20. Juli 2011
Warum findet sich in neuer Architektur so wenig von dem, was den Kulturraum Europa so reich macht? (Bild: Christian Holl) 
In den Ferien entdecken: Architektur mit Migrationsvordergrund

Die Jugendmannschaft des DFB, die bei der WM in Mexiko unglücklich im Halbfinale ausgeschieden ist, hatte, wie es die Süddeutsche schrieb, keinen Migrationshinter- sondern einen Migrationsvordergrund. Die Spieler hießen Vlachodimos, Ayhan, Perrey, Yalcin, Yesil, Koray Günter, Mitchell Weiser, Emre Can – eine wahrhaft europäische Mannschaft. Doch die Euphorie bei Länderspielerfolgen steht in krassem Gegensatz zum Vertrauen, das die Menschen scheinbar ansonsten in Europa setzen. Die Krise um den Euro verleiht dem Europaskeptizimus Auftrieb – dabei sollte man sich immer wieder vor Augen führen, wie wertvoll die EU ist; sie ist Garant für eine Zeit des Friedens der in ihr vereinten Ländern, wie sie sie jahrhundertelang nicht erleben durften.
So wenig man ihn sonst vermisst – von Helmut Kohls Europa-Euphorie hätte man gerne etwas mehr in diesen Tagen bei den nun Verantwortung tragenden Politikern. Und was ist Europa über alle Grenzen hinweg nicht für ein beeindruckender Kulturraum! Dies immer wieder neu zu entdecken, ist die Ferienzeit ideal, ob man nun nach Spanien, Portugal oder Griechenland fährt. Oder in ein anderes Land Europas. Welche Vielfalt an Architektur ist hier aufzuspüren, auf dem Land wie in den Städten, eine Vielfalt, die weit über das hinaus reicht, was sich als vermeintliche Referenz auf die europäische Stadt in zeitgenössischen Entwürfen niederschlägt. Gar von weißer Langeweile im Wohnungsbau schrieb kürzlich die FAZ im Zusammenhang mit dem Tag der Architektur. Der Reichtum an Formen und Stilen, an Geschichte und Geschichten, an freien und anverwandelten Adaptionen anderer Architektur ist gebaute Aufforderung, Europa auch architektonisch immer wieder neu zu beleben, den Reichtum der Geschichte nicht einem ängstlichen Reduktionismus, nicht dem Glauben zu opfern, gute Architektur und guter Städtebau hätte etwas mit einer Reinheit, einer Homogenität zu tun, die durch andere Ansichten über und andere Formen von Architektur bedroht werden könne. Städtische und europäische Architektur ist Architektur mit Migrationsvordergrund. Hören Sie im Urlaub den Geschichten zu, die diese Architektur zu erzählen weiß. Und nächstes Jahr darf dann unbeschwert in Polen und der Ukraine Mesut Özil, Lukas Podolski, Mario Gomez und Denis Aogo und, ja auch Manuel Neuer und Thomas Müller zugejubelt werden. ch

Screenshot vom Spiel "Spa-Mania" – Verwöhne Deine Gäste! (Screenshot: Bigfishgames.de) 
Farewell – Plädoyer für wellnessfreie Zonen

"Padabhyanga. Entspannende Massage von Beinen und Füßen. Wirkt ausgleichend bei jeglicher Anspannung, verleiht tagsüber Ruhe und nachts einen erholsamen Schlaf. Auf Wunsch mit Himalayasalz und Lavendelöl". Heiße Steine, Erlebnisduschen in Klanghöhlen, Barfußgang auf Tannenzweigen, Milchsäure-Peelings, Algenumwicklung – es lässt schaudern, was unter dem Stichwort "Wellness" alles angedroht wird. Ohne geknetet, eingeschmiert, gestretcht und in Dampf- und Duftwolken, Schlick- und Moorbrei getaucht zu werden, kommt man aus den Wellnesstempeln wohl nicht mehr raus. Kaum ein Hotel, das nicht ein "Wohlfühl-Paket" oktroiert, das nicht mit Saugpumpen auf der Haut, mit Aqua-Aerobic, Aromatherapien, Bikram-Yoga bei 32 Grad und Eisgrotten piesackt. Heubad bei 42 Grad im Kraxenofen und dann ins Tiefkühlfach – ja, geht's noch? Was beim professionellen Anti-Aging-Programm droht, verschweigen wir hier lieber. "Wellnepp" titelte die Süddeutsche mal, und lenkte ihren Spott auf den zweifelhaften Nutzen der "Behandlungen". Man schaue auch bei den ganzen Spa- und Wellnesstempeln mal darauf, wie viele Flächen zugebaut und wieviel Energie verbraucht wird. Die Ambiente der Wellness-Oasen und -Landschaften schwanken zwischen altägyptisch, altrömisch und irgendwie asiatisch hin und her – ein Trend jagt den anderen. Mitte Juni las man von Ohrkerzen, von deren segensreicher Wirkung schon die Chinesen wussten – oder waren's die Hopi-Indianer? Und gerade im Radio gehört: Meditieren im Krokodil-Gehege wird als Wellness der Extraklasse propagiert. Ungefährlich ist die Wellness nicht! Deswegen wird die paarweise Anwendung durchaus empfohlen.
Es wird immer schwerer, ein einfaches, sauberes, geschmackvoll eingerichtetes Gasthäuschen mit guten Matrazen zu finden, in dem man von allen Wellnessangeboten verschont bleibt und einfach sein Haupt abends in ein weiches Kissen betten darf. In dem das Frühstück weder Molkekur, noch Trennkostexperiment – sondern ein Frühstück ist.
Klingt altmodisch? Liebe Leser, erholen Sie sich in den vor uns liegenden Sommerferien wie Sie wollen. Kommen Sie gesund und munter zurück! ub

