Kein Holzweg

Ulf Meyer
9. Juli 2014
(Bilder: Andreas Meichsner/BBR)

Am äußersten südlichen Stadtrand von Berlin, wo bis 1989 die Berliner Mauer stand, liegt am Ende einer einsamen Sackgasse ein bemerkenswerter Neubau des Umweltbundesamtes. Bauherr war das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Eigentümerin ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Beide interessieren sich für den kleinen Holztafelbau aus Fichte als «Prototyp eines vorbildlichen Behördengebäudes». Auf den ersten Blick wirkt der Bürobau wie eine einfache hölzerne Kiste. Er ist das erste Gebäude, das nach den Nachhaltigkeits-Auflagen gestaltet wurde, die sich der Bund für seine eigenen Gebäude auferlegt hat. Angelehnt an das Ratingsystem der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB), ist das «Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB)» der Versuch der Bundesrepublik Deutschland als Bauherr, im umweltfreundlichen und energiesparenden Bauen mit gutem Beispiel voranzugehen. Von der Europäischen Union (EU) gibt es die Vorgabe, bis zum Jahr 2019 alle staatlichen Gebäude als Nullenergiehäuser ausführen zu lassen. Auch wenn die Umsetzung der EU-Vorgabe in nationales Recht im Detail noch schwammig ist, nimmt man sie in Deutschland ernst und zum Anlass für ein Umdenken im Bauen für den Bund.

​Aufwand und Ertrag
Um ein Haus energie-autark zu machen, bedarf es eines ganzen Bündels an Maßnahmen. Das ist auch beim UBA in Berlin der Fall. Die Architekten Braun-Kebl-Löffler haben einen quadratischen Bau (25 m x 25 m) entworfen, dessen Tragwerk und Fassaden aus Holz bestehen. Nur das Treppenhaus und der Aufzugsschacht wurden in Beton gegossen. Das kompakte Bürogebäude hat zwei Geschosse und ist nicht unterkellert. Sein langgestrecktes Dach bildet nach Süden eine Loggia vor dem Haupteingang und im Norden wurden unter dem Dachüberstand zwei Fluchttreppen integriert. Im Haus befinden sich 30 Büroarbeitsplätze und drei Besprechungsräume, genutzt von UBA-Wissenschaftlern, die sich mit dem Thema Wasser beschäftigen. Alle Räume sind ringförmig um ein zweigeschossiges Atrium herum angeordnet; um das Haus barrierefrei zu machen, musste ein Fahrstuhl eingebaut werden. Auch die Teeküchen (es gibt keine Kantine auf dem Gelände) sind innen liegend. Das Oberlicht im Foyer und Fenstertüren an den Flurenden bringen Tageslicht ins Haus.

Sinnvoll orientiert nach den Himmelsrichtungen liegen die Büros im Westen, Osten und Norden und die Besprechungsräume im Süden im Obergeschoss, wo sie durch die Loggia verschattet werden. Umkleiden und Duschen, die nur kurz genutzt werden, liegen im Süden im Erdgeschoss. Die große Fotovoltaikanlage auf dem Dach ist – für den Passanten unsichtbar – hinter einer hohen Attika versteckt. Die 380 PV-Modulreihen auf dem Dach sind 10 Grad nach Süden geneigt und besitzen eine Leistung von 58 kWPeak. Unter den Paneelen wurde ein extensives Gründach angelegt. Der selbst erzeugte Strom wird im Haus genutzt oder in das städtische Netz oder das Netz der Liegenschaft eingespeist. Allein das städtische Netz als «Batterie» zu nutzen, wäre auf die Dauer nicht sinnvoll, weil fast nur zu Zeiten geringen Stromverbrauchs Strom-Überschüsse anfallen (mittags, im Sommer). Für den Neubau wird ein Jahres-Stromertrag von 50.000 kWh prognostiziert. Etwa je ein Drittel des Strombedarfs wird für die Büroausstattung, die Beleuchtung und die Wärmepumpe und die Hilfsenergie aufgewendet. Somit wird der Jahres-Energiebedarf des Gebäudes durch die PV-Anlage mehr als gedeckt. So der Plan!

