Erweiterung Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe
Für jedes Bürgers Recht
12. Februar 2008
Offenheit zum Botanischen Garten, der sich mit der Pergola in die Vertikale wendet.
Es gibt nur noch wenige Gebäude, die in so gepflegter, beeindruckender und überzeugender Weise das demokratische Selbstverständnis der jungen Bundesrepublik spüren und erkennen lassen wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. 1965-69 von Paul Baumgarten als Ensemble lichtdurchfluteter, mit Brücken verbundener Einzelbaukörper gebaut, dient es den höchsten deutschen Richtern bis zum heutigen Tag als Arbeitsplatz, der sich in jeder Hinsicht den Bürgern öffnet. Es beeindruckt in hohem Maße, wie Baumgarten jede einschüchternde architektonische Geste vermied und durch eine räumlich einzigartige Eleganz ausglich. Es beeindruckt aber auch, wie sich das Bundesverfassungsgericht als „Nutzer“ um die Qualität dieser Architektur kümmert.
Als nach 1989 die zu verhandelnden Fälle beim BVG sprunghaft anstiegen, wurde es allerdings eng zwischen Schlossplatz und Botanischem Garten, weil eine Erweiterung des Gerichts sein musste. Den Baumgarten-Bau aufzustocken oder „nachzuverdichten“, wurde seinem inzwischen denkmalgeschützten Rang nicht gerecht. Ohnehin muss man anerkennen, wie das Gebäude inklusive beispielsweise der Einrichtung des Sitzungssaales – bis heute stehen hier die originalen Möbel von 1969 – gehütet wurde.
Die Struktur des Bestehenden wird unprätentiös fortgeschrieben.
Im Wettbewerb wurde ein Stück des Botanischen Gartens als Erweiterungsort vorgesehen, was in Karlsruhe zunächst für Aufregung sorgte. Schaut man sich heute an, wie wenig Grundfläche der immerhin vierzig Büros bergende Erweiterungsbau beansprucht, wirkt die Aufregung rückblickend auf jeden Fall übertrieben.
Die Architekten schrieben Paul Baumgartens Konzeption in einer strukturell angepassten Form fort und schafften es, drei Geschosse nicht wesentlich oberhalb des benachbarten anderthalbgeschossigen Traktes enden zu lassen – dank einer leichten Absenkung des Erdgeschosses. Die Brücke als Verbindung zum Bestand setzt die Erschließungsidee Baumgartens über einem Steingarten passgenau fort und trifft im Neubau auf das Halbgeschossniveau der Treppe.
Der Erweiterungstrakt ist ein Stahlbetonskelettbau mit vorgesetzter Aluminiumfassade, in geschlossene Flächen ist mattiertes, emailliertes Glas eingesetzt. In dem Zweispänner sind die 16 Quadratmeter großen Büros der wissenschaftlichen Mitarbeiter zum Steingartenhof und zum Botanischen Garten hin ausgerichtet, wo eine Pergola mit großen Pflanztrögen den Garten quasi in die Vertikale zieht.
Bürgernähe: Blick in die neuen Büros der wissenschaftlichen Mitarbeiter.
Die transparente Offenheit des Bundesverfassungsgerichtes wird beibehalten – vom Botanischen Garten aus kann jeder beschaulich zusehen, wie gewissenhaft die Juristen die Gesetzesbücher wälzen. Der Neubau ergänzt das Ensemble in unspektakulärer, überaus angemessener Weise. Nun steht eine weitere Herausforderung an: Die noch immer einfachverglasten Bauten Baumgartens müssen nach fast vier Jahrzehnten energetisch auf den Stand der Technik gebracht werden – die Glastindustrie muss zeigen, was sie kann.
Ursula Baus
Lageplan
Grundriss
Schnitt
Axonometrie
Erweiterung des Bundesverfassungsgerichts
2008
Schlossbezirk 3
76131 Karlsruhe
Auftraggeber
Bundesverfassungsgericht
Karlsruhe
Architektur
Schrölkamp Architektur
Berlin
Bauleitung
Staatliches Hochbauamt Baden-Baden
Karlsruhe
Tragwerksplanung
Ingenieurgruppe Bauen
Karlsruhe
Haustechnik
FC Ingenieure
Ettlingen
BGF
1576 qm
Baukosten
2.900.000,- Euro brutto
(Kostengruppen 200-400)
Gesamtbaukosten
3.400.000,- Euro brutto
Fotografie
Ursula Baus