Picknick mit Voltaire

Martin Schmitt Architektur
29. Oktober 2014
Der Eingang der Kantine ist von der Kurfürstenstraße abgewandt und orientiert sich zum Altbau der Schule jenseits des Hofs (Foto: Axel Hartmann)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Beim ersten Besuch des Baufeldes an der Kurfürstenstraße war unsere Idee und Motivation, die parkähnliche Fläche mit einer Art Pavillon zu bespielen, eher zurückhaltend zu gestalten und möglichst unterhalb der Baumkronen zu bleiben. Zudem hat uns der Namensgeber der Französischen Schule Voltaire und sein „Candide oder die Besten aller Welten“ inspiriert und fasziniert. Diese Inspiration ist jedoch indirekt und nicht explizit in den Entwurf beziehungsweise den Entwurfsprozess eingeflossen.

Die Entwurfsidee geht von vier Teilbauten aus, die gleichsam zusammengeschoben wurden. Der Essbereich der Lehrer befindet sich auf einer Galerieebene mit Panoramafenster oberhalb des Küchenbereichs. (Foto: Axel Hartmann)
Der Wunsch, den Baumbestand unangetastet zu lassen, beeinflusste die Gebäudekubatur (Foto: Axel Hartmann)
Verkleidet ist die Fassade durchgängig mit Holzlatten, die tragende Struktur dahinter ist in Holzrahmenbauweise konzipiert (Foto: Axel Hartmann)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die Französische Schule ist von der Kurfürstenstraße zurückversetzt. Die Freifläche davor hat einen Sport- und Spielplatz, Grünflächen und vor allem viele Robinien. Bis auf einen konnten wir alle Bäume erhalten. Die Gebäudekubatur hat sich gerade aus dieser Herausforderung ergeben. Direkt vor der Kantine – zur Kurfürstenstraße hin – und hinter der Kantine wollten und konnten wir jeweils eine Reihe von Bäumen erhalten. Dadurch mussten wir aber einen Teil des Raumprogramms auf eine Galerieebene „heben“. Die Lehrer freuen sich nun über einen sehr schönen Rückzugsbereich und speisen sozusagen in den „Baumkronen»“– zwei großformatige Panoramafenster machen dies möglich.

Ausschlaggebned für die Maßstäblichkeit des Gebäudes war die parkähnliche Umgebung (Foto: Axel Hartmann)
Große und kleine, rechteckige und bandartige Fenster eröffnen überall den Ausblick ins Grüne (Foto: Axel Hartmann)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst? Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Innenräumliche, logistische Abläufe der Essensausgabe und der Rückgabe, die Organisation des kompakten Raumprogramms und die atmosphärischen Qualitäten waren von Anfang an im Sinne der Bauherrenschaft. Die Gebäudekubatur und Form haben wir mit den Bauherren auch nach dem Wettbewerbsgewinn weiterentwickelt und im Sinne des Entwurfs unter Berücksichtigung der TGA und Kosten optimiert. Wir haben mehrere Mock-Ups der Fassade gefertigt, um herauszufinden, welche Holzart sich eignet (wie verhält sich das Holz mit den Jahren, wie vergraut es, wie muss es gepflegt werden, welches Holz gefällt uns, etc.) und welche Dimension der Lattung sowie welcher Lattenabstand sich am besten eignen.

Der freiheitliche Geist des Namensgebers Voltaire inspirierte die Künstlerin Ute Mang bei der Ausgestaltung der Wände im Eingangsbereich (Foto: Silke Mayer)
Bei der Ausgestaltung der Wände im Eingangsbereich hat sich die Künstlerin Ute Mang vom freiheitlichen Geist des Namensgebers Voltaire inspirieren lassen (Foto: Silke Mayer)
Der freiheitliche Geist des Namensgebers Voltaire inspirierte die Künstlerin Ute Mang bei der Ausgestaltung der Wände im Eingangsbereich (Foto: Silke Mayer)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die Ausschreibung sah ein komplexes Raumprogramm auf geringer Grundfläche vor. Zudem sollte die Belastung des laufenden Schulbetriebs so gering wie möglich sein und das Gebäude in kurzer Zeit gebaut werden. Wir haben die Kantine in Holzrahmenbauweise konzipiert und konnten somit die Wünsche der Bauherrenschaft und Rahmenbedingungen umsetzen – nicht zuletzt auch in dem geforderten Kostenrahmen. Der Einsatz von Holz in der Stadt als Bau- und gleichzeitig Fassadenmaterial ist noch nicht Normalität. Technische Herausforderungen des Holzbaus wie der Brandschutz werden zunehmend gemeistert, die Nachhaltigkeit dieser Bauweise ist kaum bestritten. Die Auseinandersetzung mit der Frage, wie sich Holz als sichtbares Material in der Stadt verhält, finden wir sehr spannend.

Lageplan (Zeichnung: Martin Schmitt Architektur)
Grundriss Obergeschoss (Zeichnung: Martin Schmitt Architektur)
Schnitt (Zeichnung: Martin Schmitt Architektur)
Kantine École Voltaire
2014
Kürfürstenstraße 53
10785 Berlin

Nutzung
Schulkantine

Auftragsart
Wettbewerb 2012, 1. Preis

Bauherrschaft
Agence pour l'enseignement français à l'étranger (AEFE)

Architektur
Martin Schmitt / Architektur / Kommunikation im Raum, Berlin
Mitarbeiter: Reiner Beelitz, Jeong Hoon Kim, Moritz Klimburg, Timo Mecking, Matthias Povel

Fachplaner
Statik: Bernhard Güth, Rennerod
Brandschutz: Peter Stanek, Berlin
TGA: Ingenieurgesellschaft Hartmann mbH, Bell

Kunst am Bau
Ute Mang
Ausgestaltung der Wände

Ausführende Firmen
Kastor HolzBauWerk GmbH (GU)
Holzbau: Walter Kastor GmbH & Co. KG

Hersteller
Fassade: Thermoholz Pappel / Re-elko
Dach: Holzkastenlemente mit Akustik-Leistenprofil / Lignotrend
Fließen: Feinsteinzeug Villeroy und Boch
Bodenbelag: Linoleum Uni Walton / DLW Flooring
Fenster: Holz-Aluminium Fenster / Batimet

Bruttogeschossfläche
490 m²

Fotos
Axel Hartmann (1-7)
Silke Mayer (8-10)

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