Im Gefüge der Stadt

Man kennt sie seit langem als Spezialisten für kompakte Wohnformen und für Grundrisse, mit denen es gelingt, auch anspruchsvolle Erwartungen an zeitgemäßes Wohnen in erstaunlicher Dichte zu organisieren. Und doch ist man stets aufs Neue verblüfft angesichts der Raffinesse, mit denen die Meister von Atelier 5 es schaffen, ihren Ruf zu bestätigen. Diesmal in Mainz. Die stadtnahe Wohnbau Mainz ist eine der wenigen kommunalen Wohnbaugesellschaften, die die Arbeit mit guten Architekten als Herausforderung und Bereicherung sehen und sich dadurch gezielt die Möglichkeiten schaffen, ihr Angebot um außergewöhnliche Projekte zu erweitern.

Die Zusammenarbeit mit Atelier 5 kam über ein Gutachterverfahren zustande, in dem sich die Schweizer 2001 durchsetzten. Es galt, auf einem 5500 Quadratmeter großen Grundstück eine Nutzfläche von etwa 14000 Quadratmetern zu erschließen. Die Lage auf einer Hochterrasse über der Innenstadt von Mainz zählt zu den privilegierten der Stadt. Und trotzdem stand der Ort und nicht das Privileg im Vordergrund: Es sollte ein Stück Stadt entstehen, der Neubau sollte sich ins Gefüge der Umgebung einpassen. Das ist nicht nur dadurch gelungen, dass Gebäudeteile einer aufgelassenen Brauerei in den Neubau integriert werden konnten, sondern vor allem dadurch, dass die Struktur der Stadt aufgenommen wurde – mit einem kleinen Platz an der nordwestlichen Blockecke, einer um drei Innenhöfe rasterartig angelegten Bebauung, die sich wie selbstverständlich mit der des anderen Blockhälfte zu einem Ganzen fügt.

Waren anfangs noch ein Hotel, dann Wohnen mit einem wesentlichen Anteil Gewerbe vorgesehen, so ist nun eine reine Wohnbebauung daraus geworden. Es gehört zu den Stärken des Entwurfs, dass diese Änderungen ohne knirschende Kompromisse vollzogen werden konnten. Alters-, Geschoss und Maisonettewohnungen, insgesamt 94, werden miteinander in unterschiedlich hohen Baukörpern kombiniert; manche der Wohnungen sind so gestaltet, dass aus einer zwei gemacht werden können. Sie werden zu einem großen Teil von den Gemeinschaftsräumen direkt erschlossen, um der zufälligen Begegnung Raum zu gewähren, aber auch das nachbarschaftliche Element der sozialen Kontrolle zu aktivieren. Überhaupt ist neben der Individualität der Wohnungen auf das Miteinanderwohnen wert gelegt. Um die Innenhöfe sind Arkadengänge angelegt, die Dachterrasse Blick über die Stadt ist allen Bewohnern zugänglich.
Zur gewohnt sachlichen und geradlinigen Architektur von Atelier 5 gehört hier der Fassadenraster mit schmalen Elementen schiefergrauen Betons und großflächigen Verglasungen, die ihrerseits durch in transparente und transluzente Elemente differenziert sind. Aufdringliche Formensprache hätte diese Dichte zum Problem gemacht. So ist die Dichte ein Gewinn.
Christian Holl