(Bild: Andreas Meichsner/BBR)

Die Fassaden wurden mit Zellulose aus recyceltem Altpapier gedämmt. Die Fassade besteht aus vorgefertigten Holztafeln aus Pappel, die je nach Lage schon unterschiedlich stark verwittert ist. Für die Fassade wurde Thermoholz gewählt, um die Instandhaltungskosten zu senken (das Holz muss nicht gestrichen werden). Die abwechselnd horizontale und vertikale Lattung gibt den Fassaden ein zurückhaltendes Muster. Das Dach und die Bodenplatte sind gut wärmegedämmt (U-Wert 0,08 bis 0,11 W/(m2K)). Die Fenster nach Passivhaus-Standard mit integriertem Sonnenschutz (U-Wert max. 0,8 W/(m2K)) können von Hand geöffnet werden und haben eingebaute, lichtumlenkende Jalousien. Deren automatische Steuerung über die Wetterstation auf dem Dach ist per Hand übersteuerbar. Für den Betrieb des Gebäudes werden jährlich geschätzte 48.000 kWh Energie benötigt. Dieser Wert ist nur möglich durch die Präsenz- und tageslichtabhängige Steuerung der Beleuchtung und Lüftung. Bei Eintritt in den Raum springt automatisch Licht an und die Lüftung wird beschleunigt. Zusätzlich wird die Abwärme der Pumpen und der Lüftungsanlage zurückgewonnen. Hinzu kommen effiziente Ventilatoren und ein druckverlust-minimiertes Kanalnetz. Die Wärmepumpe und auch alle Bürogeräte sind recht energieeffizient (PC max. 50 W, Monitor max. 40 W).

Die Büros werden über Flächenheizungen und die Raumluft beheizt. Die Heizelemente liegen in den Aussenwänden und die Kühlelemente in den Trennwänden. Die Bauteilheizung und –kühlung ist jedoch sehr träge. Alle Räume sind auf 21 Grad konditioniert, die Raumtemperatur lässt sich jedoch um bis zu drei Grad Celsius reduzieren oder erhöhen. Warmwasser wird in der kleinen Solarthermie-Anlage auf dem Dach bereitet. Die Bodenkanäle im Flur führen zu Bodensteckdosen. Darüber liegt ein Stäbchen-Parkett aus Eiche, das den Räumen einen angenehm wohnlichen Touch verleiht.

(Bild: Andreas Meichsner/BBR)

Prototyp für energiebewusstes Bauen
Den ursprünglich angestrebten «Gold»-Standard nach BNB für Bundesgebäude wird der Neubau nicht erreichen. Die Bewertung ergab einen «Erfüllungsgrad» von 77% (und damit Silber-Niveau). Die Übererfüllung in einigen der Kategorien wird in der Gesamtwertung nicht belohnt. Für eine Gold-Zertifizierung sind – von Fragen des Betriebs abgesehen – die Baukosten zu hoch, erklärt Tilo Herzig, der als Ingenieur den Bau für das UBA begleitet hat. Die Netto-Herstellungskosten für die Kostengruppen 300 (Hochbau) und 400 (TGA) waren deutlich höher als der Baukostenindex. Das Haus mit einer Hauptnutzfläche von nur 737 Quadratmetern hat 4,8 Millionen Euro gekostet (BGF 1.244 m2). Auch dass die Auswahl der Architekten nicht über einen öffentlichen Wettbewerb, sondern freihändig nach Referenzen erfolgte, brachte Malus-Punkte in der Wertung. Der Grund hierfür war Zeitmangel, weil Fördermittel aus dem Konjunkturförderungsprogramm gewonnen werden sollten. Bauherr war das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Eigentümerin ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Beide interessieren sich für den kleinen Holztafelbau aus Fichte als «Prototyp eines vorbildlichen Behördengebäudes».

(Bild: Andreas Meichsner/BBR)

Testlauf unter falschen Bedingungen
Das Gebäude wird als «Nullenergie-Haus» tituliert, was bedeuten soll, dass über das Jahr gerechnet der Stromverbrauch im Gebäude der eigenen Stromerzeugung auf dem Dach entsprechen soll und keine fossilen Brennstoffe zum Betrieb nötig sind. Die Energie zum Heizen und Kühlen stammt aus dem Grundwasser. Ob das Haus sein Ziel erreicht, ist noch unklar, denn es ist noch kein volles Jahr in Betrieb. Die Technische Universität Braunschweig wurde mit einem Monitoring beauftragt, das die Energie-Performance des Gebäudes nachprüfbar machen wird. Erfahrungsgemäß eignet sich dafür das zweite Betriebsjahr am besten, da im ersten oft noch «Kinderkrankheiten» der Haustechnik auszumerzen sind. Das ist (leider) auch beim Neubau in Berlin-Marienfelde der Fall. Denn die Haustechnik ist sehr komplex und ihre Bedienung den Nutzern noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Hinzu kommt, dass der letzte Winter in Berlin sensationell mild war.Die «Lebenszyklusbetrachtung» ist auf einen Zeitraum von 50 Jahren angelegt. Erst dann wird man detailliert wissen, ob sich die Prognosen für den hölzernen Neubau am Rand der Hauptstadt erfüllt haben.

Ulf Meyer hat in Berlin und Chicago Architektur studiert. Er arbeitete bei Shigeru Ban Architects in Tokyo und unterrichtete an der Kansas State University, der University of Nebraska-Lincoln und der Tamkang University in Taiwan. Heute lebt und arbeitet Meyer als Architekturjournalist in Berlin.

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