Dies sind Sieger der SWR-Abstimmung zu den aufregendsten Bauten in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz: das Mercedes-Benz-Museum und der Fernsehturm in Stuttgart sowie die Burg Hohenzollern (Bilder v.r.n.l.: Daimler AG, Simone Hübener, Roland Beck) 
Aufregende Architektur

Besonders im Süden der Republik ist man mit dem Automobil stark verbunden. Am Samstag wird landauf landab "'s heilige Blechle" geputzt und auf Hochglanz poliert. In diesem Jahr vielleicht noch mehr als sonst, denn es gilt den 125. Geburtstag dieser Erfindung zu feiern. Und da soll sich das eigene doch von seiner besten Seite zeigen. Dazu passt es nur allzu gut, dass die Teilnehmer der SWR-Abstimmung "Unsere aufregendsten Bauwerke" nun das Mercedes-Benz-Museum zum Sieger gekürt haben. Das Museum, das im Mai 2006 eröffnet worden ist, avanciert mit rund 650.000 Besuchern allein im vergangenen Jahr zu einem Publikumsmagneten der Landeshauptstadt – und das zu einem Großteil auch der Architektur wegen.
Auf Platz zwei rangiert mit dem Fernsehturm bereits der nächste Stuttgarter, bevor sich dann auf dem dritten Rang das erste historische Gebäude in die Liste einreiht: die Burg Hohenzollern.
Mehr als 23.000 Stimmen wurden für die 50 zur Wahl stehenden Bauwerke, die allesamt in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz erbaut worden sind, abgegeben; darunter auch die Stuttgarter Weissenhofsiedlung (Platz 14), das Vitra Design Museum in Weil am Rhein (Platz 16) und die Neue Synagoge in Mainz (Platz 36). Es finden sich also viele moderne, zeitgenössische Bauten unter den Siegern, nicht nur romantische Schlösser, ehrwürdige Kathedralen und stolze Burgen.
Wer über die besten 25 mehr erfahren möchte, der schaue sich am 30. Juli ab 17 Uhr die einstündige Sendung an, die der SWR eigens anlässlich dieser Abstimmung produziert hat und an diesem Tag zum zweiten Mal sendet – gerade rechtzeitig zum Beginn der großen Ferien in den beiden Bundesländern. Die anderen "Besten", besonders die 20 beliebtesten Hunderassen, seien an dieser Stelle geflissentlich übergangen. Denn darauf können wir getrost verzichten. Wir freuen uns lieber auf die kommenden Hundstage. sh

Bild: Wikipedia 
Emanzipation – oder doch nicht?

Letzte Woche schoss eine Pressemeldung ins Postfach: "Erste Ampelfrau in Hamm". Wenn das nicht eine Sensation ist! Soll das heißen, dass jetzt auch die Emanzipation in Hamm angekommen ist? Nun, als solches will es die Gleichstellungsstelle, man lasse sich dieses Wort auf der Zunge zergehen, nicht verstanden wissen. Dennoch war es ein Geschenk vom Oberbürgermeister Hamms zum 100. Weltfrauentag am 8. März an jene Gleichstellungsstelle.
Die Idee ist nicht neu. Bereits 2004 erschien die erste Ampelfrau Deutschlands in Zwickau. Dresden zog nach. Und weil die Deutschen nicht immer die Nase vorn haben, waren die Niederländer schon im Jahr 2000 so emanzipiert, die Steuerung des Fußgängerverkehrs einem Ampelmädchen mit Namen Sofie anzuvertrauen. Dabei hatte das Ampelmännchen, von Frauen war zu dieser Zeit noch keine Rede, kurz nach der Wiedervereinigung einen schweren Stand. Die Ampeln im Osten wurden verschlimmbessert. Stück für Stück wurden die Ost-Ampelmännchen durch die hageren Westfiguren ersetzt. Bis die Menschen sich beschwerten und den Grundstein für die Ostalgie legten. So kam es, dass mehr und mehr Städte auch im Westen das Ost-Ampelmännchen importierten. Seit 2010 gibt es in der nordrhein-westfälischen Stadt Hückeswagen als erster im Westen gelegenen Stadt nur noch Fußgängerampeln mit dem Ampelmännchen.
Doch warum spielt nun auch bei den Ampeln der Geschlechterkampf eine Rolle? Sind Frauen die besseren Pädagoginnen? Oder die besseren Verkehrspolizistinnen? Oder achtet der zu Fuß gehende Verkehrsteilnehmer eher auf den erhobenen Zeigefinger einer Frau als eines Mannes?
Nichts von alledem ist der Grund, warum immer mehr Städte und Gemeinden vermelden: Wir haben eine Ampelfrau. Da sie, wie es sich für eine versinnbildlichte Frau gehört, auch ein passendes Röckchen trägt, ist die Fläche ihres Signallichtes einfach größer als die eines hosentragenden Ampelmännchens. Das ist das ganze Geheimnis. Wobei wir nicht übersehen wollen, dass Frauen mit Männchen verglichen werden.
Wer also noch nicht genau weiß, was er in den Ferien unternehmen will, der mache sich auf die Suche nach Ampelfrauen und auch -männchen, in Ost und West. Denn eines haben sie gemeinsam: Sie sind allemal schöner als das meistenorts übliche Euromännchen. pb

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