Wer die Immobilie zahlt und macht

Ursula Baus
27. Februar 2013
Halbhöhenlage Stuttgart: Zwei Gebäude, die von verschiedenen Entstehungszeiten kündeten, wurden abgerissen (Bild: U. Baus). Rechts Simulation des Neubaus (Simulation Hildebrandt Immobilien; willwersch architekten BDA/riba ) 

Bevor eine konkrete Planung überhaupt beginnt, treten bereits einige gewinnorientiert agierende Beteiligte auf. Im oben verlinkten Beitrag 07|13 hatten wir sie schon angesprochen: Banker, Investoren, Geld anlegende Bürger, Developer, Politiker – dann erst Bauingenieure, Architekten und Makler. Charakterisieren ließen sich Banker und Investor als homo oeconomicus. Ein homo oeconomicus hat per se keine Affinität zu einer bestimmten Materie; er kann also in der Textil- oder Automobilbranche oder in irgendeiner Dienstleistungsbranche tätig sein. Den Politiker benennen wir mal als modernen Machiavellisten, geübt in Geheimhaltung und Verstellung, weil er "Erfolg unabhängig von der moralischen Qualifikation der erforderlichen Mittel" begreift (Il Principe, 1513). Für Kommunalpolitiker ist die Immobilienbranche natürlich von Interesse, denn ohne die Branche geht ja kaum etwas in der Stadtentwicklung. Den Bauingenieur darf man vielleicht als homo technicus beschreiben, den Architekten teils als homo technicus, teils als homo faber – selten als homo ludens oder noch seltener als homo philosophicus. Bis zum fertigen Bauwerk kommen natürlich noch viele Weitere dazu. Aber zunächst stellt sich die Frage, wer sich im Vorfeld wo begegnet.

Der Abriss des IBA-Projektes (1979-83) am Berliner Lützowplatz von Oswald Mathias Ungers (Bild: Kai-Uwe Heinrich, Tagesspiegel) 
Der Neubau am Lützowplatz von Modersohn & Freiesleben, Berlin, Wettbewerb 2005; Ungers hatte sich am Verfahren beteiligt. Die geschlossene Form erinnert an eine Gated Community (Bild: Modersohn & Freiesleben, Berlin) 

Der große Maßstab – investorentauglich   Die Entwicklung unserer (deutschen) Städte ist in den letzten Jahrzehnten von der strukturplanenden Politik immer weiter in die Entscheidungszuständigkeit von Investoren gegeben worden – ganz einfach, weil Städten und Kommunen das Geld ausgeht und Investoren mit ihren Finanzierungsexperten passable Renditen beim Bau von Immobilien erwarten können. In diesem Bereich überlappen sich Interessen, es treffen Menschen aufeinander, die unterschiedliche Ziele, aber zwischenzeitlich gemeinsame Interessen haben. Vertreter von Kommunen und Städten eilen deswegen beispielsweise zur Mipim nach Cannes oder zur Expo Real nach München, um bei Investoren und Developern privates Geld für ihre Zwecke einzuwerben. Auf solchen Messen schauen die Investoren allerdings auch nach öffentlichen Fördermitteln. Man "netzwerkt" eben, was ganz und gar nicht als transparente Verfahrenskultur zu bezeichnen ist. Die Abhängigkeiten, die so entstehen, geraten den Städten immer seltener zum Nutzen und Frommen für ihre Bürger – und werden immer wieder beklagt. Vor allem in den Maßstabssprüngen, die mit rentablen Immobilien verbunden sind. ECE kennt man zum Beispiel in erster Linie als Investor von innerstädtischen Shopping-Malls, denen kleinteilige oder differenziert gewachsene Strukturen schlichtweg weichen müssen. Und dann ist eigentlich Schluss mit lustig: Hier führt ein Investor die Politik an der Nase herum, weil diese den Maßstab und die funktionale Verträglichkeit im städtischen Umfeld nicht mehr festlegt. Das Gleiche gilt auch für Entwickler und Investoren von Büroeinheiten – manchmal frisiert mit winzigen Wohnungsanteilen –, die ganze Stadtblöcke plattmachen.

Projekte von Helmut Jahn: Highlight Towers, München; Messeturm Frankfurt; Jahn mit seinen Modellen (Pressebilder Neues Museum, Nürnberg; Rainer Viertlböck, Porträt: Jahn Studio Chicago © bangertprojects) 

