Belebung im Dorf

Peter Haimerl Architektur
8. April 2015
Der monolithische, gekippte Baukörper öffnet sich für die Konzertbesucher in Richtung Dorfplatz. Von dort gelangen sie über eine Treppe hinab in das unterirdisch liegende Foyer. (Foto: Edward Beierle)
Sie haben gemeinsam mit den Bürgern Blaibachs eine ungewöhnliche Wiederbelebung des Ortes initiiert. Wie umfassend ist das Projekt, und was will es in 10 Jahren erreicht haben?

Wir haben die Hauspaten.Bayerwald KG gegründet, die neue Projekte im Bayerischen Wald voranbringen will. Das reicht von der Ertüchtigung und Nutzung alter Bauernhäuser als hochwertige Arbeitsräume, über die Erprobung neuer städtebaulicher Ansätze im ländlichen Raum bis hin zur Unterstützung von Gemeinden bei der Entwicklung ihrer Ortsmitten, wie hier in Blaibach geschehen. Dieses Projekt umfasst den Bau des neuen Bürgerhauses, des Konzerthauses und der Restaurierung eines der ältesten Bauernhäuser im Bayerischen Wald. Somit ist die gesamte, bisher leerstehende Ortsmitte wieder revitalisiert worden. Es soll aber auch der Beginn einer inhaltlichen Erweiterung für den Wirtschafts- und Tourismusraum „Bayerischer Wald“ sein – neben den bisherigen Kernmarken Natur und Erholung.

Das Foyer erschließt Funktionsräume wie Garderobe, Sanitärräume, Barbereich, und führt um den Zuschauerraum herum ins Innere des Konzertsaales (Foto: Edward Beierle)
Mit welchen akustischen Mitteln haben Sie den Konzertsaal bespielbar gemacht?

Das akustische Konzept von Müller BBM geht neue Wege in Bezug auf Optimierung der Klangqualitäten. Als Basis wurde vom sogenannten Schuhschachtel-Modell ausgegangen, das kostengünstig und auch akustisch günstig ist. Die akustisch sehr guten Eigenschaften von Beton als Basismaterial – für die möglichst direkte und präzise Weiterleitung von Schallwellen – wurden ergänzt durch die gezielte Verwendung von schalldämmenden Elementen. Bassabsorber in den Wänden aber vor allem unter den schwebenden Tribünenreihen sind ein Novum im Konzerthausbau. Der spezielle Glasschaumschotterbeton mit seiner betont lebendigen Oberfläche dämpft die mittleren Töne und  verleiht der Oberfläche ein Struktur, die an Sedimente im Naturstein erinnert. Die für eine gute Schallverteilung notwendigen Faltungen wurden weiter interpretiert mit „Cuts“ für die Saal- und Bühnenbeleuchtung, ohne störende technische Einbauten zu behausen.

Der Beton im Inneren des Konzertsaals ist unbehandelt. Seine «lebendigen» Oberflächen dienen dazu, die mittelhohen Töne zu absorbieren, (Foto: Edward Beierle)
Konzert in Blaibach (Foto: Edward Beierle)
Die Stühle sind auf Eisenschwertern aus Stahl, unter den Stufengängen sind Absorber eingebaut (Foto: Edward Beierle)
Das Konzerthaus ist die neue zentrale Adresse für das Musikfestival Kulturwald. Wie wurde das Gebäude von den Besucherinnen aufgenommen?

Bisher sind sämtliche Konzerte von Beginn an ausverkauft, auch die fast immer eingefügten Zusatzkonzerte sind nach kurzer Zeit vergeben. Die Besucher kommen von nah und fern angereist. Die Resonanz ist hervorragend.

Es werden örtliche Bautraditionen in abgewandelter, abstrakter Form genutzt, zum Beispiel vertikale Bruchstein-Granitwände, die in dieser Art in allen umgebenden alten Häusern zu finden sind. (Foto: Edward Beierle)
Die Konstruktion des Baus beschreiben Sie als aufwändig – welche Besonderheiten waren beim Bau des Konzertsaals zu beachten?

