DenkmalDebatten

Ursula Baus
29. Februar 2012
Bild: DenkmalDebatten.Denkmalschutz

Eine faktisch entmachtete Denkmalpflege, Retro- und Rekoarchitektur von vergleichsweise jungen Architekten, zugleich Plädoyers für Kontinuität und Abrisswut allerorten: Wie das Gretchen den Faust nach der Religion fragt, fragen wir gern die Architekten: Wie hältst Du's mit der Geschichte? Siehe die Magazinbeiträge 01/2010, 46/2011 und 5/2012. Für die Frage, wie wir's mit dem Denkmalschutz halten sollen, ist traditionell die Denkmalpflege zuständig, die keineswegs eine sakrosankte Macht mit gefestigten Ansichten und Institutionen ist. Nein, stets gilt es, die Positionen der Denkmalpflege zu hinterfragen, selbstkritische Stimmen gibt es daneben zuhauf. Seit 2009 gibt es nun das Internetportal "DenkmalDebatten.Denkmalschutz", Ingrid Scheurmann aktualisiert es etwa alle zwei Monate in übersichtlicher und informativer Form und präsentiert Kontroversen (Heidelberger Schloss, Meisterhäuser Dessau …), Protagonisten (siehe Bild oben) und engagierte Gruppen (Altstadtfreunde, Bürger gegen Abriss …). Die jüngste Aktualisierung ist dem Wiener Kunsthistoriker und ehemaligen Landeskonservator Oberösterreichs Wilfried Lipp (* 1945) gewidmet, der mit einem "postmodernen Denkmalkultus" die Denkmaldiskussion befeuerte. Ingrid Scheurmann bringt Lipps Thesen so auf den Punkt: "Die Denkmalpflege als öffentliches Anliegen der modernen, sich kontinuierlich beschleunigenden Gesellschaft ist in immer kürzeren Abständen gefordert, ihr Handeln auf seine gesellschaftliche Relevanz hin zu überprüfen, "Wertfrachten" nicht nur zu tradieren, sondern auch zu hinterfragen und die Sinn- und Bedeutungsangebote von Denkmalen zu aktualisieren. Es geht Lipp um die Begründung von "Wertinnovationen", das Abwägen neuer, der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts entsprechender Werte und Erhaltensgründe." De facto hat die Denkmalpflege seit der Postmoderne – und erst recht im jüngsten, fragwürdigen Rekonstruktionsboom – "ihren mikrototalitären Anspruch als einzig legitimer Anwalt des Vergangenen" weitgehend eingebüßt. Legendär ist der "postmoderne Denkmalkultus", den Lipp mit Michael Petzet 1993 veröffentlichte. 2008 folgte ein Grundlagenwerk, das ebenfalls bei den "DenkmalDebatten" vorgestellt wird: Die "Kultur des Bewahrens. Schrägansichten zur Denkmalpflege".
Wer bei den Denkmaldiskursen mitreden möchte, findet auf dieser Website gut strukturierte Informationen. Es wird außerdem höchte Zeit, dass – über Lipp hinausgehend – der Denkmalbegriff gänzlich neu gefasst oder sogar ersetzt wird. Denn was bewahrt werden will, ist kaum noch das, was unter dem "Denkmal" verstanden wird.

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