Dokumentationshaus zur Gedenkstätte in Hinzert
Information und Gedenken
26. Juni 2006
Die ungewohnte, eindrucksvolle Gebäudeform weckt auf intelligente Weise eine vorsichtige Neugier.
Je länger die Schrecken des Nationalsozialismus zurück liegen, desto wichtiger wird es, den nächsten Generationen diese Vergangenheit neu zu erschließen – die Orte des Verbrechens bieten immer wieder gute Möglichkeiten. Im Hunsrück, einem kleinem Gebirgszug im Südwesten Deutschlands, etwa auf der Höhe Luxemburgs, sind in dem kleinen Ort Hinzert über dreizehntausend Menschen von ihren nationalsozialistischen Mitmenschen gequält und ermordet worden. Interniert waren politische Gefangene, vorwiegend aus Luxemburg, mindestens 321 sind ermordet worden. Eine kleine Gedenkstätte mit Kapelle, Gedenktafeln und einen Friedhof gab es zwar, aber jegliche Information fehlte am Ort des SS-Sonderlagers, das mitten in idyllischer Landschaft lag und von dem heute überhaupt nichts mehr zu sehen ist.
Wie entwirft man eine Mischung aus Gedenkstätte und Ausstellungshaus sechs Jahrzehnte nach den Verbrechen? Intuitiv? Vernünftig? Die Saarbrücker Architekten Wandel Hoefer Lorch + Hirsch gewannen 2003 den Wettbewerb mit einem unkonventionellen, skulpturalen Entwurf, der Intuition und rationale Entwicklungsstrategien nahtlos vereint. Wie ein geschundenes Reptil erhebt sich der rund 43 Meter lange, von knapp zwei bis rund sieben Meter Höhe wachsende Baukörper aus dem flachen Hang. Über dreitausend unterschiedliche, dreieckige, 12 mm dicke Cortenstahlplatten bilden Tragwerk, Dach und Fassade zugleich.
Die Faltwerkhülle aus Cortenstahl bildet Fassade und Tragwerk zugleich.
Diese braunrote Hülle umgibt einen langen Ausstellungsraum, einen Gruppenraum und ein Büro, die man dank interner Durchblicke wie eine Raumeinheit empfindet. Die innere Hülle besteht aus dreieckigen Birkensperrholzplatten, auf die mit einem Tintenstrahldruckverfahren Fotografien und Texte aufgedruckt sind – eine Art zeitgenössische Form des Freskos. Das hölzerne Innenleben der Gedenkstätte von der Stahlplattenkonstruktion thermisch zu trennen und die Dreiecksfenster sowohl außenbündig als auch beweglich und rahmenlos auszubilden, barg bautechnische Pionierarbeit. Die verglaste Stirnseite des Ausstellungsraums weist in Richtung des einstigen Sonderlagers. Schaut man von innen hinaus, dann vermittelt eine großflächig auf das Glas aufgedruckte Fotografie einen Eindruck von der Dimension des Lagers, dessen verwertbare Reste 1945 von der französischen Militärregierung verkauft wurden; das Lagergelände hatten die Franzosen den enteigneten Eigentümern für landwirtschaftliche Nutzung zurück gegeben.
Für Gedenken und Information haben Wandel Hoefer Lorch + Hirsch eine gänzlich unspektakuläre, verstörende Form gefunden – und diese technisch anspruchsvoll auch in ein vorzüglich funktionierendes Bauwerk umgesetzt.
Ursula Baus
Die Information werden unaufdringlich präsentiert.
Der Blick auf die rückwärtige Längsseite gibt die leichte Hangsituation gut zu erkennen.
Isometrie
Grundriss
Dokumentationshaus zur Gedenkstätte in Hinzert
2006
An der Gedenkstätte
54421 Hinzert
Öffnungszeiten
Di-Fr 9-13 und 14-17 Uhr
Auftraggeber
Land Rheinland-Pfalz
Landeszentrale für
Politische Bildung
Architektur
Wandel Hoefer Lorch +
Hirsch
Saarbrücken
Tragwerksplanung
Schweitzer Ingenieure
Saabrücken
Landschaftsarchitektur
Bielefeld Gillich Heckel
Trier
Baukosten
2,5 Mio. €
Fläche
370,5 m²
Fotografie
Wilfried Dechau