Bauen als Branding

Probesitzen in einem Möbelhaus ist nichts Ungewöhnliches. Probebaden in einem Sanitärgeschäft dagegen schon. Wer eine Badewanne kaufen möchte, hatte bisher keine Möglichkeit, vorher zu testen, ob sie bequem ist. Aus diesem Grund entschloss sich der Hersteller Kaldewei, an seinem Stammsitz in Ahlen ein „Kompetenz Center“ zu errichten, in dem Besucher die Wannen auf Herz und Nieren prüfen können. Wer einen Termin zum Baden vereinbart hat, begibt sich in eine der Umkleidekabinen, in denen man Frotteemantel, -pantoffeln und -handtuch vorfindet. Mit dieser Ausstattung geht es dann in die Badekabinen, in denen jeweils eine andere Wanne mit anderem Whirlsystem eingebaut ist. Wer die Wannen nicht selbst testen möchte, kann sich in einer Ausstellung informieren. Schließlich gibt es noch einen Seminarbereich und eine Werkstatt für die Schulung von Handwerkern und Händlern.

Dieses Raumprogramm verpackten Bolles und Wilson in eine Hülle aus – Emaille. Ursprünglich hatten sie geplant, eine Fassade aus Badewannen zu konstruieren, doch aus dieser modernen Variante einer „architecture parlante“ wurde nichts, da sie dem Bauherrn zu technisch erschien. Stattdessen trägt der Bau nun eine Verkleidung aus langen emaillierten Blechstreifen, die eher indirekt auf das Produkt des Unternehmens, emaillierte Wannen, verweisen. Die unterschiedlichen Farben der horizontalen Fassadenstreifen sind der Farbpalette des Katalogs entnommen.
Betritt der Besucher den Bau, so steht er unvermittelt in einer Eingangshalle, die über drei Geschosse reicht. Sie ist fast komplett mit Eichenholz ausgekleidet – als Parkett in den oberen Stockwerken und als Paneel an Wand und Decke. Die Architekten komponierten jeweils Holzpaneele unterschiedlicher Größe und unterschiedlicher Maserungsrichtung zu einer Fläche und spielten mit den Fugen, die ein grafisches Muster ergeben und auch einmal besonders breit werden dürfen, um Lüftungsschlitze oder Beleuchtungskörper, die andernorts häufig den Raumeindruck stören, intelligent in die Komposition zu integrieren. Die Dominanz des Materials Holz, die geeignet ist, Assoziationen an eine Saunalandschaft zu wecken, bereitet den Besucher dezent auf die Badewelt vor.
Mit dem Bau des Kompetenz-Centers haben Bolles und Wilson ein kleines Kunststück vollbracht: Das Gebäude ist durchaus gebaute Werbung, es enthält Elemente, die Corporate Identity oder Markenwerte widerspiegeln; aber darüber ging der architektonische Anspruch nicht verloren. Die Markenkommunikation zeigt sich nicht aufdringlich, etwa in Form applizierter Plakate oder einer überdimensionalen Leuchtschrift auf dem Dach, sondern (bau)künstlerisch verfeinert und als integraler Bestandteil der Architektur.
Christian Schönwetter