Der fünfte Stil

Es ist ein Haus, das für andere Häuser wirbt. In der »Hausschneiderei« in Erkheim im Allgäu wird der Interessent an einem Fertighaus der Firma Baufritz anschaulich beraten und informiert: über mögliche Farb- und Materialzusammenstellungen, über ökologisch sinnvolle Heiztechniken, über die Auswahl an Türen und deren Klinken. Doch Baufritz hat es sich nicht leicht gemacht, hier wurde nicht einfach ein permanenter Messestand errichtet. In einer Mischung aus Musterschau und Beratungsort wurden vier prototypsiche Stilwelten entwickelt, die als ein stimmiges Ensemble den Kunden in vier Varianten die Chance geben, sich darüber klar zu werden, was sie eigentlich suchen – selbstverständlich aufgebaut auf gründlicher Marktforschung und genauer Analyse. Das hilft auch dem Berater dabei, leichter und schneller zu verstehen, in welche Richtung die Wünsche des Kunden gehen. Dies ist die eine Besonderheit. Sie liefert anschauliches Material darüber, wie sich Klassendistinktionen im Bourdieuschen Sinne manifestieren können.

Die andere Besonderheit ist das Haus, das man gebaut hat, damit es die gebauten Bilder dieser vier Typenwelten aufnehmen kann. Ein flacher Schlitten aus Holz, sichtbar von der Autobahn, mit der Wahrnehmung der Geschwindigkeit spielend. Die in zwei Ebenen aufgebaute Fassade der Längsseiten besteht aus einer Konstruktion aus senkrechten Brettern vor Rauten bildenden, sich kreuzenden Latten. Der auf die senkrechten Latten aufgebrachte Name der Firma wird durch Interferenzen in der Bewegung aus bestimmten Entfernungen und Winkeln wahrnehmbar, um dann wieder zu verschwinden. Vier gerahmte Einblicke an der der Autobahn zugewandten Querseite zeigen wie Bilder dem Autofahrer die vier Stilwelten.
Den Ansprüchen des Herstellers seinen eigenen Produkten gegenüber ist auch dieses Haus verpflichtet. Die Konstruktion ist ganz aus Holz, versehen mit dampfdiffusionsoffener Holzschnitzeldämmung; dem Anspruch an ökologischer bewusstem Bauen wird auch in der Wahl anderer Materialien ebenso wie in der Haustechnik Rechnung getragen. Der Energiebedarf deckt sich fast vollständig aus regenerativen Quellen.

In einer einladenden Großzügigkeit wird der Besucher als Gast willkommen geheißen, kann einen Kaffee zu sich nehmen, in einem Parcours der Sinne sich auf sinnliche Qualitäten des Baustoffs Holz konzentrieren. Der Grundriss ist aus dem Konstruktionsraster von 9 x 4,50 Meter entwickelt, fünf Höfe, gestaltet nach asiatischen Vorbildern, sorgen für Licht und Abwechslung. Dies alles wurde in einer eleganten Zurückhaltung gestaltet, Beratungs-, Ausstellungs- und Erholungsräume, Cafeteria, Foyer und Nebenräume sind sinnvoll zueinander geordnet, so dass man sich nicht wundern sollte, wenn einer der Kunden sich nicht für eine der vier vorgeschlagenen Richtungen entschiede, sondern sich ein Haus nach dem Vorbild des Ausstellungshauses errichten lassen wollte. Und tatsächlich, auf Nachfrage vor Ort wird berichtet, dass es eine derartige Anfrage schon gegeben habe...
Christian Holl