber einen Blick in Foyer, Treppenhaus und auf die sozialistischen Glasmalereien kann man durchaus werfen; links vom Foyer geht es nämlich in eine kleine öffentliche Buchhandlung und in ein Café. HG Merz werden dieser Tage manche Ehren zuteil: Er wurde eben mit dem Balthasar-Neumann-Preis für die Gedenkstätte der Station Z in Sachsenhausen ausgezeichnet und erhielt außerdem den Kritikerpreis des BDA. Hier betritt ein neuer Architektentypus die Bühne, der Weiterbauen mit einer einzigartigen Bereitschaft betreibt, sich auf Vorhandenes einzulassen und Kraft daraus zu schöpfen.
Ursula Baus

Früher Honeckers Büro, jetzt Lounge des Managementnachwuchses: Das "Möbel" bietet Platz für einen großen Bildschirm und rückwärtig eine Küchenzeile.
Im östlichen Teil des einstigen Staatsrats entstanden neue, hohe Seminarräume, die atmosphärisch leicht an die unveränderten Räume angepasst sind.
Lageplan
Grundriss Erdgeschoss
Schnitt

Umbau des ehemaligen
Staatsrats zur
Managerschule
2006

Schlossplatz 1
10178 Berlin

Auftraggeber
Grundstückgesellschaft Schlossplatz 1
mbH & Co. KG
Berlin

Architektur
HG Merz Architekten Museumsgestalter
Berlin

Tragwerksplanung
CRP Cziesielski,
Ruhnau + Partner
Berlin

Haustechnik
Zibell Willner & Partner
Berlin

Bruttogeschossfläche
18.700 m²

Baukosten
35 Mio. €

Fotografie
Ursula Baus

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