In die Landschaft eingebunden

Autor:
Peter Petz | Podest
Veröffentlicht am
Juli 11, 2012

Allmann Sattler Wappner gewinnen den Wettbewerb um das Berufliche Schulzentrum in Wetzlar. Alexandra Wagner stellt sich unseren Fragen zum Wettbewerb.
Blick auf das Berufliche Schulzentrum 

Worin liegt die Besonderheit Ihres Vorschlags?

Die außergewöhnliche Hügellage und die beeindruckende Aussicht auf Wetzlar prägen das Grundstück in besonderer Weise. Das Projekt entwickelt sich daher aus einer architektonischen Position, die Landschaft und Gebäude gleichwertig und symbiotisch miteinander verbindet. Die Vorzüge der Topographie werden für eine großzügige und räumlich kontinuierliche Lernlandschaft auf möglichst wenigen Ebenen genutzt. Die offen gestalteten Plattformen bieten flexible Räumlichkeiten, welche das eigenverantwortliche Arbeiten der Schüler, beziehungsweise die Kooperation der Schüler untereinander fördern.
Programm, Belichtung, Topografie 

Wie kamen Sie zur Großform? Welche Freiraumqualitäten sehen Sie vor?

Die Großform bietet eine flexible Clusterstruktur und eine flächige Organisation für eine flexible Nutzung. Sie folgt den Höhenlinien der Landschaft und bindet sich in die Landschaft ein.

Der Zugang zum Grundstück erfolgt über Vorplatz im Süden entlang der Innenseite des Gebäudes. Nach Norden und Westen entstehen großzügige Grünflächen mit Ausblick auf Wetzlar. Das Dach ist begehbar und als erweiterter Pausenhof nutzbar. Über eine Rampe auf der Innenseite des Gebäudes werden die Freiflächen für alle zugänglich gestaltet.
Lageplan 

Wie organisieren Sie das Berufliche Schulzentrum?

Die geschwungenen und durch Innenhöfe gegliederten Plattformen nehmen das gesamte Raumprogramm auf und bilden vier räumlich unterschiedliche Sequenzen aus – die Theodor- Heuss-Schule am Anfang, der zentrale Bereich in der Mitte der Großform, anschließend die Käthe-Kollwitz-Schule und die Sporthalle am Ende.

Durch die Breite der Plattformen ergibt sich eine maximale Flexibilität im Ausbau der Cluster bei gleichzeitig idealer Belichtung so wie einer jeweils separat möglichen Erschließung. Durch die Anordnung von Fluchtbalkonen als horizontale Extensionen der Plattformen ergibt sich ein schwellenfreies, inneres Gefüge und die Möglichkeit einer offenen vertikalen Verbindung der einzelnen Ebenen.
Im Inneren der zentralen Halle werden die Schulen und der Pausenhof auf dem Dach über dreidimensional verformte Raumschalen, die sich aus der jeweiligen Ebene nach unten drücken, zu einem großzügigen räumlichen Kontinuum verbunden. Einzelne Raumteile lassen sich über faltbare Glaskonstruktionen voneinander abtrennen und erzeugen eine maximale Variabilität zukünftiger Nutzungsszenarien. In Form von großformatigen Sitztreppen und darin eingewobenen Rampen entsteht ein differenzierter Raum zur Förderung der Gemeinschaft und Kommunikation. Das große Volumen der Sporthalle wird in den Hang eingegraben und über tragwerkshohe Verglasungen rundum mit Licht versorgt.
Grundrisse 

Welche Innenraumqualitäten sind vorgesehen?

Die zentrale Halle, in der alle Ebenen zusammenlaufen, bietet eine Vielzahl von räumlichen Angeboten, die alle miteinander schwellenfrei verbunden werden. Die vertikale Verknüpfung der Ebenen geschieht durch eine Flächenverformung der oberen Ebene zur darunterliegenden. Die eine Inklusion aller Personengruppen ermöglichenden Erschließungsangebote werden offensichtlich, dehierarchisch und miteinander kombiniert angeboten. Die Nutzungen werden offen, im Sinne einer vertikalen Markthalle für alle zentralen Angebote, miteinander verknüpft, lassen sich aber gegebenenfalls auch über leichte, gläserne Trennwände voneinander separieren. Jeder Jugendliche, jeder Lehrende hat die Möglichkeit zum gemeinsamen Nutzung aller Flächen und Räume.
Multifunktionaler Raum 

Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

Die komplexe Form mit der offenen räumlichen Konzeption erlaubt die Verwendung von einfachen und robusten Materialien. Die Fassaden werden aus Lärchenholzelementen gebildet, in einer, auf die jeweilige Himmelsrichtung abgestimmten, Unterscheidung durch den Anteil und die Form der geschlossenen Elemente. Die Auskragungen der Plattformen ermöglichen hier einen primären konstruktiven Holzschutz. Die vier räumlichen Sequenzen werden im Inneren über unterschiedliche Ausbaumaterialien charakterisiert. So werden für die THS und die Ausbauelemente in Lärchenholz vorgesehen. Im zentralen Bereich kommen Ganzglaselemente zur Verwendung. Die schalenförmigen Sitztreppen werden mit Lärchenholz-Dielen belegt. Die Käthe-Kollwitz-Schule mit ihren vielen Werkstätten erhält im Inneren einen eher technischen Ausdruck, mit Alutrennwandsystemen in walzblanker Ausführung. In der Sporthalle werden alle massiven und tragenden Bauteile weiß beschichtet.
Detail 

Was beinhaltet Ihr vorgeschlagenes Energiekonzept?

Ziel des Klima- und Energiekonzeptes ist es, für Lehrer und Schüler eine gute Frischluftversorgung zu gewährleisten und einen hohen visuellen, thermischen und akustischen Komfort zu bieten. Deshalb ist es wichtig, dass das Gebäude aus sich heraus ein hohes Maß an Komfort gewährleistet. Zusätzliche Maßnahmen wie eine mechanische Lüftung in den Klassenzimmern werden gezielt für die Verbesserung der Luftqualität eingesetzt. Ein weiterer Schritt zur Schonung der Energieressourcen ist die Substitution fossiler Brennstoffe durch regenerative Energiequellen wi zum Beispiel Sonne, Erdreich, Nachtkühle, Biomasse.

Die Ziele werden unter anderem durch folgende Maßnahmen erreicht: Optimierte Wärmedämmung in der Gebäudehülle und den Glasfassaden in Niedrigstenergiestandard  |   Optimierter sommerlicher und winterlicher Wärmeschutz durch externen Sonnenschutz (fest + beweglich) sowie gedämmte Brüstungsbereiche (Nordfassaden) bzw. vorgesetzte Brüstungselemente an den Fluchtbalkonen (Westfassade)  |  Mechanischen Zu- und Abluftanlage mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung zur Grundbelüftung der Klassenräume  |  Raumweise individuell regelbare natürliche Frischluftversorgung der Klassenzimmer über Lüftungsflügel zur Stosslüftung in den Pausen  |  Nutzung der thermischen Speichermasse des Gebäudes über eine eingelegte Betonkernaktivierung in Kombination mit einbetonierten, thermisch leitfähigen Akustikabsorbern für glatte Deckenuntersicht ohne Abhangbereiche | Wärmeversorgung über hocheffiziente Wärmepumpe mit Anbindung an ein Geothermiesystem (Erdabsorber unter der Bodenplatte / Grundwassersaug- und schluckbrunnen)  |  Dachintegrierte horizontale Photovoltaikmodule auf der Süd- und Ostseite des Flachdachs

Die Primärenergiegutschrift aus dem solar erzeugten Strom kompensiert in der Jahresbilanz den gesamten Primärenergieaufwand für den Gebäudebetrieb.
Energiekonzept 

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Nein.

Die komplette Wettbewerbsdokumentation finden Sie in
wa 07/2012
Berufliches Schulzentrum Wetzlar
Begrenzt offener Wettbewerb mit Bewerbungsverfahren

Jury
Prof. Hans-Peter Achatzi, Vors.
Ursula Fuss
Arthur Numrich
Claus Staniek
Felix Waechter
Prof. Tobias Wulf

1. Preis
Allmann Sattler Wappner . Architekten
München

2. Preis
Broghammer Jana Wohlleber
Zimmern ob Rottweil

3. Preis
se(arch) Architekten
Stuttgart