Viele, viele bunte IBAs

Ursula Baus
10. Oktober 2012
Michael Braum und Heidelberger Icons (Bildmontage: frei04 publizistik) 

Auf die IBA-Inflation weisen wir immer wieder hin (siehe #02/2011, #40/2012), und dass die Ende vergangener Woche gestartete IBA in Heidelberg unter dem kryptischen Titel "Wissen-schafft-Stadt" auch nur dazu dienen könnte, normale Stadtplanungsdefizite auszugleichen, beargwöhnten wir schon vor gut einem Jahr (#38/2011). In Heidelberg gilt es, Quartiere gut zu vernetzen (neue Bahnstadt, Uni-Stadtteile wie das Neuenheimer Feld und die Konversionsflächen der US Army), die Stadt mit den richtigen Schulen am richtigen Ort zu versorgen, die Mobilität zu modifizieren und vielleicht mehr mit den Nachbarregionen zu kooperieren. All das sind übliche Stadtentwicklungsaufgaben, die sich in anderen Städten auch stellen und die ohne ein (im Ursprung epochales) "Instrument" wie eine Internationale Bauausstellung zu lösen sein sollten. Vergangenen Donnerstag läutete nun die Startglocke für die IBA Heidelberg: Die Stadt hat mit 2 Mio Euro eine IBA-GmbH gegründet, an deren Spitze ab März 2013 Michael Braum stehen wird. Michael Braum verlässt dafür die Bundesstiftung Baukultur, die er in ihrer Gründungsphase von Potsdam aus geprägt hat.
Zurück nach Heidelberg. Man hatte vergangene Woche (4. und 5. Oktober 2012) Experten zusammengerufen, um der interessierten Öffentlichkeit den frisch gekürten IBA-Chef zu präsentieren und die Anliegen der IBA Heidelberg nochmals zu verdeutlichen. Besser gesagt: Um herauszufinden, was denn die Aufgabe der IBA in Heidelberg überhaupt sein könnte, über der man schon seit vier Jahren brütet. Die Geschichte von Universitätsstädten beziehungsweise von Städten mit Universitäten wurde von dem Stuttgarter Stadtplanungsprofessor Helmut Bott skizziert. Der Soziologe Rudolf Stichweh räsonierte in abstrakten Sphären über "Wissens- und Weltgesellschaft" und kam leider auch nicht um den nervigen, modischen Begriff "Maschine" herum: die Stadt als "Wissensmaschine" und dann auch als "Differenzmaschine" – man kann nur hoffen, dass der verheizte Begriff "Maschine" aus den Diskursen so schnell verschwindet wie er aufgetaucht ist. Aber Stichweh forderte auch unmissverständlich für Heidelberg im Speziellen ein, dass es nicht um das elitäre Universitätsimage der Stadt gehen dürfe, sondern um Wissenszugang für alle. Das heißt: um Schulen, die im Memorandum der IBA leider gar nicht vorkämen.
In Podiumsrunden und im Publikum überlegte man dann, ob die IBA den kryptisch-hochtrabenden Titel "Wissen-schafft-Stadt" auf den realen Stadtumbau "runterbrechen" müsse (Michael Koch). Oder dazu beitragen müsse, Heidelberg im internationalen Universitätsranking zu unterstützen. Oder doch nur eine Art Gesprächstherapie anstoßen sollte, um das Selbstverständnis von Heidelberg als Wissenschaftsstadt – die es schon seit Jahrhunderten ist – zwischen der Universität ohne Stadt und der Stadt, in der man die Universität kaum wahrnimmt (wie New York) zu klären. Es kommt sehr darauf an, die Entwertung des Instrumentes IBA nicht zu beschleunigen. Vielmehr könnte in Heidelberg versucht werden, sich vom "IBA"-Begriff zu lösen und Stadtplanungsdefizite mit einem neu entwickelten, problemgerechten Strategietypus auszugleichen. Mit einem solchen neuen Strategietypus dürfte sich Heidelberg als "Wissenschaftsstadt" nicht nur rechtfertigen, sondern brüsten. Waren die frühen IBAs gebaute Manifeste, geht es heute um partizipative Prozesse, zu denen der "IBA"-Begriff kaum mehr passt. Er wirkt der Vermittlung von Prozesshaftem sogar entgegen, weil einer  "Ausstellung" ein finaler Zeitschnitt eigen ist. 
Es geht bei IBAs allerdings auch um viel Geld, an dem Heidelberg interessiert sein wird. IBA-Städte (man kennt und vernetzt sich) spekulieren immer auf erhebliche Fördermittel vom Land, vom Bund und aus der Privatwirtschaft.
Michael Braum muss die IBA Heidelberg wachküssen wie die Grimm'sche Märchenprinzessin den Frosch. Allerdings kennt Braum den Frosch schon eine Weile und wird wissen, ob unter der grünen Haut ein edelmütiger Prinz steckt.

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