Ich schwöre bei meiner Seele, diese Architektur ist realisierbar

Thomas Geuder
26. November 2014
Palazzetto dello Sport in Rom (Foto: Hans-Christian Schink)

Immer wieder stechen aus der Masse der errichteten Bauten einige wenige hervor, deren architektonische Gestalt vor allem durch eine außergewöhnlich Form des Dachs gekennzeichnet und charakterisiert ist. Ob nun die imposanten gotischen Kathedralen, die die Nähe zum Himmlischen suchten, die mächtigen Kuppeln des Baock, die die Macht und den Einfluss ihrer Erbauer demonstrieren oder die expressiven Dachformen jüngerer Architektur, hauchdünne Schalen oder leichte Membran-Konstruktionen: Sie alle sind Ausdruck von Innovationskraft, Visionen und Zukunftsgläubigkeit herausragender Ingenieure, für die neben der konstruktiven immer auch eine gestalterische Lösung wichtig war. Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen widmet sich deswegen das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW (M:AI) der Arbeit eben diesen Ingenieuren, die Meilensteine der Baukultur konstruiert haben und deren Leistung leider allzu oft im Verborgenen bleibt.

Olympiastadtion in München (Foto: Thomas Robbin)

Die Ausstellung «Die 5. Ansicht. Von Gewölben, Schalen, Kuppeln, Dächern und ihren Ingenieuren» gliedert sich in zwei Bereiche: Rund 20 beispielhafte Bauwerke aus der Zeit der Antike bis in die 1970er-Jahre zeigen, wie sich Dachlösungen im Laufe der Jahrhunderte verändert haben. Ältestes Beispiel ist die mehr als 1700 Jahre alte Kuppel des Pantheon in Rom, bei dem es bis heute ein Rätsel ist, wie die Kuppel aus Opus Caemeticum überhaupt errichtet wurde. Wesentlich mehr weiß man über die Kuppel des Florenzer Doms (1436), für deren Bau in schweindelerregender Höhe Brunelleschi eine Vielzahl von Maschinen erfand. Seit der Industrialisierung ermöglichen immer neue Materialien immer neue Formensprachen, wie etwa bei der Zeltstruktur des Münchner Olympia-Geländes, über das 1967 Egon Eiermann als Vorsitzender des Preisgerichts für die Olympiabauwerke urteilte: «Ich schwöre bei meiner Seele, diese Architektur ist realisierbar.» Die Realisierung wäre freilich ohne die Ingenieursleistung von Frei Otto nicht möglich gewesen.

Moschee des Propheten in Medina (Foto: SL Rasch)

Der zweite Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit rund 20 Beispielen zeitgenössischer Architektur: Formen werden heutzutage immer experimenteller, beflügelt auch durch das Entwerfen am Computer. Ingenieure sind hier mehr denn je besonders gefordert. Kulturbauten, Stadien, Messehallen, Flughäfen, Bahnhöfe – diese gigantischen Bauaufgaben suchen immer wieder nach Formen, die wesentlich durch die Dachkonstruktionen dominiert werden, wie etwa die gläserne, stützenfreie Nur-Dach-Halle der Messe Leipzig mit der außen liegenden Tragkonstruktion oder die wie durch die Luft wehende Dachschale des Wolfsburger Porschepavillons. Die Auswahl aller Projekte hat ein kleines Gremium aus erfahrenen Ingenieuren aus Nordrhein-Westfalen getroffen.

Washington Dulles International Airport in Chantilly (Foto: Ammann & Whitney)

Vorsicht, kurze Laufzeit! Die Ausstellung wurde letzte Woche eröffnet und ist noch bis 18.12.2014 im Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen zu sehen. Mehr Informationen auf den Seiten des M:AItg

Ausstellungsplakat

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