Wundheilung

Schulz und Schulz
25. Februar 2015
Der Neubau für das Büro- und Geschäftshaus TRIAS ergänzt das historistische Ensemble des Neuen Rathauses und bildet am Leipziger Innenstadtring eine prägnante Adresse. (Foto: Roland Halbe)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Der Dynamik und dem Weltgeist der Stadt Leipzig ein Image zu geben und das nicht irgendwo, sondern ganz zentral im Herzen der Innenstadt. Täglich frequentieren Tausende auf dem Weg von und nach Leipzig die Ringstraße und sehen heute statt einer Brandwand ein Haus, das selbstbewusst den Puls der Metropole spiegelt. Zudem gab es schon eine Vielzahl verworfener Ideen für dieses prominente Grundstück, wir standen hier also absolut im Fokus der Öffentlichkeit.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Die Visionen des Leipziger Stadtbaurats Hubert Ritter aus dem Jahr 1929 für einen Leipziger Generalbebauungsplan haben bis heute an Relevanz und Reiz nichts verloren. Zentrale Idee Ritters war eine Art «Ringcity», die er konzentrisch um die Altstadt legte, um die historische Stadtstruktur zu erhalten und zugleich baulich-funktional zu erweitern. Auch die parallel aufkeimende Hochhausdebatte konnte Ritter mit dem Konzept einzelner „Turmhäuser“ innerhalb der Ringcity kanalisieren. Die Ideen von Ritter haben wir schließlich um unsere kulturellen Einflüsse aus Aufenthalten in internationalen Metropolen ergänzt, die bei uns immer wieder zu Assoziationen mit dem Edificio Carrión an der Gran Via in Madrid (Luis Martínez-Feduchi und Vicente Eced y Eced, 1931-1933) führten.

Mit seinem Generalbebauungsplan von 1929 präsentierte der Leipziger Stadtbaurat Hubert Ritter Visionen für die baulich-funktionale Erweiterung der Altstadt, um die er eine konzentrisch angelegte Ringcity mit prägnanten Turmhäusern konzipierte.  (Quelle: Schulz und Schulz)
Über 60 Jahre zeichnete sich die kriegsbedingte Zerstörung an der nördliche Spitze des Rathaus-Ensembles als wilde Brache in der Leipziger Innenstadt ab und war Ausgangspunkt für zahlreiche Entwurfsideen. (Quelle: Archiv Hans Ritter)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Zunächst haben wir das Projekt immer als Experiment verstanden, bei dem es auszuloten galt, wie man einen Baublock schließt, der zu neunzig Prozent mit dem historistischen Stadthaus von Hugo Licht bebaut ist. Wir haben also zunächst den Kontext analysiert. Hinzu kamen Ritters Visionen der Ringcity und unsere eigenen Vorstellungen von Weltstadtarchitektur. Im Ergebnis reagiert der Neubau ganz differenziert auf die dominante Stadthausbebauung von Hugo Licht, nimmt deren vorhandene Fassadengliederung auf und kann mit der Überhöhung an der Blockecke einen eigenen prägnanten Akzent setzen.

Der Neubau greift die Fassadengliederung des benachbarten Stadthauses von Hugo Licht auf und stellt wichtige Bezüge zum Bestand her. (Foto: Roland Halbe)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Auch mit Blick auf die Nachhaltigkeit forderte der Bauherr ein absolutes Spitzenprodukt. Das ausgegebene Ziel war eine DGNB-Zertifizierung in Silber, um Nutzungskomfort, Effizienz und Lebenszyklus zu maximieren und messbar zu machen. Das hat natürlich Auswirkungen auf ein Projekt. Um dabei eine wilde Addition unterschiedlicher Maßnahmen zu vermeiden, haben wir frühzeitig alle beteiligten Planer sensibilisiert und zusammen mit dem Auditor an einen Tisch geholt.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer den Entwurf beeinflusst?

Alle wollten genau dieses Haus, das 2010 im Ergebnis eines Architektenwettbewerbs mit dem 1. Preis ausgezeichnet wurde. Selbst die Öffentlichkeit war sofort begeistert und ist es heute immer noch. Der Neubau wird sehr gut angenommen. Wenn man im Sommer draußen vor dem Restaurant sitzt, ist es nur noch schwer vorstellbar, dass hier über 60 Jahre lang eine Brache war.

Textur und Farbigkeit der Putzfassade stellen Bezüge zur angrenzenden Kalksteinfassade des Neuen Rasthauses her. Dabei kommen die horizontalen Putzgesimse über den Fensterbändern ohne die üblichen Verblechungen aus. (Foto: Roland Halbe)

Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?
Bei aller Eigenständigkeit und Prägnanz des Neubaus war für uns die Bezugnahme auf den beiderseitig angrenzenden Bestand wichtig. Das haben wir durch die Aufnahme von Gesimsen, Traufhöhen und Fenstermotiven erreicht. Farbigkeit, Detaillierung und Textur der Wandflächen sollten diesen Dialog intensivieren. So haben wir der rauen, kolossalen Kalksteinfassade des Stadthauses eine raue, ockerfarbene Putzfassade zur Seite gestellt, deren horizontale Putzgesimse ohne die üblichen Verblechungen auskommen. Das trägt entscheidend dazu bei, dass dieser Zusammenhang deutlich wird.

Der Übersichtsplan zur Leipziger Innenstadt zeigt die aktuellen Hochpunkte entlang Innenstadtrings, die die Ideen aus dem Ritterschen Generalbebauungsplan von 1929 aufnehmen und die Ringstraße in unterschiedliche Abschnitte gliedern. (Zeichnung: Schulz und Schulz)
Das Büro- und Geschäftshaus gibt dem Gebäudeensemble aus Neuem Rathaus und Stadthaus einen wichtigen nördlichen Abschluss und schließt die klaffende Lücke in der Ringfassade. (Zeichnung: Schulz und Schulz)
Die offen gestalteten Bürogeschosse ermöglichen zahlreiche Nutzungsszenarien vom Großraumbüro bis zum Zellenbüro. (Zeichnung: Schulz und Schulz)
Büro- und Geschäftshaus TRIAS Leipzig
2014
Martin-Luther-Ring 12
04107 Leipzig

Auftragsart
Architektenwettbewerb, 2010, 1. Preis

Bauherrschaft
formart GmbH & Co. KG, NL Leipzig

Architektur
schulz & schulz Architekten, Leipzig
Projektleiter: Matthias Hönig
Mitarbeiter: Marius Ellwanger, Felix Haunstein

Fachplaner
Tragwerk: R & P Ruffert, Halle/Saale
HLS: ZBP Zimmermann und Becker, Leipzig
Bauphysik: Hochtief Solutions AG, Essen

Kunst am Bau
Kaeseberg, Leipzig

Ausführende Firmen
Rohbau: Hochtief Solutions AG, Berlin
Pfosten-Riegel-Fassade: Wirth & Co. GmbH, Chemnitz
Putzfassade: Lindner & Hinsdorf Bau GmbH

Hersteller
Fassade/Fenster: Schüco
Fassade/Putz: Sto

Gebäudevolumen
29.200 m³

Bruttogeschossfläche
8.850 m²

Auszeichnung
DGNB-Zertifizierung in Silber

Fotos
Roland Halbe (1, 4, 5)
schulz & schulz (2)
Archiv Hans Ritter (3)

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