Filigran rhythmisiert

wulf architekten
16. April 2014
Das Farbspiel aus Rot- und Grüntönen bestimmt den Blick von Osten auf die Schule und Sporthalle mit den Verwaltungsräumen. Da die Sporthalle etwa drei Meter tief in das vorhandene Terrain eingegraben wurde, erscheinen beide Baukörper gleich hoch. (Foto: Brigida Gonzàlez)
Worin liegt das Besondere dieser Bauaufgabe?

Beim Bauherrn handelt es sich um einen kirchlichen Schulträger, der diese Schule nach den Prinzipien der Pädagogik von Maria Montessori betreiben will. Dies soll in Form des sogenannten Lernhauskonzeptes geschehen. Dabei bilden je 4 Klassen der 4 Altersstufen eine Einheit, die sich um eine gemeinsame Mitte, das «Lernhaus», gruppiert. Hier wird gespielt, gelernt, gekocht und gegessen. Man verbringt den ganzen Tag wie in einer gemeinsamen Wohnung.

Farblich changierende Aluminiumlamellen, die in freiem Rhythmus gesetzt wurden, prägen den Blick von der Sporthalle auf die Schule. Je nach Blickwinkel ändert sich die Farbe – und die feine Struktur aus vertikalen Lamellen wirkt aufgelöst oder verdichtet. (Foto: Brigida Gonzàlez)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Wir haben uns die Frage gestellt, wie ein Haus für sechs- bis zehnjährige Kinder aussehen sollte, das ihnen eine beschützende aber niemals einengende Heimat werden kann. Dabei ging es eigentlich um eine Gruppe von drei Häusern. Neben der Grundschule wurde eine Sporthalle errichtet, eine geplante Realschule wurde noch nicht realisiert. Dieses Ensemble schart sich um eine gemeinsame offene Mitte und nimmt Bezug auf einen vorhandenen Kirchturm.

Die zweigeschossige Aula im Zentrum der Schule erfährt ihre besondere Stimmung durch die markanten Oberlichter und das große Podest aus Seekiefer, das zum Sitzmöbel umgestaltet werden kann. (Foto: Brigida Gonzàlez)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die Umgebung hat Vorstadtcharakter ohne ausgeprägte Urbanität. Uns ging es darum, in einem eher gesichtslosen Umfeld einen identifikationsstiftenden Ort zu schaffen, ohne zu sehr aus der Maßstäblichkeit der Umgebung auszubrechen. Da der angrenzende Kirchenbau aus den 1960er Jahren abgebrochen werden soll, war es uns wichtig, wenigstens den freistehenden Glockenturm als Erinnerungsstück zu erhalten und in das Neubauensemble einzubeziehen, auch wenn er nicht unsere Architektursprache verkörpert.

Rot- und Pinktöne prägen den Blick nach Osten: Wie eine zweite, offene Fassade spannen sich die filigran wirkenden Lamellen zwischen die Betondecken der Schule und Sporthalle. (Foto: Brigida Gonzàlez)
Inwiefern waren die Auftraggeber und späteren Nutzer in den Planungs- und Bauprozess eingebunden?

Der Entwurf ging als erstplatzierter aus einem Wettbewerb hervor, in dessen Jury neben dem Auftraggeber, der evangelischen Schulstiftung, auch der Oberkirchenrat und die Schulleitung und natürlich fachkundige Architekten vertreten waren. Es war ein komplizierter, auch von kontrastierenden Auffassungen geprägter Entscheidungsprozess. Die Schulleitung war während des gesamten Planungs- und Bauprozesses außergewöhnlich intensiv eingebunden, sodass sie sich am Ende mit dem neuen Haus stark identifizieren konnte. Dieser Prozess war glücklicherweise ohne wesentliche Einbußen der Architekturqualität möglich.