Der große Maßstab – ein Architektentraum   Vor dem großen oder auch ganz großen Maßstab fürchten sich auch manche Architekten ganz und gar nicht. Sie erkennen in ihm auch eine Herausforderung. Im Interview berichtete zum Beispiel der 72jährige Helmut Jahn, deutsch-amerikanischer Architekt von zig Flughäfen, Wolkenkratzern und Stadien, des Sony Centers in Berlin und des Messeturms in Frankfurt, wie es geht: Er zeichne auf dem iPad. Manchmal auf Papier. "Ich sitze im Flugzeug oder auf meinem Segelboot, habe eine Idee und mache eine schnelle Skizze." (FAS, 2.12.2012, Anlass ist eine Ausstellung zu Helmut Jahn in Nürnberg, siehe Bilder). Den Rest erledigt sein Büro in Zusammenarbeit mit vielen anderen kenntnisreichen Profis, die versiert und zuverlässig im großen Maßstab agieren. Maßstabssprüngen ist ein ganz erheblicher Anteil an der Entwicklung ubiquitärer Investorenarchitektur zuzuschreiben, die Architekten – und niemand sonst – in der Entwicklung ihres Erscheinungsbildes zu verantworten haben. Dass Architekten seit Jahrzehnten als kulturelle Instanz, als Widerpart zu Politik und Wirtschaft ausgebildet werden, trifft zwar zu. Weswegen Frei Otto zum Glück auch einmal mit Verve forderte: Hört auf zu bauen! Zarte Versuche, etwas Bauökonomie oder Facility Management in die Ausbildung aufzunehmen, haben an der kulturellen Ausrichtung kaum etwas geändert, was ihr bisweilen den Vorwurf einträgt, weltfremd zu bleiben.  Aber zugleich hat sich eine stattliche Zahl von Architekten in der Praxis als Dienstleister für die Immobilienwirtschaft trefflich weitergebildet. Ohne Architekten kommt das, was die Immobilienwirtschaft rund um den Globus baut, finanziert über Kredite und angewiesen auf fragwürdige Renditen, nicht zustande. Im weltweit gleichen Immobilienkuchen findet man auch Rosinen, die von architektonischer Ambition zeugen: Die werden in "Mipim Awards" und ähnlichen Verfahren ermittelt und sorgen für Glamour in der Branche. Investoren und Finanziers fürchten aber weniger, dass Kommunalpolitiker bockig sein könnten. AIFM-Richtlinien zum Verbraucherschutz oder mehr Eigenkapital laut Basel III: Daraus ergeben sich Einschränkungen, die der Immobilienwirtschaft viel weniger gefallen.

Die Euroboden GmbH würdigt ihre Architekten als Garanten für das Premiumsegment. (Screenshot; Porträts: Jens Plassoth) 

Das Premiumsegment  Ein Blick in den Wohnungsbau zeigt nun eine besondere Diskrepanz zwischen Notwendigkeit und Marktinteresse. Wenn sich abzeichnet, dass mit Wohnungen in entsprechend zentralen Lagen gute Mieten erzielt werden können, dann finden sich Investoren für entsprechende "Wohnimmobilien" auf jeden Fall, derzeit bevorzugt im "Premiumsegment". Aber Wohnungsbaugesellschaften, die für möglichst wenig Geld möglichst guten Wohnungsbau mit bezahlbaren Mieten errichten sollen, haben es schwer und schwerer. Auch im "Premiumsegment" sind selbstverständlich Architekten gefragt. Der Münchner Investor Stefan Höglmaier beispielsweise setzt mit seiner Euroboden GmbH dezidiert auf Architekten als Garanten luxuriöser Eigentumswohnungen. "Euroboden steht für ausgesuchte Lagen, hochwertige Bausubstanz und erstklassige Ausstattung. Mit einer konsequent progressiven Architektur sprechen wir als Premium-Bauträger den exklusiven Geschmack einer handverlesenen Klientel an. Für Euroboden ist Architektur mehr als gestalteter Wohnraum, sie ist die kulturelle Zusammenkunft von Ort, Raum, Geist und Zeit. In diesem Sinne erwerben unsere Kunden ein Stück Kultur zum Wohnen, die Euroboden Architekturkultur." Hier geht es zum Event-Movie des Projektes Johannisstraße 3 in Berlin und zum Projekt Arcisquartier in München.

Stefan Höglmaier, Gründer von Euroboden; zur Besichtigung des Euroboden-Projektes Berlin Johannisstraße 3 von Jürgen Mayer H. kam auch die Fachpresse (W. Bachmann, Baumeister, und N. Kuhnert, archplus). (Bilder: Website Euroboden) 

Der Markt richtet's nicht    Was wann "groß" ist und wo die Grenzen zwischen dem Premiumsegment und dem Bauen für Jedermann verlaufen und warum sich wer dort und da begegnet: Diese Grauzone muss bei einem Blick auf die "Immobilienbranche" als Teil der Architekturentwicklung berücksichtigt werden. Es hat sich bislang gezeigt, dass Architektur und Immobilie Begriffe unterschiedlicher Welten sind, in denen aber die Akteure einander viel öfter begegnen und miteinander netzwerken als man es vermuten mag. Die Immobilienbranche als marktgerechte Erscheinungsform der Architektur beschert, obwohl so viele Architekten beteiligt sind, nur selten baukulturell bemerkenswerte Projekte. Die Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft, die auf Architektur angewiesen ist, kümmern die Immobilienbranche mit ihrem primär betriebs- und finanzwirtschaftlichen Selbstverständnis allenfalls marginal. Soll sich daran etwas ändern, dann führt die Argumentation nicht an einer Systemkritik vorbei – unser Thema im 3. Teil zum Thema "Immobilie und Architektur", der nach Ostern veröffentlicht wird. ub

Zum Abriss des IBA-Projektes am Berliner Lützowplatz von Oswald Mathias Ungers siehe Tagesspiegel, 21.2.2013

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