Das neue Ganze

Bei dem Umbau dieses einfachen, kubischen Ziegelhauses am Rand der Heilbronner Innenstadt von 1929 ging es nicht nur darum, neue technische Standards einzuführen. Wegen der bevorzugten Lage mit unverbaubaren Blicken auf Stadt und Weinberge sollten auch Räume entstehen, in denen diese Qualität uneingeschränkt genossen werden kann. Dazu trat der Wunsch, den Wohnraum im Innern als eine Einheit über die Geschosse hinweg zu gestalten, aus der Schichtung vertikaler Ebenen einen erlebbaren Gesamtraum zu schaffen, ohne auf Rückzugsräume zu verzichten.

Die Architekten haben das Gebäude um ein neues Treppenhaus, einen verglasten Eingangsbereich und zwei neue Terrassen ergänzt, das Dachgeschoss umgebaut, über Lufträume (unter anderem dort, wo früher die Treppe lag) die Geschosse miteinander verbunden, Erschließungszonen zu frei interpretierbaren und flexibel nutzbaren Wohnbereichen erweitert. Der Altbau wurde mit einem Wärmedämmverbundsystem ertüchtigt, seine Oberfläche durch einen hochwertigen Außenputz veredelt. Der Neubau aus Stahlbeton ist von vier Millimeter starken Aluminiumverbundplatten mit Kunststoffkern bekleidet, deren Oberfläche mit einer grauen Einbrennlackierung versehen wurde. Dieser Neubau scheint sich um das Alte wie um einen massiven Kern zu winden, es einzufassen und in es hinein zu greifen. Mit der Fassade aus mattgrauem Aluminium bildet sich die neue innere Raumkonzeption außen ab, wird sichtbar, wie sich Neues und Altes zueinander verhalten.

Die Fassade ist aber auch ihrer Präzision wegen eines genaueren Blickes würdig. Das Fugenbild zwischen den einzelnen, individuell zugesägten Aluminiumplatten wurde sorgfältig kalkuliert, es unterstreicht die Dynamik der Form; durch seitliche Abkantungen über einer Fräsnut konnten die Platten um die Ecken geführt und Anschlüsse zur benachbarten Platte präzise gesetzt werden. Eine Schattenfuge an den Anschlussstellen zum Altbau verdeutlicht den Übergang zwischen Alt und Neu, so dass die einzelnen Bauteile ablesbar bleiben, und sich trotzdem zu einem neuen Ganzen fügen.
Christian Holl