Der Beton, der für die Innenschale des Konzerthauses angewendet wurde, ist eine spezielle Neuentwicklung aus dem Bayerischen Wald. Sie wurde so noch nie eingesetzt und diese Betoneigenschaften wurden bisher im Betonbau noch nicht erreicht. Zum Einsatz kamen Recyclingglasschaumschotter als Zuschlagstoff mit hohen Festigkeitswerten, guten Dämmeigenschaften und hohen ästhetischen Qualitäten. Die Schalung der Innenschale des Konzertsaales bestand aus circa 3000 unterschiedlichen Einzelplatten, die im Werk zusammenmontiert, in größeren Schalungselementen auf die Baustelle gebracht und schließlich montiert wurden. An diesen Schalungselementen waren sämtliche LED Lichtschienen und akustisch wirksame Elemente befestigt und wurden später eingegossen. Die hohen Fertigungsansprüche, in Bezug auf Geschwindigkeit in Planung und Umsetzung, Know How und Präzision, konnten nur von einer (österreichischen) Fahrzeugbaufirma erfüllt werden.

Die Fassaden aus Bruchsteingranit sind als große Fertigteilelemente vorgehängt. Auf einem fußballfeldgroßen Gelände, in der Nähe des Bauplatzes, wurden je eine Wand an einem Stück (ca. 22 x 11 m) gelegt und betoniert. 45’000 Steine wurden von freiwilligen Helfern in ein nivelliertes Sandbett gelegt. Da die Einzelteile sehr schwer waren (bis zu 22 t), und da auch die Ecken an einem Stück vorgefertigt wurden, wurden bereits in den Massivbau Stahlbaupasselemente eingesetzt, die ihr Gegenstück an linearen Konsolen an den oberen Enden der Fertigteile hatten. Die Betonfertigteilkonstruktion mit Natursteinelementen konnte so mit dem Genauigkeitsgrad einer Stahlbaukonstruktion hergestellt werden. Zum Aufhängen der Platten wurde eigens eine Gerüstkonstruktion mit Gelenkfuß konstruiert. So konnten die Platten vor Ort aufgestellt, umgehängt und montieren werden.

Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Maßgeblich hat der eingesetzte Wärmedämmbeton aus Glasschaumschotter  zum Erfolg mit beigetragen.

Das Konzerthaus ist das Herzstück der städtebaulichen Maßnahme, mit der der Ortskern von Blaibach revitalisiert wird (Schwarzplan: Peter Haimerl Architektur)
Eingegrabener Konzertsaal, zwischen Bürgerhaus, Stadel und Waldlerhaus (Grundriss: Peter Haimerl Architektur)
Die Schräge des Baukörpers – bedingt durch die Steigung des Hanges – trägt die Zuschauertribüne (Schnitt: Peter Haimerl Architektur)
Konzerthaus Blaibach
2014
Kirchplatz 4a
98476 Blaibach

Auftragsart
Öffentlich

Bauherrschaft
Gemeinde Blaibach

Architektur
Peter Haimerl.Architektur
Karl Landgraf, Ulrich Pape, Felicia Michael, Tomo Ichikawa, Jutta Görlich, Martin Kloos

Fachplaner
Statik: Thomas Beck, A.K.A. Ingenieure
Heizung / Lüftung: Cirtec Michael Hopf
Elektroplanung: Planungsbüro Stefan Schmid
Akustikplanung: Müller-BBM

Ausführende Firmen
Beton und Betonschalung Fassade: Fleischmann & Zankl, Viechtach
Metallbau Tribüne: Metallbau Gruber, Weiding
Betonschalung Innenraum: Gföllner, Fahrzeugbau und Containertechnik, Grieskirchen (AT)

Hersteller
Sanitärkeramik / Armaturen: Duravit, Dornbracht
Faserzementverkleidungen: Eternit
Linoleumböden: DLW Flooring
Akustiksysteme: Akustik & Raum AG

Bruttogeschossfläche
560 m²

Gesamtkosten
2.255.000 €

Fotos
Edward Beierle

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