Theater und Philharmonisches Orchester Heidelberg
Theatererweiterung Heidelberg
28. 十一月 2012
Dezent im alten Heidelberg: Das gewaltige Raumprogramm ist der Umgebung mit kleinteiliger Fassadenstruktur und geschickt platziertem Volumen angepasst.
Schlendert man durch die Straßen und Gassen der Heidelberger Altstadt, schweift der Blick kaum in die Ferne, sondern sucht in der Fassadenvielfalt Halt. Der Gebäudeblock des Theaters – ein Drei-Sparten-Haus – war bislang auf den Hauptbau aus dem Jahr 1851 und weitere drei Altbauten beschränkt. Neuerdings fallen schlank gegliederte „Lückenfüllungen“ auf, in denen man sofort eine gelungene Nachverdichtung vermutet. Vergangene Woche, am 21. November, wurde das erweiterte Theater Heidelberg wieder in Betrieb genommen – und man kann nicht dankbar genug für die Entscheidung sein, das Theater mitten in der (Alt-)Stadt zu belassen und nicht etwa in das „Bahnstadtgelände“ zu verlagern.
Das neue Foyer, von der Längsseite des neuen Theatersaales aus gesehen; rechts die Türen zum alten Saal.
Die Idee der Architekten, das Gelände zwischen den Altbausolitären mit neuen Raumzonen zu füllen und damit die Altbauten auch funktional geschickt zu verbinden, ist gestalterisch überzeugend umgesetzt worden. Im Straßenraum treten die ergänzten Bereiche dezent in Erscheinung, was an der gleichmäßigen Fassadengliederung und zugleich an der Beschränkung auf lediglich zwei Baumaterialien liegt: Eichenholz und warmweiß eingefärbten, leicht körnigen Sichtbeton. Diese Beschränkung ist auch innenräumlich konsequent durchgehalten – die schwierige Komplexität des Theaterblocks wurde elegant zum erhofften Ganzen gefügt.
Übungssaal mit Einblick von der Straße.
En passant entstanden für das Theater auch „Schaufenster“, durch die man von der Straße aus Künstlern beim Proben, Bühnenexperten beim Werkeln oder Gästen beim Flanieren zusehen kann. Auch in teils im Untergeschoss gelegenen Räumen ist die alte Bausubstanz freigelegt und konstitutiv in das Gesamtensemble einbezogen.
Raffinierte Kombination: Die Bühne ist beidseitig nutzbar, links der neue Saal, rechts der Blick in den alten Saal.
Der alte Theatersaal blieb erhalten, wurde restauriert und mit einem um 90 Grad gedrehten neuen Saal ergänzt. Über die Längsseiten sind beide Säle an das gemeinsame Foyer angeschlossen. Gemeinsam lässt sich auch die Bühnentechnik nutzen – in einer Kombination, die in der Theaterlandschaft einzigartig, zumindest sehr selten ist (welcher Leser kennt einen ähnlichen Fall?). Die Theatersäle verfügen jetzt über eine hochleistungsfähige Bühnentechnik, eine exzellente Akustik und vielerlei Nutzungsoptionen, Regisseure und Publikum dürfen sich, wenn beide Säle bespielt werden, herausgefordert sehen.
Die Dachlandschaft der Heidelberger Altstadt mit Blick auf das Theaterquartier.
Das Zusammenspiel von Alt und Neu ist unspektakulär, aber atmosphärisch wirkungsvoll darauf begrenzt, dass einstige Außenfassaden der Altbauten als jetzige Innenwände nicht verändert wurden. Die Bodenhöhen konnten aufeinander abgestimmt werden, und eine durchgängige „Dachplatte“ trägt der neuen Einheit auch im äußeren Erscheinungsbild Rechnung. In Heidelberg spielt aufgrund der Topografie auch die Dachlandschaft eine erhebliche Rolle. Den hohen Bühnenturm, der tief im Gelände liegt, kann man von der Straße aus kaum sehen.
Neuer Saal – eine einzigartige Kombination.
Stadtverträglicher und innenräumlich kohärenter hätte die Erweiterung kaum ausfallen können. Ärgerlich ist, dass ein Theaterrestaurant an der Eingangsseite von der Nachbarschaft unterbunden wurde und jetzt leider nur als Kantine genutzt werden kann. Unbegreiflich auch, dass Nachbarn rigoros auf Schallschutz nach außen pochten – Nachbarn, die ihre nach subjektivem Geschmack bestückte Stereoanlage oft hemmungslos bei offenem Fenster auf Stadtlautstärke stellen. Als Stadt darf sich Heidelberg über eine hochwertige Kultureinrichtung freuen und um ein hervorragendes Beispiel gelungenen Weiterbauens bereichert wissen. Und im Sinne der Musikkultur muss man einfordern, dass die Instrumentalisten und Sänger ihre Kunst bei offenem Fenster weithin klingen lassen dürfen. Sie kommt aus den Herzen der Musiker über Stimmbänder und wunderbare Instrumente – und nicht aus der digitalisierten Konserve.
Ursula Baus
Restaurierter alter Saal - eine einzigartige Kombination.
Theater und Philharmonisches Orchester Heidelberg
2012
Theaterstraße 6
69117 Heidelberg
Bauherr
Theater- und Orchesterstiftung Heidelberg
Heidelberg
vertreten durch:
GGH Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz mbH
Heidelberg
Architekt
Waechter + Waechter Architekten BDA
Darmstadt
Bauleitung
Waechter + Waechter
mit ap88 Architektenpartnerschaft
Bellm. Löffel. Lubs. Trager
Heidelberg
Tragwerksplanung
Weischede, Hermann und Partner GmbH
Stuttgart
Haustechnik
Engineering Consult
Karlsruhe
Elektrotechnik
Raible + Partner
Ditzingen
Bühnentechnik
Planungsteam Veranstaltungstechnik
Sonsbeck
Bauphysik
Müller-BBM GmbH
Planegg bei München
Elektrotechnik
Imtech Deutschland GmbH & Co. KG
Rüsselsheim
Bühnentechnik
Rofitec GmbH
Störnstein
Licht-, Ton-, Medientechnik
Salzbrenner GmbH
Buttenheim
Rohbau
Riedel Bau GmbH & Co. KG
Schweinfurt
Fassaden Neubau
Schindler Fenster + Fassaden GmbH
Roding
Fenster Altbau
Fensterbau Rutsch GmbH
Meckesheim
Außenanlagen
Gramenz GmbH
Wiesbaden
Dach Neubau
Dachland GmbH
Mainz
Innenausbau / Einrichtung
Schumann Möbelwerkstätte GmbH
Altenkirchen
Terrazzo
R.Bayer Betonsteinwerk GmbH
Blaubeuren
Dielenböden
JaKo Baudenkmalpflege GmbH
Rot an der Rot
Bruttogeschossfläche
15.440 m²
Baukosten
ca. 62.000.000 Euro
Fotografie
Thomas Ott