2. april 2017
Die neuen Gebäude des Centre National des Arts du Cirque sind nach außen ein Spiel mit den Formen. (Bild: Sébastien Normand)
Im nordfranzösischen Châlons-en-Champagne wird im Cnac seit Mitte der 1980er-Jahre die große Kunst des Zirkus gelehrt. Nun wurde die Schule erweitert, entworfen und geplant von Caractère Spécial § Matthieu Poitevin Architecture und NP2F architectes.
Projekt: Centre National des Arts du Cirque (Cnac) (Châlons-en-Champagne, FR) | Architektur: Caractère Spécial § Matthieu Poitevin Architecture (Marseille, FR) mit NP2F architectes (Paris, FR) | Bauherr: Ministère de la Culture et de la Communication (Paris, FR) | Hersteller: Eternit GmbH (Heidelberg, DE), Kompetenz: Wellplatten Profil 6 ¾ in Naturgrau | vollständige Bautafel siehe unten
In Deutschland hat es der klassische Zirkus immer schwerer und muss leider allzu oft mit sinkenden Besucherzahlen kämpfen. In Frankreich ist das anders: Hier besitzt der Zirkus noch einen großen kulturellen Wert in allen Gesellschaftsschichten. Das Ansehen ist sogar derart groß, dass viele Junge gerne den Beruf des Artisten erlernen möchten. Bereits seit Mitte der 1980er-Jahre gibt es deswegen in im nordfranzösischen Châlons-en-Champagne das «Centre national des arts du cirque», kurz: Cnac, in dem der vielfältige Beruf erlernt werden kann. Das Zentrum befand sich hier in Châlons-en-Champagne bisher an einem historischen Ort aus dem 19. Jahrhundert mit einem festen Haus aus Stein. Im Jahr 2008 nun konnte die französische Regierung ganz in der Nähe ein Grundstück erwerben, auf dem sich einst das Marnaise Agricultural Cooperative, die landwirtschaftliche Genossenschaft befand, inklusive der sich darauf befindlichen Lagerhallen und Silos und Zweiteilung durch eine vierspurige Hochstraße. Dort konnte und sollte eine (dringend benötigte) Erweiterung des Zirkuszentrums entstehen, und so lobte man einen Entwurfswettbewerb aus, den am Ende Caractère Spécial § Matthieu Poitevin Architecture aus Marseille zusammen mit NP2F architectes aus Paris für sich entscheiden konnten.
Mit der formalen Gestaltung des Bauwerks nehmen die Architekten nicht zuletzt auch den Maßstab der Umgebung auf. (Bild: Sébastien Normand / Eternit)
Deren Entwurfsidee gründet im Prinzip auf drei Ansätzen: ein neues «Schulhaus» zwischen den Silos und den bestehenden großen Hallen zu bauen, außerdem eine Unterkunft mit 13 Wohneinheiten in der nordöstlichen, nur gut 100 m vom historischen Cnac entfernten Ecke des Grundstücks anzuordnen und schließlich das vorgefundene Bauliche sowie Grundstücksorganisatorische einzubinden. Die Schüler des Cnac brauchten letztendlich vor allem eines: große, stützenfreie Räume zum Üben und Trainieren ihrer nicht selten wagemutigen Kunststücke. So haben die Architekten eine Art Konglomerat aus Räumen geschaffen, deren Anordnung sich nach Außen durch ein Spiel mit dem Thema des Satteldachs ausdrückt. Im Vorbeifahren auf der Hochstraße entsteht so ein Rhythmus hoher und flacher Gebäude ab, das sich mal mit Dachfläche, mal mit Giebel zur Straße hin zeigt. Um die alten Bestandsstrukturen aus Holz und Stahl herum säumen sich nun die neuen Räume, wodurch vielfältige Trainingsmöglichkeiten entstehen. Die Tragstruktur der neuen, bis zu 15 m hohen Hallen besteht ganz simpel aus Beton, der unverkleidet und unbearbeitet bleibt. Verbindendes Element in der räumlichen wie strukturellen Heterogenität ist das Fassaden- und Dachmaterial: Klassische Wellplatten aus Faserzement sind wie ein Mantel über alle Gebäudeteile gelegt und verleihen dem Ensemble eine industrielle, fast schon archaische Anmutung, die derart gestaltet sogar eine gewisse Eleganz besitzt. Einzig die mutig geschwungene an der Eingangsfassade verweist darauf, dass sich hier kein Gewerbelager befinden kann. Die Fassadenbespielung mit Leuchtröhren fragt unschuldig: «Welcher Zirkus?» Wer genau hingeschaut, sieht allerdings, dass das Fragezeichen – nicht ohne Selbstironie – auch ein leuchtendes Ausrufezeichen sein kann. Was für ein Zirkus!
Mit nur wenigen Elementen verweist die Hauptfassade auf das Geschehen drinnen: eine mutig gewendelte Treppe sowie ein leuchtender Schriftzug. (Bild: Sébastien Normand / Eternit)
Das Grundstück befindet im Winkel zwischen einer vierspurigen Hochstraße und dem Canal Latéral à la Marne, der künstliche, schiffbare Teil der Marne. (Bild: Sébastien Normand)
Lageplan (Quelle: Caractère Spécial / NP2F architectes)
Geländeorganisation (Quelle: Caractère Spécial / NP2F architectes)
Axonometrie Nutzung (Quelle: Caractère Spécial / NP2F architectes)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: Caractère Spécial / NP2F architectes)
Längsschnitt (Quelle: Caractère Spécial / NP2F architectes)
Querschnitt (Quelle: Caractère Spécial / NP2F architectes)
Auf der Freitreppe zwischen erstem und zweitem Obergeschoss können die Schüler ihre Höhentauglichkeit unter Beweis stellen. (Bild: Sébastien Normand)
Die verschieden konfigurierten Innenräume bieten viel Platz für ganz unterschiedliche Trainings- und Unterrichtseinheiten. (Bild: Christophe Manquillet)
Bis zu 15 m und fast ebenso breit hoch sind die Hallen, in denen die akrobatischen Übungen professionell einstudiert werden können. (Bild: Christophe Manquillet)
So sah das Gelände bei Baubeginn aus: Die bestehenden Hallen wurden nicht abgerissen, sondern in das neue Ensemble integriert. (Bild: Christophe Manquillet)
Projekt
Centre National des Arts du Cirque (Cnac)
(Zentrum für Zirkuskunst)
Châlons-en-Champagne, FR
Architektur
Caractère Spécial § Matthieu Poitevin Architecture
Marseille, FR
in Kooperation mit
NP2F architectes
Paris, FR
Projektleitung: Marc Kauffmann and Nicolas Guérin
Hersteller
Eternit GmbH
Heidelberg, DE
Kompetenz
Wellplatten Profil 6 ¾ in Naturgrau
Bauherr
Ministère de la Culture et de la Communication (Ministerium für Kultur und Kommunikation)
Opérateur du Patrimoine et des Projets Immobiliers de la Culture
Paris, FR
Tragwerk
DVVD
Lichtplanung
Lumières studio
Szenographie
Ducks sceno
Akustikplanung
Orfea
Landschaftsarchitektur
Base
Fertigstellung
2015
Fotografie
Sébastien Normand
Christophe Manquillet
Projektvorschläge
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