Zentrum für alle

Blocher Partners
16. November 2016
Gesamtansicht Kirchplatz (Foto: Christian Richters)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Die komplette Umgebung des Bauplatzes war ein Ort mit völlig heterogener Struktur, ohne einprägsame Gestalt und ohne stadträumlich formulierte Bezüge. Eigentlich ein „Un-Ort“. Damit umzugehen war, neben der Formulierung der Gebäude, die besondere Herausforderung bei dieser Aufgabe.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Wir haben uns am Typus des „Niederdeutschen Hallenhauses“ inspiriert, ein regional verbreiteter Bautypus mit rechteckiger Form und Satteldach mit einem einzigen Raum im Innern. Der Bürgersaal ist eine neue Interpretation ebenjenes archaischen Musters. Der Innenraum ist, anstatt mit dem traditionell verwendeten Holz-Ständerwerk, mithilfe der heutigen bautechnischen Möglichkeiten komplett stützenfrei konstruiert.

Rathaus mit Bürgergarten (Foto: Christian Richters)
Fassadendetail (Foto: Christian Richters)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Die Bauherrschaft – Verwaltung und Gemeinderat – war begeisterungsfähig und offen für unsere Argumente. Ein wahrer Glücksfall, denn so hatten wir in gestalterischen Fragen weitgehend freie Hand – natürlich innerhalb des für solche ein Projekt eng gesteckten Kostenrahmens. Das knappe Budget hat uns bis zum Schluss immer wieder beschäftigt. So war etwa bis kurz vor Baubeginn noch unklar, ob der Bürgersaal aus Kostengründen überhaupt gebaut werden würde. Erfreulicherweise konnte der Gemeinderat mit dem Kostenanschlag überzeugt werden, den Bürgersaal mitzubauen. Eine Entscheidung, über die im Nachhinein alle Beteiligten überaus glücklich waren.

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Das Grundkonzept des Wettbewerbsentwurfs, also das Ensemble aus zwei Gebäuden, und die Nutzervorgaben blieben unverändert bestehen. Aber natürlich haben wir in der Durcharbeitung das Bauwerk weiter optimiert. Ein Beispiel: Die zunächst gewünschte Klimaanlage des Bürgersaals entfiel mit der Überlegung, dass das zwölf Meter hohe Raumvolumen eine natürliche Lüftung ermöglicht. Außerdem haben wir den Bürgersaal so konzipiert, dass er auch unabhängig vom politischen Diskurs von den Bürgern genutzt werden kann, etwa für kulturelle Veranstaltungen. Ein Jahr nach der Einweihung konnte uns der Bauherr bestätigen, dass sich das Gebäudekonzept bewährt hat und sich der separate Bürgersaal großer Nachfrage für die verschiedensten privaten, kirchlichen und kulturellen Veranstaltungen erfreut.

Innenansicht Bürgersaal (Foto: Christian Richters)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die aktuellen Strömungen sind vielfältig und konträr. Deswegen haben wir unser Konzept unabhängig von Trends und Moden entwickelt. Unser Ziel: ein taugliches, langfristig gültiges und auch schönes Werk für die Bürger zu schaffen, das wie selbstverständlich das Ortszentrum bildet. Die Formensprache ist gut verständlich, die Detailausbildung handwerklich sorgfältig und durchgängig. Das ist Solidität im allerbesten Sinne.

Foyer mit Empfang, Galerie (Foto: Christian Richters)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Das Materialkonzept ist bei beiden Baukörpern einheitlich. Es beschränkt sich im Wesentlichen auf Klinkerfassade, Zinkblech auf den Dächern und bronzefarben beschichtete Metallfenster. Innen dominieren Sichtbeton, Eiche und weiß gestrichene Putz- und Trockenbauflächen. Der regionale Bezug war uns ein besonderes Anliegen. Es hat uns deswegen gefreut, dass sich auch im Rahmen der bundesweiten, öffentlichen Ausschreibungen viele regionale, gute Handwerksfirmen durchsetzen konnten.

Lageplan (Zeichnung: Blocher Blocher Partners)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Blocher Blocher Partners)
Schnitt (Zeichnung: Blocher Blocher Partners)
Rathaus Bissendorf
2015
Kirchplatz 1
49135 Bissendorf

Nutzung
Rathaus, Verwaltung, Bürgersaal

Auftragsart
Wettbewerbsgewinn

Bauherrschaft
Gemeinde Bissendorf, Bissendorf

Architektur
Blocher Blocher Partners, Stuttgart 
 
Fachplaner
Tragwerksplaner: Ehlers-Unland, Osnabrück
Haustechnik: Jager+Partner, Osnabrück
Elektro: ISR Ing.-Büro Schlegel&Reußig GmbH, Lange
Bauphysik: DS-Plan, Stuttgart
Außenanlage: Glück Landschaftsarchitektur, Stuttgart
Vermesser: Vermessungsbüro Flüssmeyer, Osnabrück
Bauleitung
Blocher Blocher Partners vertreten durch  Kornhage+Schubert Architektur und Ingenieur GmbH, Wallenhorst
 
Ausführende Firmen
Sanitär/Heizung+Lüftung: Steinbrügge Haustechnik GmbH, Ebbendorf
Holzbauarbeiten: Heinrich Haveloh GmbH, Ahaus
Estrich+Hohlraumboden: Fußboden Krause GmbH, Osnabrück
Rohbauarbeiten/Klinkerarbeiten: Läer + Rahenbrock GmbH + Co. KG, Georgsmarienhütte
Trockenbauarbeiten: Jäger Ausbau GmbH + Co. KG, Paderborn
Innenputzarbeiten: IHB Ingenieur-Hoch-Bau Potsdam GmbH, Potsdam-Babelsberg
 
Hersteller
Ziegelei Hebrok, Hagen am Teutoburger Wald
 
Bruttogeschossfläche
2.400 m²
 
Gebäudekosten
2.600.000 €
 
Gesamtkosten
3.800.000 €
 
Auszeichnung
Niedersächsischer Staatspreis für Architektur (Finalist)
Iconic Award: Best of Best
German Design Award: Winner
 
Fotos
Christian Richters für Blocher Blocher Partners

Vorgestelltes Projekt

DGJ Paysages

Le Pardon de la Nature

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