Nach Westen geblickt erscheint die Schulfassade plötzlich in Grüntönen - hinter der Fassade der Sporthalle erkennt man jetzt die Spiel- und Pausenfläche im Obergeschoss. Die beiden streng rechtwinklig geformten Baukörper umschließen den neu angelegten Schulgarten. (Foto: Brigida Gonzàlez)
Inwieweit findet sich die «Handschrift des Architekturbüros» im Gebäude wieder?

Unsere Bauten stehen für Klarheit, Offenheit und Vielschichtigkeit. Wir arbeiten mit dem Mittel filigraner Plastizität und raffiniert eingesetzter Farbigkeit – nicht Buntheit. Unsere Architektur geht individuell und ohne vorgefasste Rezepte auf die jeweilige Besonderheit der Aufgabe ein. Die Verschränkung von Innenraum und Außenraum sehen wir als Bereicherung und Befreiung der Sinne. Diese humanistisch geprägte Kulturauffassung konnten wir hier weitgehend architektonisch umsetzen.

Auch auf der Dachfläche der Sporthalle können sich die Kinder während der Pausen aufhalten oder Fußball spielen. Ein L-förmiger, überdachter Umgang mit den charakteristischen Lamellen verleiht diesem Bereich seine klare räumliche Fassung. (Foto: Brigida Gonzàlez)
Lageplan (Zeichnung: wulf architekten)
Erdgeschoss mit Außenanlagen (Zeichnung: wulf architekten)
Schnitt Schule (Zeichnung: wulf architekten)
Schnitt Sporthalle (Zeichnung: wulf architekten)
Evangelische Grundschule mit Sporthalle
2013
Sengestraße 7
76187 Karlsruhe

Auftragsart
Wettbewerb 2011 / 1. Preis

Bauherrschaft
Schulstiftung der Evangelischen Landeskirche in Baden, Karlsruhe

Architektur
wulf architekten, Stuttgart

Team
Ingmar Menzer, Oliver Hasselbach, Larissa Schuster, Christopher Velz

Fachplaner
Tragwerk: SLP Ingenieurbüro für Tragwerksplanung, Karlsruhe
HLS-Planung, Bauphysik: Pfeil & Koch Ingenieurgesellschaft, Stuttgart
Elektroplanung: IGP Ingenieurgesellschaft für technische Ausrüstung mbH, Pforzheim
Brandschutz: TÜV Süd Industrie Service, Ulm
SiGeKo: DEKRA Industrial, Karlsruhe
Freianlagen: Planstatt Senner, Überlingen

Bauleitung
Michael Galfe, Büro: Burkhard Meyer Architekten BSA, Karlsruhe

Projektsteuerung
wpm Projektmanagement, Stuttgart

Energiestandard
Die Anforderungen nach EnEV 2009 für den Primärenergiebedarf werden eingehalten. Der Grenzwert wird um ca. 55% unterschritten.

Ausführende Firmen
Bauausführung: Bold, Achern
Aluminiumlamellen: Gattner, Leinefelde-Worbis
Gussasphalt: Asphaltbau Engist, Vogtsburg, BW

Hersteller
Linoleum (Linodur): DLW Flooring, Bietigheim-Bissingen
Wandbeschichtung (Sensocryl): Brillux, Münster
Klassenzimmereinrichtungen: VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken, Tauberbischofsheim
Einbaumöbel: Kneitschel, Colmberg
Stühle: (fox) Brunner, Brunner, Rheinau-Freistett
Sportgeräte: Gotthilf Benz, Winnenden
Trennwandsysteme: Lindner, Arnstorf
Sanitärkeramik: Duravit, Hornberg
Armaturen: HANSA Metallwerke, Stuttgart
Lichtschalter, Elektroinstallation: GIRA, Radevormwald
Edelstahl-Beschläge: FSB, Brakel
Beleuchtung: Trilux, Arnsberg, NW / Zumtobel Lighting, Dornbirn, Österreich / LTS Licht und Leuchten, Tettnang
Edelstahlnetze: Carl Stahl, Süßen
Aufzüge: OSMA-Aufzüge, Osnabrück

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